Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 19.12.1996; Aktenzeichen L 18 Kn 91/94)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. Dezember 1996 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig.

Nach § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist eine Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), wenn die angefochtene Entscheidung von höchstrichterlicher Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ihre Nichtzulassungsbeschwerde stützt die Klägerin ausschließlich auf Verfahrensmängel. Bei Verfahrensrügen ist das Rechtsmittel jedoch nur dann zulässig, wenn die Mängel iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG hinreichend „bezeichnet” werden. Diesem Formerfordernis wird die Beschwerdebegründung der Klägerin vom 10. März 1997 nicht gerecht. Deshalb war die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1 und 5; BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30) als unzulässig zu verwerfen.

1. Die Klägerin macht geltend, von der Anwendung des § 11 des Gesetzes über das Apothekenwesen (ApoG) durch das Landessozialgericht (LSG) sei sie überrascht worden; das LSG habe auf eine solche Absicht vor seiner Entscheidung nicht hingewiesen. Damit rügt die Klägerin die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) in Form des Verbots von Überraschungsentscheidungen (§ 202 SGG iVm § 278 Abs 3 der Zivilprozeßordnung ≪ZPO≫).

Die Rüge ist nicht formgerecht erhoben worden. Es kann offenbleiben, ob die Klägerin mit der Behauptung, sie sei von der Anwendung des § 11 ApoG überrascht worden, bereits eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör hinreichend dargetan hat, oder ob weitergehend zu verlangen ist, daß dargelegt wird, die Anwendung dieser Vorschrift habe im gesamten Verfahren keine Rolle gespielt oder das LSG habe zum Ausdruck gebracht, sich darauf nicht stützen zu wollen.

Jedenfalls fehlt es daran, daß nicht zugleich schlüssig vorgetragen wird, um welche rechtlichen oder tatsächlichen Ausführungen die Klägerin im Falle der Gewährung des rechtlichen Gehörs ihr bisheriges Vorbringen erweitert hätte und daß das Gericht daraufhin möglicherweise zu einer anderen, für sie günstigeren Entscheidung gekommen wäre (BSG SozR 1500 § 160a Nr 36; Meyer-Ladewig, Komm zum SGG, 5. Aufl 1993, § 160 RdNr 22 und § 160a RdNr 16c mwN). Die Behauptung, daß der anwesende Arzt B. … dann als Sachverständiger oder als sachverständiger Zeuge hätte vernommen werden müssen, ist nicht nachvollziehbar, weil nicht erklärt wird, zu welchem Punkt diese Beweisperson welche entscheidungserhebliche Aussage gemacht hätte.

2. Die Klägerin rügt ferner die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch Nichtgewährung der mit Schriftsatz vom 25. Oktober 1994 beim SG beantragten Einsichtnahme (§ 120 Abs 1 SGG) in die Verwaltungsakten des Beklagten. Auch dieses Vorbringen genügt nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, daß sie den Antrag auf Akteneinsicht im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens erneuert und in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 19. Dezember 1996 wiederholt bzw aufrechterhalten hat. Dies wäre aber erforderlich gewesen (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 5 und BSG SozR 1500 § 160a Nr 61).

3. Soweit das LSG sich auf den Inhalt der Akten des Verfahrens S 34 Kr 113/93 des SG Düsseldorf (Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung in vorliegender Sache) bezogen hat, ist die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ebenfalls nicht hinreichend „bezeichnet” worden. Es fehlt der Vortrag, welche Folgerungen die Klägerin aus der Verwertung der Akten für das laufende Verfahren gezogen hätte.

4. Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör wegen Verwertung des Urteils des 11. Senats des LSG Nordrhein-Westfalen vom 26. Juni 1996 – L 11 Ka 155/94 –, das der Klägerin nicht bekannt gewesen sei, ist gleichfalls nicht formgerecht dargelegt worden.

Die Klägerin hat weder die aus dem Urteil entnommenen Tatsachen bestritten noch, wie es erforderlich gewesen wäre (BSG SozR 1500 § 160a Nr 36; Meyer-Ladewig aaO), vorgetragen, welche Hinweise rechtlicher oder tatsächlicher Art sie gegeben hätte, wenn das LSG auf die Verwertung dieser Teile des Urteils des 11. Senats aufmerksam gemacht hätte.

5. Die Beschwerde ist ebenfalls unzulässig, soweit die Klägerin eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) rügt.

Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG kann ein Verfahrensmangel auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dabei muß es sich um einen Beweisantrag handeln, der in der mündlichen Verhandlung erstmals gestellt oder, wenn er schriftsätzlich vorgetragen worden war, in der mündlichen Verhandlung wiederholt bzw aufrechterhalten worden ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 12; BSG SozR 1500 § 160a Nrn 61, 64). Die Klägerin hat nicht vorgetragen, daß sie die Vernehmung des in der mündlichen Verhandlung anwesenden Arztes B. … am 19. Dezember 1996 (nochmals) beantragt hat, noch ergibt sich dies aus der Sitzungsniederschrift vom 19. Dezember 1996. Das Übergehen sonstiger Beweisanträge hat die Klägerin ebenfalls nicht vorgetragen.

6. Die Rüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) im Zusammenhang mit Absprachen zwischen der Klägerin und dem Kassenarzt Dr. B … ist bereits deshalb ausgeschlossen, weil sie sich nicht auf die verfahrensfehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrages bezieht.

7. Soweit die Klägerin bemängelt, das LSG habe zu Unrecht die Verletzung des § 11 ApoG angenommen, die festgestellten Tatsachen reichten für eine solche Annahme nicht aus, handelt es sich um Kritik an der richterlichen Überzeugungsbildung. Eine darauf basierende Verfahrensrüge ist nach § 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 128 Abs 1 Satz 1 SGG generell ausgeschlossen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173647

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