Verfahrensgang
SG Hildesheim (Entscheidung vom 09.01.2019; Aktenzeichen S 40 KR 411/17) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 07.05.2019; Aktenzeichen L 4 KR 25/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 7. Mai 2019 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Festsetzung von Beiträgen zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) für die Zeit vom 1.3. bis zum 31.12.2015.
Der Kläger ist seit dem 1.5.2013 hauptberuflich selbstständig tätig. Auf der Grundlage des im Februar 2015 vorgelegten Vorauszahlungsbescheids über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 29.1.2015 setzte die Beklagte die Beiträge zur GKV und sPV für den streitigen Zeitraum vorläufig fest. Nachdem der Kläger den Bescheid für 2015 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 20.3.2017 vorgelegt hatte, hob die Beklagte die vorläufige Beitragseinstufung auf. Sie setzte ausgehend von einer monatlichen Bemessungsgrundlage in Höhe von 3179,08 Euro für die streitige Zeit Beiträge zur GKV und sPV in Höhe von insgesamt 545,22 Euro und eine Beitragsnachzahlung über 2357,17 Euro fest (Bescheid vom 9.5.2017). Sodann wurden die Beiträge neu berechnet, die Beitragsnachzahlung auf 1725,98 Euro reduziert und der Widerspruch zurückgewiesen (Bescheid vom 27.6.2017, Widerspruchsbescheid vom 17.8.2017).
Das SG Hildesheim hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 9.1.2018). Das LSG Niedersachsen-Bremen hat die Berufung aus den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung zurückgewiesen. Die Beklagte sei an die zulässige vorläufige Beitragsfestsetzung nicht gebunden gewesen (Urteil vom 7.5.2019). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Der Kläger hat entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht hinreichend dargelegt.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher zunächst aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts im Sinne des § 162 SGG stellt. Sodann ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums darzutun, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist aufzuzeigen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger misst den Fragen,
1. "ob die Krankenkasse bei der erstmaligen Beitragsfestsetzung durch Bescheid eines hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigen nach Vorlage des Vorauszahlungsbescheides über Einkommenssteuer die Beitragszahlung endgültig festzustellen hat, mit der Rechtsfolge der zeitversetzten Beitragsfestsetzung jeweils für die Zukunft ab Vorlage des Einkommenssteuerbescheides oder aber ob die Krankenkasse bei der Erstfestsetzung der Beiträge einen vorläufigen Bescheid zu erlassen hat, mit der Rechtsfolge, dass nach Vorlage des Einkommenssteuerbescheides eine Beitragsnachzahlung für den rückwirkenden Zeitraum ab Erstellung des ersten Bescheides festgesetzt werden kann ", und
2. "ob ein Vorauszahlungsbescheid über Einkommenssteuer ein hinreichender Nachweis über die Einnahmen des hauptberuflich Selbstständigen ist im Sinne der BSG-Rechtsprechung, sodass als Rechtsfolge dann ein endgültiger Verwaltungsakt über die Beitragsfestsetzung für die Zukunft zu erfolgen hat",
eine grundsätzliche Bedeutung bei. Es kann dahingestellt bleiben, ob damit Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert worden sind. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN). Eine Rechtsfrage ist so konkret zu formulieren, dass sie als Grundlage für die Darlegung der weiteren Merkmale der grundsätzlichen Bedeutung (Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit, Breitenwirkung) geeignet ist (Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 160a RdNr 97).
Jedenfalls ist die Klärungsbedürftigkeit der zu 1. aufgeworfenen Frage nicht dargetan. Eine Rechtsfrage ist dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Mit solcher Rechtsprechung hat sich eine Beschwerde auseinanderzusetzen. Der Kläger hat zwar auf das Urteil des Senats vom 22.3.2006 (B 12 KR 14/05 R - BSGE 96, 119 = SozR 4-2500 § 240 Nr 5) hingewiesen, lässt die gebotene Auseinandersetzung mit dieser Entscheidung aber vermissen. Danach ist geklärt, dass Beiträge der freiwillig Versicherten in der Regel endgültig festzusetzen sind, eine Beitragsfestsetzung durch einstweiligen Verwaltungsakt bei hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen jedoch zulässig ist, wenn diese mit Beginn der freiwilligen Mitgliedschaft ihre selbstständige Tätigkeit aufgenommen haben und deshalb der Nachweis über die Einnahmen mangels eines Einkommensteuerbescheids für die endgültige Beitragsfestsetzung noch nicht erbracht werden kann. Weshalb sich anhand dieser Rechtsprechung die zuerst aufgeworfenen Frage nicht beantworten lassen soll, geht aus der Beschwerdebegründung nicht hervor. Im Kern wird die Richtigkeit des angefochtenen Urteils beanstandet. Die Behauptung, dieses sei inhaltlich unzutreffend, kann aber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).
Auch die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der zu 2. aufgeworfenen Frage ist nicht in einer den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG genügenden Weise dargelegt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sie als Rechtsfrage überhaupt klärungsfähig wäre, das Revisionsgericht über die betreffende Frage konkret-individuell auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz (BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 8 mwN) überhaupt sachlich entscheiden könnte. Auch insoweit ist jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit nicht dargetan. Die in einem Vorauszahlungsbescheid festzusetzenden Vorauszahlungen bemessen sich nach § 37 Abs 3 Satz 1 und 2 Einkommensteuergesetz grundsätzlich nach der Einkommensteuer, die sich nach Anrechnung der Steuerabzugsbeträge bei der letzten Veranlagung ergeben hat. Bei dieser Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs 1 Satz 2 Abgabenordnung) wird damit an vergangene Besteuerungsgrundlagen angeknüpft. Inwieweit gleichwohl ein Nachweis hinsichtlich einer zukünftigen endgültigen Jahresbesteuerung in Betracht kommen soll, macht die Beschwerde nicht deutlich. Ungeachtet dessen betrifft der Nachweis der Einnahmen freiwilliger Mitglieder im Sinne des § 240 SGB V die Beweiswürdigung. Auf eine Verletzung der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) kann eine Beschwerde nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13880471 |