Verfahrensgang
LSG Hamburg (Urteil vom 25.10.2000) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 25. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin ist ein Zeitschriftenverlag, der in Form einer Kommanditgesellschaft (KG) betrieben wird. Die Beklagte hat gegen die Klägerin eine Beitragsnachforderung durch zwei Bescheide festgesetzt. Die Bescheide sind an die als Heinrich Bauer Verlag bezeichnete Klägerin gerichtet. Der Komplementär der KG als ihr gesetzlicher Vertreter ist nicht angegeben. Die Beklagte legte die Bescheide am Ende einer Besprechung mit Mitarbeitern der Klägerin in deren Räumen nieder.
Die Klägerin hat Nichtigkeitsklage erhoben und geltend gemacht, die Bescheide seien nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben worden. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und einen Verfahrensmangel des Landessozialgerichts (LSG) geltend.
Eine bisher in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht geklärte Rechtsfrage sei, ob die fehlende Kenntlichmachung des Bekanntgabeadressaten im Anschriftenfeld oder im sonstigen Inhalt des Verwaltungsaktes bei der Bekanntgabe gegenüber einer handlungsunfähigen Person zur Nichtexistenz oder Nichtigkeit des Verwaltungsaktes führe. Bei der Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes gegenüber einer handlungsunfähigen Person – wie hier einer KG – sei zwischen dem Inhaltsadressaten (hier der Klägerin) und dem Bekanntgabeadressaten (einer natürlichen Person) zu differenzieren. Die Bekanntgabe müsse den Bekanntgabewillen an den jeweils avisierten gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertreter umfassen. Dies sei im Verwaltungsakt kenntlich zu machen. Der Bekanntgabewille habe sich hier ausschließlich auf die Bekanntgabe gegenüber der Klägerin gerichtet. Es sei nicht erkennbar, daß die Beklagte Kenntnis davon gehabt habe, von welchen handlungsfähigen Personen die Klägerin gesetzlich vertreten werde. Da die Klägerin als KG eine handlungsunfähige Person sei, wären die Bescheide nicht existent, wenn eine derartige Bekanntgabe den formalen Anforderungen des § 37 Abs 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren (SGB X) nicht gerecht werde. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Bekanntgabe sei nicht fehlerhaft, stehe auch nicht im Einklang mit Entscheidungen anderer Verwaltungsgerichte. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) habe die Zustellung eines Bescheides an einen minderjährigen und damit handlungsunfähigen Asylbewerber für fehlerhaft gehalten, da jener nicht an den gesetzlichen Vertreter gerichtet gewesen sei. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) München habe die Bekanntgabe des Entzugs der Fahrerlaubnis an einen Handlungsunfähigen für unwirksam gehalten. Auch Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster und des Bundesfinanzhofs (BFH) sei der Grundsatz zu entnehmen, daß die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes an eine handlungsunfähige Person die zielgerichtete Bekanntgabe gegenüber dem zutreffenden Bekanntgabeadressaten voraussetze.
Als Verfahrensmangel rügt die Beschwerde, das LSG habe einen Beweisantrag der Klägerin übergangen. Diese habe durch die Benennung zweier Zeugen unter Beweis gestellt, der Betriebsprüfer der Beklagten habe am 30. Dezember 1998 und 15. Juli 1999 ausdrücklich geäußert, eine sozialversicherungsrechtliche Bewertung der freien Mitarbeiterverhältnisse habe nicht stattgefunden.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet. Der Senat läßt offen, ob mit der Beschwerde aufgezeigt ist, daß die Bescheide nichtig sind, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage zu den formalen Anforderungen an die Adressierung eines Verwaltungsaktes im Sinne der Beschwerde entschieden werden sollte.
Die mit der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist nicht klärungsbedürftig, denn sie ist nicht zweifelhaft. Ein Verwaltungsakt, der an eine KG gerichtet ist, kann wirksam bekanntgegeben werden, ohne daß der Komplementär der KG als deren Vertreter im Verwaltungsakt namentlich bezeichnet ist. Die KG kann als Handelsgesellschaft unter ihrem Namen (Firma) klagen und verklagt werden (§ 17 des Handelsgesetzbuchs). Dementsprechend kann auch ein Verwaltungsakt an sie adressiert werden. Die Beschwerde macht nicht geltend, die Adressierung an die Klägerin unter ihrem Namen sei hier nicht hinreichend genau geschehen, obwohl der Zusatz „KG” auf dem Verwaltungsakt nicht enthalten war.
Für die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes an eine KG genügt die Angabe ihres Namens auf dem Verwaltungsakt. Zwar kann eine Willenserklärung wie der Verwaltungsakt nur einer natürlichen Person tatsächlich bekanntgegeben werden. Dies bedeutet aber nicht, daß die Person, die befugt ist, die Willenserklärung für eine juristische Person oder hier eine KG tatsächlich entgegenzunehmen, auch als Empfänger schriftlich namentlich bezeichnet werden muß. Soweit die Frage in der Literatur überhaupt diskutiert wird, wird nur die Ansicht vertreten, die Bekanntgabe unter der Firma sei ausreichend (vgl Schlücking, BB 1982, S 917 – für die Bekanntgabe von Steuerbescheiden – und Knack, VwVfG 7. Aufl § 41 RdNr 8). Durch die Rechtsprechung ist bereits geklärt, daß für die wirksame Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes an eine juristischen Person der Name des gesetzlichen Vertreters nicht auf dem Verwaltungsakt angegeben zu werden braucht. Das BVerwG hat selbst die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes an den nicht namentlich bezeichneten Vorstand einer juristischen Person als wirksame Bekanntgabe an die juristische Person angesehen (vgl dazu im einzelnen BVerwG Urteil vom 6. Dezember 1999 – 1 A 4/97 = Buchholz 452.00 § 81 VAG Nr 7). Für die Zustellung eines Verwaltungsaktes als formalisierte Form der Bekanntgabe schreibt das Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) in § 7 Abs 2 vor, daß bei Behörden (juristischen Personen), nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Zweckvermögen an ihre Vorsteher zugestellt wird. Eine namentliche Bezeichnung auf dem zuzustellenden Schriftstück ist nicht erforderlich (vgl BFH in BFHE 100, 71; Engelhardt/App, Kommentar zum VwZG, 4. Aufl, § 7 RdNr 5). Auch bei der Zustellung nach den §§ 166 ff der Zivilprozeßordnung (ZPO) ist bei juristischen Personen die Bezeichnung der natürlichen Person, an die zuzustellen ist (gesetzlicher Vertreter oder Vorsteher nach § 171 Abs 2 ZPO), nicht erforderlich (vgl Zöller/Stöber, ZPO, 21. Aufl. § 171 RdNr 3). Bei der Zustellung an eine Aktiengesellschaft ist selbst in der Zustellungsurkunde (§ 191 ZPO) nur die Bezeichnung der Gesellschaft notwendig. Die Angabe des Vorstandes als des gesetzlichen Vertreters in der Urkunde ist nicht notwendig (Bundesgerichtshof, BGHZ 107, 296, 299). Es ist nicht zweifelhaft, daß die vorstehenden Grundsätze, die für die Bekanntgabe und selbst die Zustellung an eine juristische Person als Inhaltsadressaten deren Angabe auch für die Bekanntgabe ausreichen lassen, für die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes nach § 37 SGB X ebenfalls gelten.
Die von der Beschwerde bezeichneten Entscheidungen des BVerwG (NJW 1985, 576f) und des VGH München (NJW 1984, 2845) betreffen Fälle, in denen ein Verwaltungsakt einem Geschäftsunfähigen persönlich bekanntgegeben worden war und nicht dem jeweiligen Vertreter. Die fehlerhafte und unwirksame Bekanntgabe des Verwaltungsaktes allein gegenüber einer geschäfts- und handlungsunfähigen natürlichen Person ist von der Frage zu unterscheiden, ob oder wie der Vertreter einer juristischen Person auf einem Verwaltungsakt zu bezeichnen ist, wenn dieser ihr in ihren Geschäftsräumen bekanntgegeben werden soll. Die angeführte Entscheidung des OVG Münster (OVGE MüLü 40, 26 = NJW 1989, 120) betrifft die in einer Rechtsvorschrift ausdrücklich vorgeschriebene Zustellung an den Betroffenen persönlich, die des BFH (BFHE 174, 290 = NVwZ 1996, 207) die Adressierung eines Steuerbescheides im Konkurs der Gemeinschuldnerin. Die von der Klägerin angeführten Kommentare beziehen sich nicht auf die Bekanntgabe an eine juristische Person oder Handelsgesellschaft, sondern erkennbar nur auf die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes, dessen Adressat eine geschäftsunfähige natürliche Person ist, oder die Bekanntgabe an einen Bevollmächtigten. Im KassKomm-Krasney SGB X § 37 RdNr 4, wird auf die Vertretung der handlungsunfähigen Person und auf die Notwendigkeit hingewiesen, ggf einen Vertreter nach § 15 SGB X zu bestellen. Die bei Stelkens/Bonk, Verwaltungsverfahrensgesetz, 5. Aufl § 41 in RdNr 5 unter Anm 20 angeführte Rechtsprechung betrifft ausschließlich die Frage der Bekanntgabe an geschäftsunfähige natürliche Personen oder Bevollmächtigte.
Die Bekanntgabe kann auch durch Übergabe des Verwaltungsaktes in den Geschäftsräumen der Gesellschaft geschehen. Von der Beschwerde wird nicht in Zweifel gezogen, daß die Bekanntgabe insoweit mangelfrei ist.
Die Verfahrensrüge ist unzulässig. Gerügt wird, daß das LSG einen Beweisantrag übergangen habe. Damit wird eine Verletzung des § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gerügt. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 kann die Rüge einer Verletzung des § 103 SGG nur darauf gestützt werden, daß sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Zur Bezeichnung dieses Verfahrensmangels iS des § 160 Abs 2 Satz 3 SGG in der Beschwerde muß aufgezeigt werden, daß ein Beweisantrag protokolliert oder im Urteilstatbestand aufgeführt worden ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 64, SozR 3-1500 § 160 Nr 9). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Auf einen in der mündlichen Verhandlung gestellten und protokollierten Beweisantrag weist sie nicht hin. In den Entscheidungsgründen des LSG ist an der von der Beschwerde angegebenen Stelle (S 10 des Urteils, gemeint ist anscheinend S 9) ebenfalls kein Beweisantrag erwähnt. Dahingestellt bleiben kann, ob ausreichend dargelegt ist, daß die mit dem behaupteten Beweisantrag unter Beweis gestellten Tatsachen geeignet sein könnten, die geltend gemachte Nichtigkeit des Verwaltungsaktes zu begründen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen