Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache. Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage. Arbeitsförderung. Insolvenzgeldzeitraum. Einbeziehung von Zeiten des Ruhens der arbeitsvertraglichen Hauptpflichten. Beschwerdebegründung. Aufzeigen von Unklarheiten. Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Schrifttum
Orientierungssatz
Erachtet der Beschwerdeführer einer Nichtzulassungsbeschwerde die Frage, ob in den Insolvenzgeldzeitraum gem § 165 Abs 1 S 1 SGB 3 Zeiten einzubeziehen sind, in denen die beiderseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis aufgrund einer verbindlichen Vereinbarung ruhen, als grundsätzlich bedeutsam, muss er im Rahmen der Beschwerdebegründung für die Klärungsbedürftigkeit der Frage zumindest aufzeigen, inwieweit die Rechtslage unklar ist bzw welche Anhaltspunkte zur Auslegung der einschlägigen Norm sich Rechtsprechung und Schrifttum entnehmen lassen.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3; SGB III § 165 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
SG Berlin (Urteil vom 05.11.2018; Aktenzeichen S 84 AL 1213/15) |
LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 03.12.2021; Aktenzeichen L 14 AL 171/18) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Dezember 2021 wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundessozialgericht gegen die vorgenannte Entscheidung Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt K beizuordnen, wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 SGG).
Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung des Klägers nicht gerecht.
Dabei kann dahinstehen, ob die Beschwerdebegründung überhaupt aus sich heraus verständliche abstrakt-generelle Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht enthält (siehe zu diesen Anforderungen BSG vom 12.8.2021 - B 12 R 11/21 B - juris RdNr 8; BSG vom 8.9.2021 - B 11 AL 42/21 B - juris RdNr 3 mwN; BSG vom 18.10.2021 - B 9 V 29/21 B - juris RdNr 7; BSG vom 20.10.2021 - B 5 R 230/21 B - juris RdNr 3). Ihr ist zumindest zu entnehmen, dass in dem angestrebten Revisionsverfahren geklärt werden soll, ob in den Insolvenzgeldzeitraum (§ 165 Abs 1 Satz 1 SGB III) "Zeiten einzubeziehen sind, in denen die beiderseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis aufgrund einer verbindlichen Vereinbarung ruhten", und welche Anforderungen an die erforderliche Sorgfalt iS von § 324 Abs 3 Satz 3 SGB III zu stellen sind.
Indes lässt die Beschwerdebegründung die Klärungsbedürftigkeit dieser Fragen nicht erkennen. Sie beschränkt sich insoweit auf die Behauptung, hierzu lägen keine Entscheidungen des BSG vor, was nicht genügt (stRspr; zuletzt BSG vom 27.4.2022 - B 9 V 43/21 B - juris RdNr 8). Vielmehr hätte zumindest ausgeführt werden müssen, inwieweit die Rechtslage unklar ist bzw welche Anhaltspunkte zur Auslegung der einschlägigen Normen sich Rechtsprechung und Schrifttum entnehmen lassen.
Schließlich ist der Senat anhand des Beschwerdevorbringens auch nicht in der Lage, die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfragen zu beurteilen. Dies setzt voraus, dass der tatrichterlich festgestellte Sachverhalt - soweit relevant - zusammenhängend dargestellt wird (BSG vom 21.6.1999 - B 7 AL 228/98 B - juris RdNr 10 f mwN; BSG vom 23.3.2021 - B 13 R 149/20 B - juris RdNr 6 f). Daran fehlt es hier. Soweit die Beschwerdebegründung überhaupt Informationen zum Sachverhalt enthält, bleibt offen, ob diese den Feststellungen des LSG entsprechen, weil insoweit mehrfach auf die klägerische Berufungsbegründung verwiesen wird.
Soweit der Kläger die Beschwerde mit dem knappen Hinweis, das LSG habe auch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) verletzt, zusätzlich auf einen Verfahrensmangel stützen sollte, ist auch dieser nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet worden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Denn die Beschwerdebegründung, in der es der Kläger bereut, sich "auf ein schriftliches Verfahren eingelassen zu haben", lässt nicht erkennen, was er selbst unternommen hat, um sich im Berufungsverfahren Gehör zu verschaffen (zu dieser Anforderung zuletzt BSG vom 11.5.2022 - B 9 SB 67/21 B - juris RdNr 9 mwN). Darüber hinaus wird nicht ausgeführt, warum das Urteil des LSG auf dem behaupteten Verstoß beruhen kann.
PKH gemäß § 73a SGG iVm § 114 ZPO ist dem Kläger nicht zu bewilligen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach den vorstehenden Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Damit scheidet die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH aus (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG.
Meßling Söhngen B. Schmidt
Fundstellen