Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde. Zahlbarmachung von Ghettorenten. rentenversicherungspflichtiges Arbeits-/Beschäftigungsverhältnis. grundsätzliche Bedeutung. höchstrichterliche Rechtsprechung

 

Orientierungssatz

Es ist als geklärt anzusehen, dass Arbeiten, die als Zwangsarbeiten für die seinerzeitigen nationalsozialistischen Machthaber angesehen werden müssen, nicht zu Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung führen (vgl BSG vom 7.10.2004 - B 13 RJ 59/03 R = BSGE 93, 214 = SozR 4-5050 § 15 Nr 1, BSG vom 18.6.1997 - 5 RJ 66/95 = BSGE 80, 250 = SozR 3-2200 § 1248 Nr 15, BSG vom 23.8.2001 - B 13 RJ 59/00 R = SozR 3-2200 § 1248 Nr 17 und BSG vom 14.7.1999 - B 13 RJ 71/98 R = SozR 3-5070 § 14 Nr 3). Hieran hat auch das Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (juris: ZRBG) vom 20.6.2002 (BGBl I 2002, 2074) nichts geändert. Nach dessen § 1 Abs 1 S 1 Nr 1 setzt ein Anspruch nach diesem Gesetz ebenfalls die Freiwilligkeit ("nach eigenem Willensentschluss") und Entgeltlichkeit einer Beschäftigung voraus und knüpft damit an die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien für eine versicherungspflichtige Beschäftigung in einem Ghetto an, wie ebenfalls bereits vom BSG entschieden ist (vgl BSG vom 7.10.2004 - B 13 RJ 59/03 R aaO).

 

Normenkette

ZRBG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 05.09.2006; Aktenzeichen L 18 (13) R 242/05)

SG Düsseldorf (Urteil vom 13.10.2005; Aktenzeichen S 12 R 140/05)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. September 2006 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Mit Urteil vom 5. September 2006 hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Altersrente (AlR) unter Berücksichtigung einer Beitragszeit von November 1942 bis Dezember 1943 verneint und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Ein Anspruch auf AlR bestehe nicht, weil der Kläger keine auf die Wartezeit anrechenbare Versicherungszeiten in der deutschen Rentenversicherung zurückgelegt habe. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen und nach dem eigenen Vortrag des Klägers sei nicht glaubhaft gemacht, dass er in dem geltend gemachten Zeitraum ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen sei. Der gesamte Vortrag des Klägers lasse ein freiwillig eingegangenes Arbeits-/Beschäftigungsverhältnis nicht erkennen, sondern mache deutlich, dass es sich um Zwangsarbeit gehandelt habe. Es könne daher dahinstehen, ob sich das Ghetto, in dem der Kläger die Arbeit geleistet habe, auf einem vom deutschen Reich besetzten oder eingegliederten Gebiet befunden habe.

Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger sinngemäß beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen. Dabei kann dahinstehen, ob der Antrag und die diesem beizufügende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse fristgerecht beim Beschwerdegericht eingegangen sind. Der Prozesskostenhilfeantrag kann jedenfalls in der Sache keinen Erfolg haben.

Nach § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 114 Zivilprozessordnung kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 166 Abs 2 SGG) in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers erfolgreich zu begründen.

Gemäß § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist weder nach dem Vorbringen des Klägers noch nach Prüfung des Streitstoffs ersichtlich.

Es ist nicht erkennbar, dass eine Zulassung der Revision gegen das vom Kläger angegriffene Urteil auf § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht, weil sie sich zB schon aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich entschieden ist (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34). Dies trifft hier zu.

Zu den Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um eine in einem Ghetto verrichtete Arbeit als versicherungspflichtige Beschäftigung und damit auf die Wartezeit anrechenbare Beitragszeit in der deutschen Rentenversicherung anzuerkennen, liegt bereits eine umfangreiche Rechtsprechung vor. Danach ist als geklärt anzusehen, dass solche Arbeiten, die als Zwangsarbeiten für die seinerzeitigen nationalsozialistischen Machthaber angesehen werden müssen, nicht zu Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung führen (vgl BSGE 93, 214 = SozR 4-5050 § 15 Nr 1; BSGE 80, 250 = SozR 3-2200 § 1248 Nr 15; BSG SozR 3-2200 § 1248 Nr 17; BSG SozR 3-5070 § 14 Nr 3). Hieran hat auch das Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto vom 20. Juni 2002 (BGBl I 2074) nichts geändert. Nach dessen § 1 Abs 1 Nr 1 setzt ein Anspruch nach diesem Gesetz ebenfalls die Freiwilligkeit ("nach eigenem Willensentschluss") und Entgeltlichkeit einer Beschäftigung voraus und knüpft damit an die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien für eine versicherungspflichtige Beschäftigung in einem Ghetto an, wie ebenfalls bereits vom BSG entschieden ist (BSGE 93, 214 = SozR 4-5050 § 15 Nr 1). Ein weiterer grundsätzlicher Klärungsbedarf ist im Hinblick auf den vorliegenden Fall nicht erkennbar, zumal der Kläger selbst mit seiner Beschwerdebegründung ausdrücklich bestätigt, dass er in dem Ghetto Zwangsarbeiten habe verrichten müssen.

Der Zulassungsgrund der Divergenz könnte ebenfalls nicht erfolgreich geltend gemacht werden. Divergenz (Abweichung) bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder - anderes ausgedrückt - das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind. Sie kommt nur in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 mwN). Dafür bestehen vorliegend keinerlei Anhaltspunkte, zumal sich das LSG zur Stützung seiner Rechtsauffassung auf höchstrichterliche Rechtsprechung beruft.

Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Insbesondere konnte das LSG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit entscheiden, da der Kläger gemäß § 124 Abs 2 SGG sein Einverständnis zu dieser Verfahrensweise abgegeben hatte.

Die gegen das Urteil des LSG eingelegte Beschwerde ist bereits deshalb unzulässig, weil sie nicht durch einen vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (vgl § 166 SGG ) eingelegt worden ist. Die unzulässige Beschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2391711

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