Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 08.08.2018; Aktenzeichen L 4 SO 206/17) |
SG Mainz (Entscheidung vom 16.10.2017; Aktenzeichen S 11 SO 69/15) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. August 2018 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Im Streit ist noch die Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.5.2014 bis 31.7.2018.
Der 1947 geborene Kläger lebt mit seiner Ehefrau in einem Haus, das deren Sohn im Wege der Zwangsversteigerung von ihnen erworben hat. Der Kläger bezog im streitbefangenen Zeitraum Altersrente von rund 480 Euro, die Ehefrau verfügte über kein Einkommen. Über Vermögen verfügten beide nicht. Den vom Kläger im Mai 2014 gestellten Antrag auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII), mit dem ua Mietkosten für eine 146 qm große Wohnung in Höhe von 945 Euro sowie Nebenkosten von 415 Euro als Bedarf geltend gemacht wurden, lehnte der Beklagte unter Hinweis darauf ab, dass der Sohn bislang für den Lebensunterhalt des Klägers und seiner Frau aufgekommen sei, dies auch weiterhin tue und die Behauptung, ihm gegenüber tatsächlich zur Mietzinszahlung verpflichtet zu sein, nur eine Schutzbehauptung sei (Bescheid vom 20.6.2014; Widerspruchsbescheid vom 5.3.2015). Das Klageverfahren ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Mainz vom 16.10.2017; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Rheinland-Pfalz vom 8.8.2018). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme von Kosten der Unterkunft, weil eine ernsthafte Verpflichtung zur Mietzinszahlung gegenüber seinem Sohn nicht bestehe. Der Kläger und seine Frau hätten über Jahre keine Miete an den Sohn geleistet, ohne dass dies zur Auflösung des Mietvertrags geführt hätte. Sowohl dieser Gesichtspunkt als auch die Umstände des Zustandekommens des Mietvertrags und Ausführungen des Klägers in einem Parallelverfahren, wonach "Miete gegen Arbeit" geleistet werde, sprächen insoweit für ein bloßes Scheingeschäft.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde und beantragt zugleich die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH).
II
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ iVm § 114 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg böte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Die Revision darf danach nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Von diesen Zulassungsgründen kann nach Aktenlage unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers keiner mit Erfolg im Beschwerdeverfahren, verbunden auch mit einem möglichen Erfolg in der Hauptsache (vgl dazu nur BSG SozR 4-1500 § 73a Nr 2 mwN) geltend gemacht werden.
Die Frage, unter welchen Voraussetzungen von einer wirksamen Verpflichtung zur Mietzinszahlung auszugehen ist mit der Folge, dass - angemessene - Kosten der Unterkunft und Heizung vom Sozialhilfeträger ggf zu übernehmen sind, ist nicht (mehr) grundsätzlich bedeutsam (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). In seiner Entscheidung vom 17.12.2015 (BSG SozR 4-3500 § 35 Nr 4) hat der Senat insoweit zusammenfassend ausgeführt, dass für die Übernahmefähigkeit von Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (§ 42 Nr 4 SGB XII in der bis 30.6.2017 geltenden Normfassung iVm § 35 Abs 1 Satz 1 SGB XII) nicht Voraussetzung sei, dass solchen Zahlungen eine (miet-)vertragliche oder andere Verpflichtung des Leistungsberechtigten gegenüber einem Dritten zugrunde liege. Sei der Leistungsberechtigte verpflichtet und insbesondere einer wirksamen (vgl §§ 117 Abs 1, 133 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫) Mietzinsforderung ausgesetzt, folge zwar schon allein daraus ein entsprechender Bedarf (vgl nur BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 15 RdNr 24). Zu den berücksichtigungsfähigen Kosten als tatsächliche Aufwendungen im normativen Sinn gehörten aber auch die Kosten, die einem Antragsteller durch die Nutzung der Wohnung tatsächlich entstünden und von diesem faktisch (mit-)getragen würden (vgl BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 52 RdNr 13 zu Kosten bei Nutzung einer von den Eltern angemieteten Wohnung und BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 44 RdNr 18 zu Kosten bei Nutzung eines Hausgrundstücks). Insoweit genüge, dass sich die betroffenen Bewohner der Unterkunft faktisch einig seien, ohne dass daraus eine rechtliche Verpflichtung entstehen müsse. Dabei obliege es allein der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall, ob gegenüber dem Leistungsberechtigten die ernsthafte Erwartung einer Beteiligung an den Kosten für Unterkunft und Heizung bestehe.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze - folglich ist auch nichts für den möglichen Erfolg einer Divergenzrüge (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) ersichtlich - ist das LSG unter Würdigung der tatsächlichen Umstände, ua auch des Zustandekommens des Mietvertrags, zu dem Schluss gelangt, dass keine ernsthafte Verpflichtung zur Zahlung von Miete und Nebenkosten besteht. Seine Feststellungen hat das LSG ohne Verstoß gegen Denkgesetze, allgemeine Auslegungsgrundsätze oder Erfahrungssätze (BSG SozR 4-3500 § 90 Nr 7 RdNr 15) getroffen, sodass der Senat in einem sich anschließenden Revisionsverfahren daran gebunden wäre (§ 163 SGG). Ob die Entscheidung des LSG in der Sache richtig ist, ist insoweit ohne Belang, weil die Frage der inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidung nicht zur Zulassung der Revision führen kann.
Auch ist nichts dafür ersichtlich, dass ein Rechtsanwalt einen Verfahrensfehler erfolgreich rügen könnte (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Auf einen möglichen Verstoß gegen § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Entscheidung des Gerichts nach freier, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnener Überzeugung) kann ein Verfahrensmangel ohnedies nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG). Im Übrigen kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit ein Verstoß des LSG gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 117 SGG) darin zu sehen ist, dass es die schriftliche Aussage des zum Termin zur mündlichen Verhandlung als Zeuge geladenen Sohnes des Klägers in seiner Entscheidung gewürdigt hat, soweit dieser sich nicht auf sein Zeugnisverweigerungsrecht (§ 202 SGG iVm § 383 Nr 3 ZPO) berufen hat. Denn der Kläger hat die "eidesstattliche Erklärung" seines Sohnes selbst im Termin vorgelegt, um dadurch auch dessen Nichterscheinen zu rechtfertigen (§ 202 SGG iVm § 386 Abs 3 ZPO). Damit hat der Kläger zugleich aber auf sein Recht verzichtet, einen möglichen Verstoß gegen § 117 SGG zu rügen (§ 202 SGG iVm § 295 ZPO; dazu auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 16c mwN); aus denselben Erwägungen käme auch eine erfolgreiche Rüge des Verstoßes gegen § 103 SGG (Verletzung der Amtsermittlungspflicht) nicht in Betracht.
Mit der Ablehnung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
Die vom Kläger ohne zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelassenen Bevollmächtigten vertreten lassen. Er kann eine Prozesshandlung rechtswirksam nicht vornehmen, folglich auch nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach § 73 Abs 4 SGG zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf hat das LSG den Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des Urteils hingewiesen. Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist schon deshalb nach § 160 Abs 4 Satz 1 SGG iVm § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI12550273 |