Verfahrensgang
SG Dessau-Roßlau (Entscheidung vom 07.11.2017; Aktenzeichen S 6 RS 1/15) |
LSG Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 20.04.2020; Aktenzeichen L 3 R 126/18) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 20. April 2020 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Das LSG Sachsen-Anhalt hat mit Beschluss vom 20.4.2020 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Dessau-Roßlau vom 7.11.2017 zurückgewiesen. Ein Anspruch des Klägers auf Aufhebung der nach § 44 SGB X ergangenen Bescheide vom 5.3.2014 und 15.7.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.1.2015 bestehe nicht. Soweit darin für die Zeit vom 1.3.1970 bis zum 31.12.1978 die betrieblichen Voraussetzungen für die Anerkennung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) verneint würden, sei ausdrücklich festgestellt, dass es dennoch bei der Anerkennung dieser Zeiten im Bescheid vom 19.11.2002 verbleibe, weil die Voraussetzungen für die Rücknahme des Bescheids nach § 45 SGB X nicht vorlägen. Insofern sei die Klage bereits unzulässig. Ebenfalls unzulässig sei die Klage, soweit der Kläger für diesen Zeitraum die Berücksichtigung der Jahresendprämien beantrage, weil er mit seiner Klage ausschließlich die Feststellung der Zeiten vom 1.3.1970 bis zum 31.12.1978 als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech begehrt habe. Die entsprechende Regelung im Überprüfungsbescheid vom 15.7.2014 sei daher bestandskräftig geworden.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Verfahrensfehler geltend (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 3 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Es kann offenbleiben, ob die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde bereits daran scheitert, dass es an einer nachvollziehbaren Darstellung des zugrundeliegenden Sachverhalts fehlt (vgl dazu BSG Beschluss vom 14.2.2020 - B 9 V 41/19 B - juris RdNr 5 mwN). Jedenfalls legt die Beschwerdebegründung weder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch einen Verfahrensfehler hinreichend dar. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (stRspr, zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN; s auch Fichte in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl 2020, § 160a RdNr 32 ff).
Der Kläger formuliert als Frage von grundsätzlicher Bedeutung,
"ob die Tätigkeit im streitigen Zeitraum (01.03.1970 - 31.12.1978) im VEB Industriemontagen gleichzustellen ist mit einer Tätigkeit in einem volkseigenen Produktionsbetrieb (Industrie oder Bau) im Sinne der Versorgungsordnungen".
Dabei handelt es sich schon nicht um eine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht, sondern um die Frage, ob das LSG hinsichtlich des genannten VEB eine zutreffende Subsumtion vorgenommen hat. Zudem legt der Kläger weder die Klärungsbedürftigkeit noch die Klärungsfähigkeit dieser Frage auch nur ansatzweise dar. Es fehlt jede Auseinandersetzung sowohl mit der einschlägigen Rechtsprechung des BSG (vgl nur BSG Urteile vom 19.7.2011, 28.9.2011 und 9.5.2012 ua - B 5 RS 7/10 R - BSGE 108, 300 = SozR 4-8570 § 1 Nr 18, RdNr 24 ff; B 5 RS 8/10 R - juris RdNr 19; B 5 RS 8/11 R - juris RdNr 21) als auch mit den tragenden Gründen des LSG-Beschlusses. Soweit der Kläger vorträgt, es sei höchstrichterlich noch nicht entschieden, ob "die vom Betrieb des Klägers produzierten Anlagen und Sachgüter … ausreichen für die Erfüllung der betrieblichen Voraussetzungen", legt er keine abstrakte Klärungsbedürftigkeit dar, sondern begehrt eine Subsumtion des BSG in Bezug auf seinen Betrieb. Dies vermag eine Nichtzulassungsbeschwerde indes nicht zu begründen.
Auch soweit der Kläger der Frage der Beweislastverteilung für den Erhalt der Jahresendprämien grundsätzliche Bedeutung beimisst, lässt die Beschwerdebegründung jeden substantiierten Vortrag zu Klärungsbedürftigkeit (vgl dazu nur BSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 RS 7/17 R - juris RdNr 30 mwN) und Klärungsfähigkeit vermissen.
2. Auch einen Verfahrensmangel hat der Kläger nicht hinreichend bezeichnet.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Beschlusses besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Der Kläger rügt hier einen Verstoß gegen § 123 SGG(zu den Darlegungsanforderungen vgl BSG Beschluss vom 9.1.2019 - B 13 R 25/18 B - juris RdNr 6 ff) . Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Bei unklaren Anträgen muss das Gericht mit den Beteiligten klären, was gewollt ist, und vor allem bei nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten darauf hinwirken, dass sachdienliche und klare Anträge gestellt werden (§ 106 Abs 1, § 112 Abs 2 Satz 2 SGG; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 123 RdNr 3; Schmidt, aaO, § 112 RdNr 8). Im Übrigen ist das Gewollte, also das mit der Klage bzw der Berufung verfolgte Prozessziel, bei nicht eindeutigen Anträgen im Wege der Auslegung festzustellen (vgl etwa BSG Urteil vom 22.3.1988 - 8/5a RKn 11/87 - BSGE 63, 93, 94 = SozR 2200 § 205 Nr 65 S 180 = juris RdNr 11). Dabei ist unter Heranziehung von § 133 BGB der wirkliche Wille zu erforschen. Zugrunde zu legen sind insoweit der Wortlaut des Begehrens, aber auch die sonstigen Umstände des Falles, die für das Gericht und die anderen Beteiligten erkennbar sind (vgl nur BSG Urteil vom 25.6.2002 - B 11 AL 23/02 R - juris RdNr 21; BSG Beschluss vom 8.11.2005 - B 1 KR 76/05 B - SozR 4-1500 § 158 Nr 2 RdNr 6). Im Zweifel ist davon auszugehen, dass nach Maßgabe des Meistbegünstigungsprinzips alles begehrt wird, was dem Kläger aufgrund des Sachverhalts rechtlich zusteht (vgl etwa BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 16). Bei einem Rechtsanwalt oder anderen qualifizierten Prozessbevollmächtigten ist in der Regel anzunehmen, dass der Wortlaut des Antrags das wirklich Gewollte wiedergibt (BSG Beschluss vom 5.6.2014 - B 10 ÜG 29/13 B - juris RdNr 12).
Der Kläger trägt zu seiner Rüge vor, es müssten die betrieblichen Voraussetzungen geklärt werden, weil die Beklagte ihm "nach wie vor 3,31 Rentenpunkte ab(ziehe)". Worauf dieser Vortrag abzielt, ist nicht nachvollziehbar, zumal die Beklagte als Zusatzversorgungsträger keine "Rentenpunkte" oder persönlichen Entgeltpunkte zuerkennt oder abzieht. Der Kläger räumt ein, im Schriftsatz vom 6.9.2018 erklärt zu haben, dass die Jahresendprämien kein Klagegegenstand gewesen seien; die Ausführungen im Urteil des SG hierzu seien "damit entbehrlich". Warum das LSG bei dieser Erklärung nicht davon ausgehen durfte, dass die Regelung zu den Jahresendprämien nicht mehr angegriffen werde, legt der Kläger nicht hinreichend dar. Soweit er darauf verweist, dass das SG hierzu Ausführungen gemacht habe, trägt er nicht vor, welche Anträge er dort gestellt hat und wozu sich sein Sachvortrag verhielt. Ebenso wenig ergeben sich aus der Beschwerdebegründung weitere Umstände, die entgegen der ausdrücklichen Erklärung auf den Willen des Klägers schließen ließen, im Berufungsverfahren auch sein Begehren hinsichtlich der Jahresendprämien weiter zu verfolgen. Inwiefern der Kläger lediglich seine Darlegungslast verkannt und eine "unglückliche" Formulierung gewählt haben soll, erläutert die Beschwerdebegründung nicht. Allein die Bewertung, dass eine Weiterverfolgung seines Begehrens auf Berücksichtigung der Jahresendprämien in seinem wohlverstandenen Interesse liege, reicht angesichts seiner eindeutigen Aussage nicht aus, um einen Verstoß gegen § 123 SGG schlüssig darzulegen.
Auch eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG; Art 103 Abs 1 GG) durch eine Überraschungsentscheidung legt der Kläger nicht hinreichend dar. Insofern hätte er vorbringen müssen, dass das LSG sich ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf einen Gesichtspunkt gestützt habe, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl zu den Darlegungsanforderung etwa BSG Beschluss vom 21.1.2020 - B 13 R 287/18 B - juris RdNr 11 ff mwN). Der Kläger erachtet es als überraschend, dass das LSG das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzungen als unerheblich angesehen hat. Das ist bereits deshalb nicht schlüssig, weil zum einen nicht substantiiert ist, inwiefern das LSG die betrieblichen Voraussetzungen als "unerheblich" angesehen hat und zum anderen nicht dargelegt ist, inwiefern die Entscheidung des LSG auf dem behaupteten Gehörsverstoß beruht.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14226260 |