Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Klärungsbedürftigkeit. Angemessenheit der Verfahrensdauer. Wiedergutmachung auf andere Weise. Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer
Leitsatz (redaktionell)
Nach welchen Maßstäben die Angemessenheit der Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 1 S. 2 GVG zu bewerten ist und unter welchen Voraussetzungen eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 2 S. 2 und § 198 Abs. 4 S. 1 GVG durch die bloße Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer in Betracht kommen kann, ist höchstrichterlich geklärt (vgl. dazu z.B. Senatsurteil vom 12.12.2019 – B 10 ÜG 3/19 R – SozR 4-1720 § 198 Nr 18 RdNr. 31 ff.; Senatsurteil vom 7.9.2017 – B 10 ÜG 3/16 R – SozR 4-1720 § 198 Nr. 14 RdNr. 23 ff.).
Normenkette
SGG § 73 Abs. 2-4, § 73a Abs. 1 S. 1, § 160 Abs. 2, § 160a; ZPO §§ 114, 121; GVG § 198 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2, Abs. 4 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. Juli 2020 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Der Kläger macht in der Hauptsache ausschließlich einen Anspruch auf Entschädigung in Geld wegen der nach seiner Auffassung unangemessenen Dauer des vor dem SG Marburg unter dem Az S 8/5 AS 212/12 geführten Klageverfahrens geltend. Diesen Anspruch hat das LSG als Entschädigungsgericht verneint (Urteil vom 8.7.2020). Zwar dürfte das Ausgangsverfahren als überlang zu bewerten sein. Dennoch habe der Kläger keinen Anspruch auf eine Entschädigung in Geld. Vielmehr wäre eine Wiedergutmachung durch die Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer nach § 198 Abs 2 Satz 2 und Abs 4 Satz 1 GVG insbesondere mit Blick auf das Prozessverhalten des Klägers im Ausgangsverfahren ausreichend. Diese werde vom Kläger aber ausdrücklich nicht begehrt.
Der Kläger hat für die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Der Spruchkörper sei bei der Entscheidung nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen.
II
Der Antrag des Klägers auf PKH ist abzulehnen.
Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das gegen die angefochtene Entscheidung des Entschädigungsgerichts allein in Betracht kommende zulässige Rechtsmittel ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 160a SGG). Die Revision darf gemäß § 160 Abs 2 SGG nur zugelassen werden, wenn einer der dort abschließend genannten Revisionszulassungsgründe vorliegt. Das ist hier nach Durchsicht der Akten und der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht erkennbar.
Es ist nicht ersichtlich, dass ein zur Vertretung vor dem BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 2 und 4 SGG) geltend machen könnte, dass der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) zukommt. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne der vorgenannten Bestimmung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Nach welchen Maßstäben die Angemessenheit der Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs 1 Satz 2 GVG zu bewerten ist, ist höchstrichterlich geklärt (vgl dazu zB Senatsurteil vom 12.12.2019 - B 10 ÜG 3/19 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 18 RdNr 31 ff; Senatsurteil vom 7.9.2017 - B 10 ÜG 3/16 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 14 RdNr 23 ff). Dies gilt auch für die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs 2 Satz 2 und § 198 Abs 4 Satz 1 GVG durch die bloße Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer in Betracht kommen kann (vgl dazu Senatsurteil vom 12.12.2019 - B 10 ÜG 3/19 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 18 RdNr 40 mwN).
Des Weiteren ist nicht erkennbar, dass der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) vorliegt. Denn die angefochtene Entscheidung des LSG ist nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen.
Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte.
Anhaltspunkte, dass das Entschädigungsgericht - wie vom Kläger behauptet - bei der Entscheidung nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei, sind nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht vorgetragen. Soweit er eine unzutreffende Rechtsanwendung des Entschädigungsgerichts in seinem Einzelfall rügen wollte, kann er auch insoweit keine Revisionszulassung erreichen (vgl stRspr; zB Senatsbeschluss vom 27.12.2018 - B 9 SB 3/18 BH - juris RdNr 18).
Aufgrund der Ablehnung des PKH-Antrags entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
Fundstellen
Dokument-Index HI14375294 |