Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 31. Mai 2017 wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 69 109,24 Euro festgesetzt.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Umlagen für den Zeitraum November 2003 bis Dezember 2007.
Der Kläger betrieb als Einzelunternehmer ein Bauunternehmen. Nach Ermittlungen des Hauptzollamts (Finanzkontrolle Schwarzarbeit) führte das Finanzamt in einem Bericht über strafrechtliche Feststellungen aus, dass der Kläger von November 2003 bis Dezember 2007 für 51 namentlich genannte Personen höhere Entgelte gezahlt habe, als sie der Lohnversteuerung unterworfen worden seien. Zur Bemessung der "Schwarzlöhne" wurden mangels anderer Fakten die für diverse Auftraggeber erbrachten Leistungen herangezogen. Das Finanzamt forderte vom Kläger Lohnsteuern iHv 15 631,87 Euro nach. Den entsprechenden Bescheid hat der Kläger nicht angefochten. Durch Strafbefehl wurde der Kläger vom Amtsgericht - nach den Feststellungen des LSG - wegen Steuerhinterziehung und Vorenthaltung von Arbeitsentgelt in 50 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Nach Übermittlung des Berichts des Finanzamts forderte die Beklagte vom Kläger durch Summenbescheid Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen iHv 43 766,74 Euro zzgl Säumniszuschlägen iHv 25 342,50 Euro nach. Das SG hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben (SG-Urteil vom 12.11.2013). Die Beklagte sei zum Erlass eines Summenbescheids nicht berechtigt gewesen, weil eine personenbezogene Beitragserhebung ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand möglich gewesen sei. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (LSG-Urteil vom 31.5.2017). Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 31.5.2017 ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = Juris RdNr 9). Vorstehendes gilt auch für Beschlüsse des LSG nach § 153 Abs 4 S 1 SGG oder § 158 S 2 SGG (vgl § 153 Abs 4 S 3, § 158 S 3 SGG).
Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 18.12.2017 auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
1. Der Kläger legt eine entscheidungserhebliche Divergenz nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise dar. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).
Der Kläger führt auf Seite 5 der Beschwerdebegründung aus, der vom LSG getroffene Rechtssatz, auf dem das Urteil beruhe, stehe im Widerspruch zu dem vom BSG aufgestellten Grundsatz. Konkret stehe die Entscheidung im Widerspruch zu Entscheidungen des BSG (Urteil vom 17.12.1985 - 12 RK 30/83 - BSGE 59, 235 = SozR 2200 § 1399 Nr 16; Urteil vom 7.2.2002 - B 12 KR 12/01 R - BSGE 89, 158 = SozR 3-2400 § 28f Nr 3, SozR 3-2400 § 14 Nr 22; Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 1/11 R - SozR 4-2400 § 14 Nr 16). So stelle das BSG in seinem Urteil vom 17.12.1985 den abstrakten Rechtssatz auf, dass bei Erhebung von Beiträgen zur Sozialversicherung die Feststellungen der Versicherungs- und Beitragspflicht sowie der Beitragshöhe auch dann grundsätzlich personenbezogen zu erfolgen haben, wenn der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflicht verletzt habe und die Aufklärung des Sachverhaltes dadurch zwar erschwert, jedoch nicht unmöglich gemacht worden sei. Bei dieser vom BSG getroffenen Feststellung handele es sich um einen allgemeingültigen Grundsatz. Dieser Rechtssatz sei auch nicht durch etwa eine zwischenzeitliche Rechtsprechungsentwicklung überholt. Insbesondere stelle das Urteil des BSG vom 7.2.2002 keine Rechtsprechungsänderung dar, da die Sachverhalte unterschiedlich seien.
Hierdurch legt der Kläger eine entscheidungserhebliche Divergenz nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise dar.
a) Der Kläger entnimmt bereits weder dem angefochtenen Urteil noch den in Bezug genommenen Urteilen des BSG abstrakte, die Entscheidung tragende Rechtssätze. Vielmehr versucht er nachzuweisen, dass das LSG zu einem anderen Ergebnis gelangt sei, als es nach der Rechtsprechung des BSG - in der Interpretation des Klägers - hätte kommen müssen. Damit zeigt der Kläger aber keine Divergenz auf, sondern erhebt lediglich Einwendungen gegen die materiellrechtliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Hierauf kann aber eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie dargelegt - nicht gestützt werden.
b) Darüber hinaus berücksichtigt der Kläger nicht, dass die - auch nach der Rechtsauffassung des LSG - maßgebliche Norm des § 28f SGB IV erst zum 1.1.1989 durch das Gesetz zur Einordnung der Vorschriften über die Meldepflichten des Arbeitgebers vom 20.12.1988 (BGBl I 2330) und damit über drei Jahre nach dem vom Kläger zentral in Bezug genommenen Urteil des BSG vom 17.12.1985 in das SGB IV aufgenommen worden ist. Die Vorschrift enthält ungeachtet ihrer Anknüpfung an die frühere Rechtsprechung eine eigenständige Regelung zur Zulässigkeit von Summenbescheiden. Sie stellt nach Maßgabe ihres Absatzes 2 Satz 1 bei nicht ordnungsgemäßer Erfüllung der Aufzeichnungspflicht durch den Arbeitgeber die Zulässigkeit von Summenbescheiden in den Vordergrund. Das gilt allerdings nicht, wenn nach Absatz 2 Satz 2 ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand personenbezogene Feststellungen getroffen werden können (vgl BSG Urteil vom 7.2.2002 - B 12 KR 12/01 R - BSGE 89, 158 = SozR 3-2400 § 28f Nr 3, SozR 3-2400 § 14 Nr 22, Juris RdNr 20). Der Kläger legt daher (auch) nicht dar, dass der von ihm dem Urteil des BSG vom 17.12.1985 vermeintlich entnommene Rechtssatz überhaupt weiterhin Gültigkeit behaupten könnte.
2. Auch die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache legt der Kläger nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise dar. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 RK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger wirft auf Seite 8 der Beschwerdebegründung folgende Frage auf:
"Unter welchen Voraussetzungen ist ein unverhältnismäßiger Aufwand im Sinne des § 28 f Abs. 2 SGB IV gegeben, der die zuständige Behörde zum Erlass eines Summenbeitragsbescheides ermächtigt?"
Der Kläger legt die Klärungsbedürftigkeit der von ihm in den Raum gestellten Frage nicht dar. Er befasst sich weder mit der Vorschrift, ihrer Entstehungsgeschichte und den Gesetzgebungsmaterialien noch untersucht er die bereits vorliegende umfangreiche Rechtsprechung des BSG im Hinblick darauf, ob sich hieraus bereits eine Antwort auf die in den Raum gestellte Frage ergibt. Neben einer Auseinandersetzung mit den bereits von ihm in anderem Kontext zitierten Urteilen des BSG hätte insbesondere auch das Urteil des Senats vom 16.12.2015 (B 12 R 11/14 R - BSGE 120, 209 = SozR 4-2400 § 28p Nr 6, RdNr 16, 52 ff) Anlass zu einer vertieften Auseinandersetzung geboten. Eine substantiierte Darlegung der Klärungsbedürftigkeit hat der Kläger jedoch unterlassen.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.
5. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung durch das LSG.
Fundstellen
Haufe-Index 11669449 |
DStR 2018, 12 |