Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde. Entscheidungserheblicher Verfahrensmangel. Verletzung der freien richterlichen Beweiswürdigung. Verstoß gegen Denkgesetze

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein entscheidungserheblicher Verfahrensmangel kann sich nicht auf eine Verletzung der freien richterlichen Beweiswürdigung – auch nicht mit der Behauptung eines Verstoßes gegen Denkgesetze – stützen.

2. Die Behauptung, die Entscheidung des Berufungsgerichts sei inhaltlich unrichtig, kann im sozialgerichtlichen Verfahren nicht zur Zulassung der Revision führen.

 

Normenkette

SGG §§ 103, 109, 128 Abs. 1 S. 1, § 160 Abs. 2 Nr. 3, § 160a Abs. 4 Sätze 1-2, § 169 Sätze 2-3

 

Verfahrensgang

SG Speyer (Entscheidung vom 18.05.2022; Aktenzeichen S 19 KR 348/20)

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 15.12.2022; Aktenzeichen L 5 KR 122/22)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Dezember 2022 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Zugehörigkeit der Klägerin zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Mangels Erfüllung der hierfür notwendigen Vorversicherungszeit stellte die beklagte Krankenkasse das Nichtbestehen der Versicherungspflicht in der KVdR fest (Bescheide vom 16.9. und 10.12.2019; Widerspruchsbescheid vom 13.8.2020). Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 18.5.2022). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 15.12.2022). Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die mit der Beschwerdebegründung vom 25.2.2023 behaupteten Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) sind nicht hinreichend bezeichnet.

Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (zu den Anforderungen an die Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels s exemplarisch BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4; BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, Kap IX, RdNr 113 ff). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann sich der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG stützen. Ferner kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (vgl BSG Beschluss vom 14.5.2007 - B 1 KR 21/07 B - juris RdNr 18 mwN; BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn er hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen dargelegt wird, sodass das BSG allein anhand der Beschwerdebegründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht. Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Die Klägerin behauptet zunächst, die freie Beweiswürdigung des LSG sei fehlerhaft, indem es gegen Denkgesetze verstoßen habe. Das LSG habe die "Widersprüchlichkeit der von der Beklagten hinsichtlich der Versicherungszeiten getätigten Angaben nicht berücksichtigt". Die Berechnungen der Beklagten seien "widersprüchlich und teilweise nicht mehr nachzuvollziehen".

Einen entscheidungserheblichen Verfahrensmangel bezeichnet die Klägerin hierdurch nicht. Sie berücksichtigt nicht, dass sich nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) - auch nicht mit der Behauptung eines Verstoßes gegen Denkgesetze (vgl BSG Beschluss vom 17.7.2015 - B 11 AL 32/15 B - juris RdNr 10) - stützen kann. Unabhängig davon behauptet die Klägerin lediglich pauschal, das LSG habe nicht berücksichtigt, dass die Berechnungen der Beklagten ihrer Meinung nach falsch bzw nicht nachvollziehbar seien. Sie zeigt insoweit aber nicht auf, inwieweit das LSG Daten und Berechnungen konkret der angefochtenen Entscheidung entscheidungserheblich zugrunde gelegt hätte. Im Kern rügt die Klägerin die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Die Behauptung, die Entscheidung des Berufungsgerichts sei inhaltlich unrichtig, kann im sozialgerichtlichen Verfahren indes nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Heinz

Bergner

Beck

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15766832

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