Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 3. Juni 2022 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Mit Urteil vom 3.6.2022 hat das LSG den Anspruch der Klägerin auf Anerkennung eines sog Fume-Events am 9.10.2011 als Arbeitsunfall verneint. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin beim BSG Beschwerde eingelegt. Sie macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) sowie das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht formgerecht dargelegt bzw bezeichnet worden sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
1. Dass der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung haben könnte, wird nicht hinreichend dargelegt. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Er muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre abstrakte Klärungsbedürftigkeit, ihre konkrete Klärungsfähigkeit, also Entscheidungserheblichkeit, sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, die sogenannte Breitenwirkung, darlegen (stRspr; zB BSG Beschlüsse vom 12.7.2022 - B 2 U 11/22 B - juris RdNr 6 und vom 7.3.2017 - B 2 U 140/16 B - SozR 4-1920 § 52 Nr 18 RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin hält folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam:
"Können nationale Beweislastregelungen zum Nachteil geschädigter Fluginsassen gehen, obwohl der Arbeitgeber und die betroffene Berufsgenossenschaft europäische Vorschriften missachtet haben und eine Beweisführung, wie es das SGB VII erfordert, somit unmöglich gemacht wird?"
Es kann dahinstehen, ob die Klägerin damit eine hinreichend konkrete, über den Einzelfall hinausgehende abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung oder Anwendung einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts oder zu deren Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht formuliert hat. Es fehlt bereits an der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit. Hierzu hätte die Klägerin in der Beschwerdebegründung unter Berücksichtigung der vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung darlegen müssen, dass und warum diese Frage nicht anhand der bestehenden gesetzlichen Regelungen sowie vorhandener Rechtsprechung und Literatur beantwortet werden kann. Hieran fehlt es. Ebenfalls fehlt es an der Darlegung der Klärungsfähigkeit der gestellten Frage. Hierzu hätte ausgeführt werden müssen, inwieweit bei einer Verneinung dieser Frage die für die Anerkennung eines Arbeitsunfalles erforderlichen sonstigen Voraussetzungen vorliegen könnten. Da das LSG seine Entscheidung auch darauf gestützt hat, dass es an einem für die Feststellung eines Arbeitsunfalles erforderlichen Gesundheits(erst)schaden fehle, hätte es insoweit weiterer Ausführungen bedurft, aus welchen Gründen bei Annahme von Beweiserleichterungen bzw einer Beweislastumkehr dieser festgestellt werden könnte. Hieran fehlt es ebenfalls.
2. Der geltend gemachte Zulassungsgrund des Vorliegens von Verfahrensmängeln, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), ist ebenfalls nicht hinreichend bezeichnet. Wird die Beschwerde auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln gestützt, so sind die Tatsachen substantiiert anzugeben, die den Verfahrensmangel vermeintlich begründen. Ferner ist darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
a. Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen § 103 SGG rügt, wird ein solcher Verfahrensfehler nicht in der erforderlichen Art und Weise aufgezeigt. Um Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) ordnungsgemäß zu bezeichnen, muss die Beschwerdebegründung (1.) einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen oder im Urteil wiedergegebenen Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2.) die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, auf deren Grundlage bestimmte Tatfragen klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3.) die von dem Beweisantrag betroffenen tatsächlichen Umstände aufzeigen, die zur weiteren Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4.) das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angeben und (5.) erläutern, weshalb die Entscheidung des LSG auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann, das LSG also von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis hätte gelangen können, wenn es das behauptete Ergebnis der unterlassenen Beweisaufnahme erkannt hätte (stRspr; zB BSG Beschlüsse vom 27.9.2022 - B 2 U 42/22 B - juris RdNr 7 mwN, vom 11.3.2021 - B 9 SB 51/20 B - juris RdNr 9 und vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Zwar führt die Klägerin aus, das LSG habe seiner Sachaufklärungspflicht nicht genügt und damit den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt. Denn hätte es weitere Ermittlungen zu dem vorgelegten Befund der University of Nebraska eines positiven Nachweises auf eine Testung durch TCP unternommen, hätte es keinen Zweifel daran gehabt, dass sie positiv auf TCP getestet worden sei. Damit wird ein Verstoß gegen § 103 SGG nicht hinreichend aufgezeigt. Die in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG anwaltlich vertretene Klägerin bezeichnet bereits keinen formellen Beweisantrag, der den Erfordernissen des § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 403 ZPO genügt und den sie im Verfahren vor dem LSG bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten hat oder der im Urteil wiedergegeben wird. Der förmliche Beweisantrag hat Warnfunktion und soll der Tatsacheninstanz unmittelbar vor der Entscheidung signalisieren, dass ein Beteiligter die richterliche Aufklärungspflicht noch für defizitär hält. Diese Warnfunktion verfehlen "Beweisantritte" und Beweisgesuche, die lediglich in der Berufungsschrift oder sonstigen Schriftsätzen enthalten sind (vgl zB BSG Beschlüsse vom 16.3.2022 - B 2 U 164/21 B - juris RdNr 17, vom 14.7.2021 - B 6 KA 42/20 B - juris RdNr 7 mwN und vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Dass die Klägerin einen prozessordnungskonformen Beweisantrag gestellt und bis zuletzt aufrechterhalten haben könnte, behauptet die Beschwerdebegründung nicht.
b. Auch der geltend gemachte Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs wird nicht hinreichend aufgezeigt. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs gebietet, dass eine gerichtliche Entscheidung nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten (§ 128 Abs 2 SGG). Dem Gebot ist Genüge getan, wenn die Beteiligten die maßgeblichen Tatsachen erfahren und ausreichend Gelegenheit haben, sachgemäße Erklärungen innerhalb einer angemessenen Frist vorzubringen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 16.3.2022 - B 2 U 164/21 B - juris RdNr 19). Einen Sachverhalt, der einen Verstoß gegen diese Grundsätze begründen könnte, legt die Klägerin nicht dar. Soweit sie einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör im Hinblick auf die unterlassene Sachaufklärung durch das LSG sieht, kann hierauf die Zulassung der Revision nicht gestützt werden, denn die Beschränkung der Amtsermittlungsrüge kann nicht auf dem Umweg über die Vorschriften zum rechtlichen Gehör umgangen werden (vgl BSG Beschlüsse vom 27.9.2022 - B 2 U 42/22 B - juris RdNr 10 und vom 15.12.2021 - B 12 KR 38/21 B - juris RdNr 9 mwN).
c. Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) rügt, weil das LSG keine Vorabentscheidung des EuGH nach Art 267 Abs 1 Buchst a AEUV herbeigeführt hat, wird ebenfalls ein möglicher Verfahrensfehler nicht hinreichend aufgezeigt. Eine Vorlagepflicht wegen einer entscheidungserheblichen unionsrechtlichen Frage betrifft nur Gerichte, deren Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können (Art 267 Abs 3 AEUV), während ein anderes einzelstaatliches Gericht vorlegen "kann" (Art 267 Abs 2 AEUV). Zu den Rechtsmitteln iS des Art 267 Abs 3 AEUV zählt auch die Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG (vgl zB BSG Beschluss vom 8.4.2020 - B 13 R 125/19 B - juris RdNr 18 mwN). Ein Instanzgericht, das von einer Vorlage an den EuGH absieht, geht daher verfahrensfehlerhaft nur dann vor, wenn es wegen einer Ermessensreduzierung auf Null nicht frei über eine Vorlage an den EuGH entscheiden konnte (vgl hierzu BSG Beschluss vom 25.8.2004 - B 10 KG 3/03 B - juris RdNr 7 mwN). Dass diese Voraussetzungen hier vorliegen könnten, zeigt die Beschwerde nicht auf. So fehlt es bereits an der hinreichenden Darlegung, welche konkrete Frage zur Auslegung und Anwendung welcher unionsrechtlichen Norm - ausgehend von der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des LSG - hier entscheidungserheblich gewesen sein könnte. Die Klägerin legt auch keine Umstände dar, aus denen geschlossen werden könnte, dass sich das Ermessen des LSG im oben genannten Sinne auf Null reduziert haben könnte.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer solchen Verfahrensweise vgl BVerfG Beschluss vom 8.12.2010 - 1 BvR 1382/10 - NJW 2011, 1497).
Die Beschwerde ist ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15673527 |