Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 03.03.2017; Aktenzeichen L 3 AS 612/16 ZVW)

SG Mainz (Entscheidung vom 23.02.2012; Aktenzeichen S 10 AS 1394/09)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 3. März 2017 - L 3 AS 612/16 ZVW - Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihm Rechtsanwältin A. beizuordnen, wird abgelehnt.

 

Gründe

I

Der 1955 geborene Kläger wendet sich gegen die Aufhebung von Leistungen für Unterkunft für den Zeitraum von Januar 2005 bis März 2007 für ein von ihm bewohntes Haus, das ihm im Wege vorweggenommener Erbfolge 1995 überlassen worden war und das er Ende 2004 nach notarieller Beurkundung zu einem Kaufpreis von 2300 Euro seinem Sohn verkauft hat. Nachdem das beklagte Jobcenter zunächst bis März 2007 Alg II unter Berücksichtigung einer Summe von 260 Euro monatlich bewilligt hatte, die vom Kläger als "vertraglich vereinbarte Zahlung zur Abwendung des Nießbrauchsrechts" deklariert worden war, gelangte es im Weiteren zu der Überzeugung, dass ein Mietverhältnis zwischen Kläger und Sohn nicht bestehe, weshalb es für den hier streitbefangenen Zeitraum die für die Kaltmiete bestimmten Beträge zurückgefordert und für den Zeitraum von April 2007 bis zum 17.11.2009 unterkunftsbezogene Leistungen nur noch auf Nebenkosten erbracht hat (vgl B 14 AS 28/17 BH).

Nachdem Klage und Berufung gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid erfolglos geblieben waren (Urteil des SG vom 23.2.2012 - S 10 AS 1394/09 Mz; Beschluss des LSG vom 10.6.2015 - L 3 AS 391/12), hat der erkennende Senat den Beschluss des LSG auf die Beschwerde des Klägers wegen Verfahrensfehlers aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen (Beschluss vom 19.10.2016 - B 14 AS 150/16 B). Dieses hat nach Anhörung des Klägers dessen Berufung erneut zurückgewiesen und zugleich einen weiteren Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt (Beschluss vom 3.3.2017 - L 3 AS 612/16 ZVW), nachdem bereits ein erster PKH-Antrag im wiedereröffneten Berufungsverfahren ohne Erfolg geblieben war (Beschluss vom 23.1.2017).

Der Kläger begehrt, ihm für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen.

II

Dem Antrag auf Bewilligung von PKH kann nicht stattgegeben werden. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, die angestrebte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung erfolgreich zu begründen. Da kein Anspruch auf Bewilligung von PKH besteht, ist auch der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).

Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist weder nach dem Vorbringen des Klägers noch nach summarischer Prüfung des Inhalts der beigezogenen Verfahrensakte ersichtlich.

Insbesondere kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht zu. Sie ist nur anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist, wovon bei dem Streit um die Frage, ob zwischen dem Kläger und seinem Sohn ein wirksames Mietverhältnis als Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen für Unterkunft nach dem SGB II bestanden hat, nicht auszugehen ist.

Es ist auch nicht erkennbar, dass die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht, weshalb eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).

Ebenfalls ist nicht ersichtlich, dass ein Verfahrensmangel geltend gemacht werden könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG). Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass ein revisionsrechtlich beachtlicher Verstoß gegen die Voraussetzungen aufgezeigt werden könnte, unter denen eine Berufung im vereinfachten Beschlussverfahren nach § 153 Abs 4 SGG zurückgewiesen werden kann. Soweit das LSG dem Kläger auf dessen Anhörungsschreiben vom 19.2.2017 zur Anhörungsmitteilung vom 25.1.2017 nicht erneut Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat (zu den Anforderungen insoweit vgl aus jüngerer Zeit etwa BSG vom 19.10.2016 - B 14 AS 155/16 B - juris RdNr 2 mwN), ist bei Durchsicht der Verfahrensakte schon nicht ersichtlich, dass das Anhörungsschreiben Gesichtspunkte enthält, die dem LSG nicht bereits vor dem Beschluss vom 10.6.2015 unterbreitet worden wären (dazu BSG, ebenda). Auf die wiederholten Einwände gegen die Ordnungsgemäßheit der Anhörung vor Erlass des angefochtenen Aufhebungs- und Rückforderungsverwaltungsakts und den erneuten Hinweis auf eine dem Kläger günstigere rechtliche Würdigung im Verlauf des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens kam es zudem rechtlich nicht an; etwaige Anhörungsmängel wären jedenfalls durch das Widerspruchsverfahren geheilt worden (§ 41 Abs 1 Nr 3 SGB X). Der Vortrag zu gesundheitsbedingten Einbußen, die es dem Kläger unmöglich gemacht hätten, der Verhandlung vor dem SG folgen zu können, war so allgemein gehalten, dass in dem Festhalten des LSG am vereinfachten Verfahren nach § 153 Abs 4 SGG jedenfalls kein Ermessensfehlgebrauch zu erkennen ist (vgl hierzu aus jüngerer Zeit nur BSG vom 8.9.2015 - B 1 KR 134/14 B - juris RdNr 7 mwN).

Ebenso liegt kein Verfahrensfehler darin, dass das LSG die Ausführungen nicht als Antrag auf Verlängerung der Äußerungsfrist gewertet und hierüber vor der Entscheidung nach § 153 Abs 4 SGG gesondert entschieden hat (vgl nur BSG vom 15.12.2016 - B 5 R 238/16 B - juris RdNr 7 mwN). Angesichts von Umfang und Detailreichtum des Anhörungsschreibens war der Wendung "Der Kläger … kann sich aufgrund seiner stark gesundheitlich eingeschränkten Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit … nicht zeitnah sachlich und rechtlich auf einen aktuellen Stand bringen … Beweis: Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens" kein förmlicher, auf einen bestimmten Zeitraum gerichteter Antrag nach § 65 SGG auf Verlängerung der Frist zur Äußerung auf die Anhörungsmitteilung nach § 153 Abs 4 Satz 2 SGG zu entnehmen, über den das LSG gesondert zu befinden gehabt hätte. Vielmehr musste das LSG die Erklärung im Zusammenhang der weiteren Ausführungen und der Betreffzeile ("Richterablehnung / Besorgnis der Befangenheit S. 7 - PKH-Antrag") als Teil des weiteren PKH-Antrags sehen, den der Kläger nach Ablehnung seines ersten PKH-Antrags durch den Beschluss des LSG vom 23.1.2017 mit dem Anhörungsschreiben erneut gestellt hat.

Dass das LSG über diesen erst zusammen mit dem Beschluss in der Hauptsache entschieden hat, hat den Kläger auch nicht in seinem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit verletzt (vgl dazu BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 165/06 B - SozR 4-1500 § 62 Nr 9 RdNr 9 ff). Über den ersten PKH-Antrag im wieder eröffneten Berufungsverfahren hat das LSG durch den Beschluss vom 23.1.2017 zeitnah und nach Durchsicht der Verfahrensakte unter Auswertung des vollständigen Sach- und Streitstoffs entschieden. Dass danach Verfahrensrechte durch die Entscheidung über den nicht auf neue Umstände gestützten abermaligen PKH-Antrag erst mit der Hauptsache verkürzt worden wären, ist nicht erkennbar.

Keinen Verfahrensfehler begründet es weiter, dass das LSG die von dem Kläger mit seinem Anhörungsschreiben gestellten Befangenheitsanträge gegen die Senatsvorsitzende, die weitere Berufsrichterin und den Berichterstatter, die an dem als verfahrensfehlerhaft aufgehobenen Beschluss vom 10.6.2015 - L 3 AS 391/12 - beteiligt waren, als rechtsmissbräuchlich erachtet und über die Berufung des Klägers unter Mitwirkung der abgelehnten Richter entschieden hat. Das ist in den klaren Fällen eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs ausnahmsweise verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn für eine Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist (vgl BVerfG ≪Kammer≫ vom 15.6.2015 - 1 BvR 1288/14 - juris RdNr 17 mwN; aus der jüngeren Rspr des erkennenden Senats: BSG vom 9.4.2014 - B 14 AS 363/13 B - juris, RdNr 4; BSG vom 16.12.2015 - B 14 AS 191/15 B - juris, RdNr 4; BSG vom 20.1.2016 - B 14 AS 193/15 B - juris, RdNr 10, jeweils mwN). So liegt es hier, weil die Ablehnung des gesamten LSG Senats ausweislich des Akteninhalts ausschließlich auf dessen vom Kläger als rechtswidrig erachtete Verfahrensweise gestützt war und die Besorgnis der Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt begründet sein kann, wenn lediglich eine für den Betroffenen ungünstige Rechtsansicht beanstandet (vgl nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 60 RdNr 10b) oder sie auf richterliche Fehler gestützt wird, sofern nicht besondere weitere Umstände hinzutreten (vgl nur BSG vom 8.1.2010 - B 1 KR 119/09 B - juris, RdNr 8; BSG vom 31.8.2015 - B 9 V 26/15 B - juris, RdNr 15; BSG vom 21.9.2017 - B 13 R 230/17 B - juris, RdNr 13; ebenso BFH vom 27.6.1996 - XB 84/96 - BFH/NV 1997, 122; Jung in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 60 RdNr 32). Dass solche Umstände hier vorlägen, ist indes entgegen der Auffassung des Klägers weder seinem Vorbringen noch sonst dem Akteninhalt in greifbarer Weise zu entnehmen.

Soweit der Kläger schließlich eine überlange Verfahrensdauer rügt, ist nicht ersichtlich, dass und warum für ihn trotz der Entschädigungsregelung in § 198 GVG die Überlänge eines Gerichtsverfahrens gleichwohl noch einen Verfahrensmangel begründen könnte (vgl hierzu BSG vom 15.10.2015 - B 9 V 15/15 B - juris, RdNr 9).

Weder eine Verkürzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör noch sonst ein Verfahrensfehler iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ist zuletzt darin zu sehen, dass das LSG nicht näher auf die Ausführungen des Klägers zur mangelnden Bestimmtheit des angefochtenen Aufhebungsbescheids eingegangen ist; dass wesentlicher Vortrag des Klägers nicht zur Kenntnis genommen worden sei, ist dem nicht zu entnehmen (vgl dazu aus jüngerer Zeit nur etwa BSG vom 16.12.2015 - B 6 KA 19/15 R - BSGE 120, 197 = SozR 4-5520 § 20 Nr 4, RdNr 15).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI11536704

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