Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 15.04.1999; Aktenzeichen L 6 VG 2776/98)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. April 1999 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Das Rechtsmittel des Klägers ist unzulässig, weil es nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gebotenen Form begründet worden ist. Nach dieser Vorschrift muß in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zumindest einer der in § 160 Abs 2 SGG genannten Zulassungsgründe in der Form geltend gemacht werden, daß entweder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet wird. Der Kläger macht zwar zwei der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 genannten Zulassungsgründe geltend, läßt es aber an der ordnungsgemäßen “Darlegung” bzw “Bezeichnung” der Zulassungsgründe fehlen.

Wird – wie hier – als Zulassungsgrund geltend gemacht, das LSG sei in seinem Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) abgewichen (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG), so setzt die “Bezeichnung” dieser Abweichung voraus, daß der Beschwerdeführer einen bestimmten abstrakten Rechtssatz aus dem angegriffenen Urteil herleitet und diesen einem damit unvereinbaren tragenden Rechtssatz derjenigen Entscheidung des BSG gegenüberstellt, von der er eine Abweichung des LSG behauptet (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 14, 21, 39; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde RdNrn 156, 164). Der Kläger leitet zwar aus dem von ihm zitierten Urteil des BSG (BSGE 41, 70) den Rechtssatz her, daß beim Ausfall “des zweiten paarigen Organs” die dadurch sich ergebende Erhöhung der Funktionsausfälle nicht zu einer Erhöhung der (zu ergänzen offenbar: “durch den Ausfall des ersten paarigen Organs bedingten") schädigungsbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) führt. Er trägt jedoch nicht vor, welchen davon abweichenden Rechtssatz das LSG befolgt haben soll, sondern legt nur dar, das LSG habe den Rechtssatz des BSG auf einen nicht davon erfaßten Fall angewendet. Somit behauptet der Kläger lediglich eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das LSG im Einzelfall, was zur Bezeichnung einer Divergenz nicht ausreicht.

Auch soweit der Kläger Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) des LSG rügt, begründet er seine Beschwerde nicht formgerecht. Wird ein Verfahrensfehler als Zulässigkeitsgrund geltend gemacht, so muß der Beschwerdeführer die die Verfahrensrüge begründenden Tatsachen im einzelnen genau angeben, und diese müssen in sich verständlich den behaupteten Verfahrensfehler ergeben (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Wird – wie hier – als Verfahrensfehler die Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) – durch das LSG gerügt, muß daher dargelegt werden, inwiefern sich das LSG zur Vornahme der vom Beschwerdeführer vermißten Ermittlungsmaßnahme hätte gedrängt fühlen müssen (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34 und 56; Kummer, aaO, RdNr 216). Diese Darlegung muß in sich schlüssig sein; daran fehlt es hier. Der Kläger trägt vor, er habe beantragt, den Sachverständigen Prof. E.… noch ergänzend dazu zu befragen, ob beim Kläger, im Hinblick auf die Feststellungen des in der Vorinstanz gehörten Prof. I.… es sei unstrittig, daß eine ungünstige einseitige Überlastung des (zu ergänzen: “Schulter-") Gelenks zu einem vermehrten Knorpelverschleiß führe, eine mittelbare Schädigungsfolge auch des linken Armes, aufgrund Knorpelverschleißes vorliege. Der Kläger hat aber nicht dargelegt, vor dem LSG behauptet zu haben, bei ihm habe eine “ungünstige einseitige Überbelastung” vorgelegen. Ebensowenig hat er vorgetragen, er habe vor dem LSG beantragt, solche Belastungen oder Fehlbelastungen zu ermitteln. Unter diesen Umständen erscheint der vom Kläger zitierte Kausalitätsschluß des LSG, “die im Bereich des linken Schultergelenks stehenden Befunde” seien keine Schädigungsfolge, für die vom LSG angenommenen Gesundheitsstörungen nachvollziehbar, so daß nicht deutlich wird, warum das LSG noch weitere Ermittlungen hätte anstellen sollen. Das gilt um so mehr, als der Kläger nicht aufzeigt, welcher behandelnde Arzt oder Sachverständige bisher beim Kläger einen “Knorpelverschleiß” diagnostiziert oder auch nur einen Anhalt für eine derartige Diagnose geliefert hätte. Soweit der Kläger meint, das LSG hätte nur aufgrund seiner – fehlerhaften – Rechtsansicht von der beantragten weiteren Ermittlungsmaßnahme abgesehen, übersieht er, daß für die Frage zu welchen Ermittlungen sich das Tatsachengericht gedrängt fühlen muß, dessen eigene Rechtsansicht zugrunde zu legen ist.

Soweit der Kläger zugleich eine Verletzung des § 118 Abs 1 SGG iVm § 411 Abs 3 Zivilprozeßordnung (ZPO) rügt, wonach das Tatsachengericht das Erscheinen des Sachverständigen anordnen kann – und unter bestimmten Voraussetzungen muß –, damit er sein schriftliches Gutachten erläutere, legt er, wie oben aufgezeigt, nicht dar, inwieweit die im Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten unauflösliche Widersprüche, Lücken oder Unklarheiten enthielten, so daß noch Aufklärungs- und Ermittlungsbedarf bestanden hätte (vgl Beschluß des Senats vom 3. März 1999 – B 9 VJ 1/98 B ; Thomas/Putzo, ZPO, 19. Aufl, RdNr 5 zu § 411 jeweils mwN). Ebensowenig konnte der Kläger schlüssig darlegen, inwiefern seine dem LSG zur Beantwortung durch den Sachverständigen vorgelegte Frage sachdienlich war.

Soweit eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 2 SGG gerügt wird, liegt ebensowenig eine schlüssige Verfahrensrüge vor. Nach dieser Bestimmung sind im Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Diese Bestimmung soll die Überprüfung ermöglichen, ob das Gericht alle wesentlichen Umstände und Beweise gewürdigt hat (vgl Meyer/Ladewig, SGG, 6. Aufl, RdNr 17 zu § 128). Der Kläger legt nicht dar, welche Gutachten oder entscheidungserheblichen Umstände das Gericht zu würdigen unterlassen hat. Er macht statt dessen geltend, das Gericht habe den erhobenen Beweisen und Unterlagen unzutreffende Tatsachen entnommen. Dies läuft jedoch auf eine fehlerhafte Beweiswürdigung iS des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG hinaus und betrifft allenfalls die Oberschreitung des richterlichen Rechts zur freien Beweiswürdigung. Ein derartiger Verfahrensmangel kann aber vor dem BSG im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zulässig gerügt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 2. Halbsatz SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI780412

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