Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 14.01.1994) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. Januar 1994 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Sie ist nicht fristgerecht begründet worden und daher als nicht prozeßordnungsgemäß zu verwerfen.
Die Klägerin legte gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 14. Januar 1994, das ihr am 23. Februar 1994 zugestellt worden war, am 14. März 1994 durch ihren damaligen Prozeßbevollmächtigten Beschwerde ein (5 BJ 48/94). Sie nahm die Beschwerde am 27. Juni 1994 zurück.
Mit einem am 23. Februar 1995 eingegangenen Schriftsatz hat sie erneut Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. In der am 23. März 1995 eingegangenen Beschwerdebegründung macht sie geltend, ihre jetzige Beschwerde sei mit Rücksicht auf § 66 Abs 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) rechtzeitig, da der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils der Hinweis fehle, daß die Revision auch bei Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zuzulassen sei. Die frühere Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde hindere die wiederholte (fristgerechte) Einlegung nicht. Gestützt werde der Rechtsbehelf auf einen Verfahrensmangel (Verstoß gegen § 103 SGG iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG iVm § 109 SGG).
Ob es verfahrensrechtlich möglich ist, eine Nichtzulassungsbeschwerde nach Zurücknahme zu erneuern, wenn die Frist zur Einlegung des Rechtsbehelfs noch nicht abgelaufen ist (so der 7. Senat des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ im Beschluß vom 2. März 1995 – 7 BAr 196/94; SozR 3-1500 § 66 Nr 3), kann dahinstehen. Die Klägerin hat ihre jetzige Beschwerde jedenfalls nicht rechtzeitig begründet.
Zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde ist für die Klägerin nach § 66 Abs 2 Satz 1 SGG an die Stelle der Fristen des § 160a Abs 1 Satz 2 und Abs 2 Satz 1 SGG eine Jahresfrist getreten, die mit der Zustellung des angefochtenen Urteils am 23. Februar 1994 begonnen und am 23. Februar 1995 geendet hat. Die der Klägerin in dem angefochtenen Urteil erteilte Rechtsmittelbelehrung ist „unrichtig” iS des § 66 Abs 2 Satz 1 SGG. Die Belehrung enthält nicht den – durch Art 4 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das BVerfG vom 2. August 1993 (BGBl I 1442) notwendig gewordenen – Hinweis, daß für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG auch eine Abweichung von einer Entscheidung des BVerfG in Betracht kommt. Wie schon der 7. Senat des BSG in seinem zitierten Beschluß vom 2. März 1995 näher ausgeführt hat, stellt diese Unterlassung eine Unvollständigkeit der Rechtsmittelbelehrung dar, die zur Anwendung des § 66 Abs 2 Satz 1 SGG führt. Der erkennende Senat schließt sich dem an. Da die Änderung des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG zum 3. August 1993 in Kraft trat (Art 10 des Gesetzes) und damit bereits im Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Urteils galt, stand der Klägerin nach § 66 Abs 2 Satz 1 SGG zur „Einlegung des Rechtsbehelfs” ein Jahr zur Verfügung.
Innerhalb dieses Zeitraums mußte die Klägerin die Beschwerde iS von § 160a Abs 1 Satz 2 SGG sowohl „eingelegt” als auch „begründet” haben. Diese gleichartige Behandlung der Revisions(einlegungs)schrift und der Revisionsbegründungsschrift folgt aus dem Regelungsgehalt des § 66 Abs 1 SGG und der Eigenart der Jahresfrist des § 66 Abs 2 Satz 1 SGG.
Für den mit § 66 Abs 1 SGG wortidentischen § 58 Abs 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hat bereits das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in seinem Beschluß vom 8. Februar 1968 – III C 20/67; NJW 1968, 1153 – darauf hingewiesen, daß dort der Rechtsbegriff „Rechtsmittel” und dessen Oberbegriff „Rechtsbehelf” in dem Sinn gebraucht sind, daß Rechtsmittel und Rechtsbehelf nebst ihrer Begründung als Einheit angesehen werden, und zwar auch im Fall der zwingend vorgesehenen und fristgebundenen Revisionsbegründung. Dann sei unter dem Begriff „Rechtsbehelf” in § 58 Abs 2 Satz 1 VwGO in gleicher Weise die Revision nebst der Revisionsbegründung zu verstehen. Da § 58 Abs 2 Satz 1 VwGO mit § 66 Abs 2 Satz 1 SGG ebenfalls wortidentisch ist, hat der erkennende Senat keine Bedenken, die Erwägung des BVerwG für die Regelung des SGG zu übernehmen.
Dasselbe gilt für die Ausführungen des BVerwG zum Regelungsgehalt des § 58 Abs 2 Satz 1 VwGO. Die Jahresfrist sei eine Ausschlußfrist, innerhalb deren der Rechtsbehelfsführer alles getan haben müsse, was unter dem Gesichtspunkt der Einhaltung von Fristen für die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs notwendig sei. Da die fristgerechte Begründung bei der Revision zu diesen Zulässigkeitsvoraussetzungen gehöre, müsse auch die Revisionsbegründungsschrift innerhalb der Jahresfrist eingereicht sein. Mit Rücksicht darauf, daß die Nichtzulassungsbeschwerde wie die Revision sowohl in Einlegung als auch Begründung an spezifische Fristen gebunden ist, deren Versäumung zur Unzulässigkeit des Rechtsbehelfs führt, ist auch diese zur Revisionseinlegung angestellte Überlegung auf die Einlegung der Beschwerde nach § 160a SGG übertragbar.
Die somit wegen Fristversäumung unzulässige Beschwerde der Klägerin mußte verworfen werden. Dies konnte gemäß § 202 SGG iVm § 574 der Zivilprozeßordnung und § 169 SGG analog durch Beschluß ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter erfolgen (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1 und 5; BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen