Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. November 2023 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Mit dem vorbezeichneten Urteil hat das LSG die Berufung des Klägers gegen die erstinstanzliche Entscheidung des SG(Urteil vom 5.8.2022) zurückgewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG hat der Kläger Beschwerde eingelegt und diese mit dem Vorliegen von Verfahrensmängeln begründet.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund des Vorliegens von Verfahrensmängeln(§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden ist(§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) .
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne(§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ) , so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels zunächst die diesen vermeintlich begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. An diesen Voraussetzungen fehlt es hier.
1. Die Beschwerde ist bereits deswegen unzulässig, weil es an der schlüssigen Schilderung der die gerügten Verfahrensmängel vermeintlich begründenden Tatsachen fehlt. "Bezeichnet" iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ist ein Verfahrensmangel nur dann, wenn die ihn begründenden Tatsachen im Zusammenhang mit dem Verfahrensgang dargetan und einer rechtlichen Wertung unterzogen werden. Erforderlich ist die zusammenhängende, vollständige und aus sich heraus verständliche Darlegung des Streitgegenstands, der Verfahrens- und Prozessgeschichte sowie des vom LSG festgestellten Sachverhalts und damit der Umstände, die möglicherweise zu einem entscheidungsrelevanten Verfahrensfehler geführt haben. Es ist dagegen nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, sich die erforderlichen Tatsachen aus dem Urteil und erst recht nicht aus den Verfahrensakten herauszusuchen(zB BSG Beschlüsse vom 26.4.2024 - B 2 U 2/24 B - juris RdNr 6 , vom 8.1.2024 - B 2 U 54/23 B - juris RdNr 5 und vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14 S 21 = juris RdNr 3, jeweils mwN; s auchBVerfG Beschluss vom 24.10.2000 - 1 BvR 1412/99 - SozR 3-1500 § 160a Nr 31 S 61 = juris RdNr 9 mwN) . Bereits an der Mitteilung dieser Tatsachengrundlage fehlt es, wenn der Kläger hier nur auf einzelne herausgegriffene Aspekte des Verfahrens eingeht und den Streitgegentand offen lässt. Des Weiteren fehlt es entscheidend an der Darstellung der maßgeblichen Prozessgeschichte, ohne die dem Beschwerdegericht eine abschließende Bewertung einzelner Verfahrensmängel(zB § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 iVm§ 103 SGG : "ohne hinreichende Begründung", dazu 2a) sowie der Entscheidungserheblichkeit der angeführten Aspekte(vgl§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG : "beruhen kann") nicht möglich ist.
2. Auch im Weiteren genügt die Beschwerdebegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels. Dem Vorbringen, welches formal unsubstantiiert in den Verstoß gegen den Anspruch auf ein faires Verfahren(Art 1 Abs 1 ,Art 2 Abs 1 iVmArt 20 Abs 3 GG ;Art 19 Abs 4 GG ; Art 6 Abs 1 Satz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention) eingekleidet ist, kann nur sinngemäß entnommen werden, welche Verfahrensabläufe im Einzelnen gerügt werden.
a) Die Beschwerdebegründung wendet sich sinngemäß dagegen, dass im Verfahren keine ergänzende Stellungnahme des vom Kläger benannten Sachverständigen eingeholt worden sei. Damit rügt sie eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht( § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm§ 411 Abs 3 ZPO ,§ 103 SGG ) . Der Vortrag hierzu erfüllt indes nicht die Darlegungsanforderungen. Die Anordnung zur schriftlichen Erläuterung oder Ergänzung eines Gutachtens steht im Ermessen des Gerichts(§ 411 Abs 3 ZPO ) . Der Ermessensfreiraum verdichtet sich nur dann zu einer Verpflichtung, wenn diese beantragt ist und noch Ermittlungsbedarf besteht, dh wenn sich das Gericht hätte gedrängt fühlen müssen, hinsichtlich der vom Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten behandelten Beweisthemen noch weitere Sachaufklärung zu betreiben(zB BSG Beschlüsse vom 9.4.2024 - B 2 U 137/23 B - juris RdNr 12 , vom 8.2.2024 - B 2 U 70/23 B - juris RdNr 8 und vom 14.12.2022 - B 2 U 1/22 B - juris RdNr 6, jeweils mwN) .
Hierfür hätte es indes der schlüssigen Darlegung bedurft, dass der Kläger eine weitere Aufklärung gegenüber dem LSG in Form eines prozessordnungskonformen Beweisantrags( § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm§ 403 ZPO ) ausdrücklich beantragt und bis zuletzt aufrecht erhalten hat(§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ; vgl zu diesen Anforderungen zB BSG Beschlüsse vom 9.4.2024 - B 2 U 137/23 B - juris RdNr 7 , vom 8.2.2024 - B 2 U 70/23 B - juris RdNr 6 und vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5, jeweils mwN).
Daran fehlt es hier. Die Beschwerdebegründung lässt bereits eine schlüssige Darstellung über den chronologischen Ablauf vermissen, wenn sie vorträgt, dass der Kläger mit Schriftsatz vom 13.4.2022 die Stellungnahme angeregt und das Gericht dies am 14.2.2022 abgelehnt habe. Schließlich fiel der benannte Antrag noch in die Zeit des erstinstanzlichen Verfahrens, das mit Urteil vom 5.8.2022 abgeschlossen worden ist. Verfahrensmängel vor dem SG sind indes von der Rüge im Beschwerdeverfahren beim BSG grundsätzlich ausgeschlossen, denn revisible Verfahrensmängel müssen das Verfahren im unmittelbar vorangegangenen Berufungsrechtszug betreffen(vgl§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG : "… auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann …") . Die Beschwerdebegründung verhält sich im Weiteren nicht dazu, ob hier eine Ausnahme von diesem Grundsatz vorliegen könnte, weil ein Verfahrensmangel des SG im Berufungsverfahren von Amts wegen zu beachten gewesen wäre, fortgewirkt habe und daher ausnahmsweise als Fehler des LSG anzusehen sei(zB BSG Beschlüsse von 25.4.2023 - B 2 U 61/22 B - juris RdNr 5 mwN, vom 19.4.2022 - B 2 U 70/21 B - juris RdNr 12 mwN und vom 25.4.2001 - B 9 V 70/00 B - SozR 3-1500 § 73 Nr 10 S 31 = juris RdNr 2) .
Die Beschwerdebegründung enthält auch keine Darlegung eines prozessordnungskonformen Beweisantrags in Abgrenzung zu einer nur unbeachtlichen Beweisanregung. Der förmliche Beweisantrag hat Warnfunktion und soll der Tatsacheninstanz unmittelbar vor der Entscheidung signalisieren, dass ein Beteiligter die gerichtliche Aufklärungspflicht noch für defizitär hält. Diese Warnfunktion verfehlen "Beweisantritte" und Beweisgesuche, die lediglich in der Berufungsschrift oder sonstigen Schriftsätzen enthalten sind(zB BSG Beschlüsse vom 26.4.2024 - B 2 U 2/24 B - juris RdNr 9 , vom 8.1.2024 - B 2 U 54/23 B - juris RdNr 8 und vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11, jeweils mwN; allg zur Abgrenzung eines Beweisantrags von einer unbeachtlichen BeweisanregungBSG Beschluss vom 24.5.1993 - 9 BV 26/93 - SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 20 = juris RdNr 4) .
Schließlich zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf, warum das LSG sich aus seiner sachlichrechtlichen Sicht heraus zu der weiteren Ermittlung hätte gedrängt fühlen müssen. § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist im Hinblick auf das Erfordernis "ohne hinreichende Begründung" nicht formell, sondern materiell im Sinne von "ohne hinreichenden Grund" zu verstehen. Entscheidend ist, ob sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben, weil nach den dem LSG vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen Sachverhalt aus seiner rechtlichen Sicht erkennbar offengeblieben sind(zB BSG Beschlüsse vom 26.4.2024 - B 2 U 38/23 B - juris RdNr 8 , vom 8.1.2024 - B 2 U 54/23 B - juris RdNr 9 und vom 31.7.1975 - 5 BJ 28/75 - SozR 1500 § 160 Nr 5 S 6 = juris RdNr 2) . Dazu enthält die Beschwerdebegründung indes keinen Vortrag. Sie zeigt insbesondere nicht den maßgeblichen sachlich-rechtlichen Standpunkt des LSG auf. Auch hierfür wäre die Darstellung des vom LSG festgestellten(§ 163 SGG ) entscheidungserheblichen Sachverhalts einschließlich der Verfahrensgeschichte notwendig gewesen, um das Beschwerdegericht in die Lage zu versetzen, den sachlich-rechtlichen Standpunkt des LSG nachzuvollziehen und das Vorliegen eines Aufklärungsmangels zu bewerten(dazu bereits 1; zB BSG Beschlüsse vom 8.1.2024 - B 2 U 54/23 B - juris RdNr 9 , vom 9.6.2023 - B 2 U 7/23 B - juris RdNr 10 und vom 21.3.2023 - B 2 U 148/22 B - juris RdNr 8, jeweils mwN) . Dem genügt die Beschwerdebegründung insbesondere nicht, wenn sie allein eine ungenügende formale Begründung(§ 128 Abs 1 Satz 2 ,§ 136 Abs 1 Nr 6 SGG , dazu 2b) des Urteils rügt. Dem Senat ist es auch nicht möglich, ein potentielles Beruhen der Entscheidung des LSG auf dem vorgetragenen Mangel zu beurteilen. Denn auch hierfür fehlt es an der Darlegung des vom LSG festgestellten Sachverhalts(§ 163 SGG ) und der vollständigen Verfahrensgeschichte(dazu ebenfalls bereits 1) .
b) Soweit der Kläger vorbringt, dass sich im Urteil des LSG nur pauschale und oberflächliche Äußerungen zur Begründung finden, dass dem Gutachten der B gefolgt werde und dass eine Auseinandersetzung mit den für den Kläger sprechenden Beweisen und Gutachten vermieden werde, bezeichnet er damit auch keinen eigenständigen Verfahrensfehler in Gestalt eines Begründungsmangels(§ 128 Abs 1 Satz 2 ,§ 136 Abs 1 Nr 6 SGG ) . Dem Beschwerdegericht ist es auch diesbezüglich mangels Darstellung der vollständigen maßgeblichen Entscheidungsgründe des LSG nicht möglich, dieses Vorbringen zu überprüfen. Gemäß § 136 Abs 1 Nr 6 SGG enthält das Urteil die Entscheidungsgründe; in dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind(§ 128 Abs 1 Satz 2 SGG ) . Folglich muss aus den Entscheidungsgründen lediglich ersichtlich sein, auf welchen tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen die Entscheidung in der Sache beruht, dh welche Rechtsnormen angewendet worden sind und welche ihrer Tatbestandsmerkmale aufgrund welcher Überlegungen vorliegen bzw nicht vorliegen. Gerichte müssen nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, in den Entscheidungsgründen ausdrücklich abhandeln. Auch braucht es nicht zu Fragen Stellung zu nehmen, auf die es nach seiner Auffassung nicht ankommt(zB BSG Beschlüsse vom 24.1.2024 - B 2 U 107/23 B - juris RdNr 11 , vom 6.11.2023 - B 2 U 1/23 B - juris RdNr 9 und vom 10.5.2023 - B 2 U 123/22 B - juris RdNr 12, jeweils mwN; s auchBVerfG Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - juris RdNr 11 ) . Die Beschwerdebegründung enthält im Übrigen über die Rüge des Verstoßes hinaus keinen schlüssigen Vortrag zu einem möglichen Beruhen der Entscheidung.
c) Mit seinem Vorbringen zur mangelnden Berücksichtigung der für den Kläger sprechenden Beweise und Gutachten wendet der Kläger sich im Ganzen gegen die Beweiswürdigung iS von§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG , die nicht mit der Verfahrensrüge angegriffen werden kann(§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ) . Der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung(§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG ) beinhaltet sowohl die Befugnis als auch die Pflicht des Tatsachengerichts, nachdem der Sachverhalt vollständig und abschließend ermittelt ist, das Gesamtergebnis des Verfahrens einschließlich der erhobenen Beweise frei nach der inneren Überzeugungskraft der jeweiligen Beweismittel und des Beteiligtenvortrages unter Abwägung aller Umstände darauf zu würdigen, ob die maßgebenden Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bzw im Falle geringerer Anforderungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststehen. Indem der Kläger sich gegen das Ergebnis der Beweiswürdigung des LSG wendet und dieses für falsch hält, rügt er schließlich auch die Richtigkeit der Entscheidung der Vorinstanz. Dies geht indes über eine im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtliche Rüge eines bloßen Rechtsanwendungsfehlers nicht hinaus(vgl BSG Beschlüsse vom 26.4.2024 - B 2 U 2/24 B - juris RdNr 13 mwN, vom 6.11.2023 - B 2 U 1/23 B - juris RdNr 9 mwN und vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4) . Wenn der Kläger in diesem Zusammenhang rügt, das LSG maße sich eigene medizinische Sachkenntnis an, handelt es sich ohne nähere Darlegung der weiteren Ermittlungsergebnisse und Entscheidungsgründe und Einordnung in einen der Zulassungsgründe(§ 160 Abs 2 SGG ) um einen unsubstantiierten Vortrag.
d) Wenn der Kläger wiederholt mittelbar zum Ausdruck bringt, dass er an der Unvoreingenommenheit des Gerichts zweifele und das Verfahren auch deswegen unfair abgelaufen sei, lässt er schließlich offen, warum es ihm nicht möglich gewesen ist, ein grundsätzlich vorrangiges Ablehnungsgesuch vor dem LSG rechtzeitig einzubringen( § 60 Abs 1 SGG iVm§§ 43 ,44 Abs 1 ,§ 45 ZPO ; s auch BSG Beschlüsse vom 26.4.2021 - B 1 KR 48/20 B - juris RdNr 9 mwN und vom 22.11.2018 - B 13 R 297/17 B - juris RdNr 6) .
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab(§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ) .
4. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen(§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2,§ 169 Satz 2 und 3 SGG ) .
5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der§§ 183 ,193 SGG .
Fundstellen
Dokument-Index HI16574474 |