Entscheidungsstichwort (Thema)
Sperrwirkung. Rechtshängigkeit. Unzulässigkeit. Rechtskraft
Leitsatz (redaktionell)
Die prozessuale Sperrwirkung i.S. des § 202 SGG i.V.m. § 17 Abs 1 S. 2 GVG einer zuerst erhobenen Anfechtungs- und Leistungsklage gegen einen Bescheid (nunmehr) in der Gestalt eines Widerspruchsbescheids führt zur Unzulässigkeit jeder weiteren Klage mit demselben Ziel bzw. zur fortbestehenden Unzulässigkeit nach Eintritt der Rechtskraft des früheren Urteils.
Normenkette
SGG § 73a Abs. 1 S. 1, § 160 Abs. 2 Nr. 3, § 202; ZPO §§ 114, 121 Abs. 1; GVG § 17 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 17.12.2015; Aktenzeichen L 7 SO 4970/15) |
SG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen S 7 SO 1645/15) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. Dezember 2015 - L 7 SO 4970/15 - Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Im Streit ist die Übernahme von Kosten für Arbeits- und Lernmittel.
Die Beklagte hat solche Leistungen, insbesondere gestützt auf §§ 67 ff Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII), abgelehnt (Bescheid vom 15.10.2014); dagegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Ulm (S 14 SO 3287/14) erhoben, bevor über seinen Widerspruch entschieden war. Zudem hat er Untätigkeitsklage beim SG Ulm erhoben (Klage vom 23.2.2015), die das SG Ulm an das SG Freiburg (S 7 SO 1645/15) verwiesen hat. Nach Erlass des Widerspruchsbescheids (vom 11.5.2015) hat der Kläger vor dem SG Freiburg die Klage umgestellt und die Aufhebung des Widerspruchsbescheids sowie die Verurteilung zur Leistung begehrt; zudem hat er gegen den Widerspruchsbescheid Klage beim SG Karlsruhe (S 1 SO 1634/15) erhoben. Die zuerst erhobene Klage blieb in der Sache ohne Erfolg (Gerichtsbescheid des SG Ulm vom 15.1.2015; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Baden-Württemberg vom 1.10.2015 - L 7 SO 625/15). Für die Durchführung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil des LSG hat der Senat Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung einer Rechtsanwältin bewilligt (Beschluss vom 25.11.2016 - B 8 SO 49/15 BH). Die zweite Klage haben SG und LSG als unzulässig angesehen (Gerichtsbescheid des SG Freiburg vom 24.11.2015; Urteil des LSG vom 17.12.2015 - L 7 SO 4970/15).
Mit Schreiben vom 23.12.2015 hat der Antragsteller PKH und die Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Durchführung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 17.12.2015 - L 7 SO 4970/15 - beantragt.
II
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ iVm § 114 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫); daran fehlt es hier.
Ob die vom Kläger behaupteten Verfahrensfehler (vgl § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) von einem Rechtsanwalt in einem Beschwerdeverfahren mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnten, kann dabei dahinstehen; denn in jedem Fall hat die Hauptsache keine Erfolgsaussicht (vgl zu dieser Voraussetzung nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 73a RdNr 7c mwN). Zutreffend haben die Vorinstanzen ausgeführt, dass die vorliegende Klage unzulässig ist. Nach § 202 SGG iVm § 17 Abs 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz kann die Sache während der Rechtshängigkeit von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Die Rechtshängigkeit entfaltet mithin für ein zweites Verfahren über denselben Streitgegenstand Sperrwirkung (vgl nur Leitherer, aaO, § 94 RdNr 7). Die prozessuale Sperrwirkung der zuerst erhobenen Anfechtungs- und Leistungsklage gegen den Bescheid vom 15.10.2014 (nunmehr) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.5.2015 führt zur Unzulässigkeit jeder weiteren Klage mit demselben Ziel bzw zur fortbestehenden Unzulässigkeit nach Eintritt der Rechtskraft des früheren Urteils. Unerheblich ist, dass die vorliegende Klage zunächst als Untätigkeitsklage erhoben worden war; denn nach Umstellung der Klage betrifft sie denselben Streitgegenstand wie die zuerst erhobene Klage.
Mit der Ablehnung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
Fundstellen
Dokument-Index HI10333513 |