Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 16.03.2000)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. März 2000 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der 1920 in Krakau geborene Kläger ist Jude. Er lebte bis 1949 in Polen und lebt seitdem in Israel. Er ist als Verfolgter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft iS von § 1 Abs 1 des Bundesentschädigungsgesetzes anerkannt. Die Beklagte lehnte seinen 1996 gestellten Antrag auf Anrechnung von Fremdbeitragszeiten, Zulassung zur Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen zur deutschen Rentenversicherung und Gewährung einer Altersrente ab und gab zur Begründung an, Beitragszeiten seien nicht glaubhaft gemacht worden. Im Klageverfahren hat die Beklagte auf eine Anfrage des Sozialgerichts (SG) mitgeteilt, daß „der Kläger zum Zeitpunkt der nationalsozialistischen Einflußnahme auf Polen dem deutschen Sprach- und Kulturkreis” (DSKK) angehört hat. Das SG hat die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, Beitragszeiten seien nicht anzuerkennen, denn der Kläger habe nicht dem DSKK angehört. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und seine Entscheidung ebenfalls darauf gestützt, daß der Kläger nicht dem DSKK angehört habe.

Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wird die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht. Es gehe um die Frage der Bindungswirkung einer von einer Partei vor Gericht abgegebenen Erklärung. Die Beteiligten des Klageverfahrens seien sich einig gewesen, daß die Zugehörigkeit des Klägers zum DSKK gegeben sei. Die Zugehörigkeit zum DSKK werde von den beklagten Versicherungsträgern häufig anerkannt. Es sei festzustellen, ob ein solches Anerkenntnis Bindungswirkung für das entscheidende Gericht habe. Mit der Beschwerde wird weiter geltend gemacht, der Kläger habe auch tatsächlich dem DSKK angehört. Das LSG habe gegen den Grundsatz verstoßen, daß stets eine Einzelfallentscheidung zu erfolgen habe. Es hätte auf die beim Kläger vorliegenden Kriterien abstellen müssen, dh positives Sprachprüfungsprotokoll, Herkunftsgebiet, eidesstattliche Erklärung des Klägers. Schließlich macht die Beschwerde geltend, zum Beweis der Arbeitstätigkeit des Klägers seien Zeugenaussagen vorgelegt worden und zum Beweis dafür, daß auch für jüdische Arbeitnehmer während der Kriegsjahre Sozialversicherungsbeiträge entrichtet worden seien, sei eine entsprechende Bestätigung für einen Versicherten überreicht worden.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Beschwerde ist unzulässig, denn die Begründung entspricht nicht der in § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) vorgeschriebenen Form.

Die Beschwerde macht ausdrücklich von den in § 160 Abs 2 SGG genannten Revisionszulassungsgründen nur die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ist diese in der Begründung darzulegen. Dazu ist die zu entscheidende Rechtsfrage klar zu bezeichnen und aufzuzeigen, daß sie klärungsbedürftig, also zweifelhaft und klärungsfähig, mithin im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich ist (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 1 mwN). Die Beschwerde zeigt nicht auf, daß die Rechtsfrage klärungsbedürftig ist. Die Zugehörigkeit einer Person zum DSKK ist als Tatsache vom Gericht von Amts wegen zu erforschen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen (§ 103 Satz 1 SGG). Eine Bindung des Gerichts an ein Geständnis eines Beteiligten iS des § 288 der Zivilprozeßordnung besteht im sozialgerichtlichen Verfahren nicht. Das Gericht ist vielmehr nach § 103 Satz 2 SGG bei der Sachverhaltsermittlung an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Die Beschwerde zeigt nicht auf, daß dies zweifelhaft sein könnte. Die Erklärung der Beklagten, der Kläger habe dem DSKK angehört, ist auch kein Anerkenntnis iS des § 101 Abs 2 SGG. Gegenstand eines Anerkenntnisses iS dieser Vorschrift kann nur der prozessuale Anspruch oder ein abtrennbarer Teil des Anspruchs, also die Anerkennung einer Rechtsfolge aus einem vom Kläger behaupteten Tatbestand, nicht der Tatbestand selbst oder ein Tatbestandselement sein (BSGE 65, 160, 164 = SozR 1200 § 44 Nr 24). Auch insoweit wird von der Beschwerde nicht aufgezeigt, daß dieses zweifelhaft ist.

Mit dem weiteren Vorbringen zeigt die Beschwerde nicht auf, daß ein anderer Zulassungsgrund vorliegt. Mit der Behauptung, der Kläger habe dem DSKK angehört, wird geltend gemacht, das LSG habe in der Sache falsch entschieden, soweit es diese Zugehörigkeit verneint hat. Eine etwa unrichtige Entscheidung der Rechtssache ist aber kein selbständiger Grund für die Zulassung der Revision.

Ein Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG wird mit der Beschwerde ebenfalls nicht ausreichend bezeichnet. Die Beschwerde macht hinsichtlich der behaupteten Zugehörigkeit zum DSKK geltend, das LSG habe gegen den Grundsatz verstoßen, daß eine Einzelfallentscheidung zu erfolgen habe und auf die beim Kläger vorliegenden Kriterien abzustellen gewesen sei. Damit wird sinngemäß entweder die Beweiswürdigung des Gerichts iS des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG angegriffen oder aber gerügt, das Gericht habe den Sachverhalt nicht von Amts wegen hinreichend iS des § 103 SGG erforscht. Der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG jedoch nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein solcher Beweisantrag wird mit der Beschwerde nicht bezeichnet.

Mit den Ausführungen zur Arbeitstätigkeit und zur möglichen Beitragsentrichtung wird ein selbständiger Revisionszulassungsgrund ebenfalls nicht bezeichnet. Ob das LSG insoweit überhaupt Feststellungen getroffen hat, die mit diesem Vorbringen angegriffen werden sollen, kann offenbleiben. Das LSG hat die geltend gemachten Ansprüche schon wegen der fehlenden Zugehörigkeit zum DSKK verneint. Auf die Frage, ob für den Kläger Beitrags- oder Beschäftigungszeiten glaubhaft gemacht sind, kommt es daher nicht an.

Der Senat hat die unzulässige Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 SGG verworfen.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175289

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