Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde. Grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache. Überprüfung der vorgenommenen Subsumtion. Darlegung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Wunsch nach einer höchstrichterlichen Überprüfung der von der Vorinstanz vorgenommenen Subsumtion vermag die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nicht zu begründen.

2. Eine Beschwerdebegründung genügt nicht den für die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erforderlichen Anforderungen, wenn sie zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend die zugrunde liegende Rechtsvorschrift und die dazu schon ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung in den Blick nimmt.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3, Abs. 4 Sätze 1-2, §§ 162, 169; SGB I § 33a Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

SG Mainz (Entscheidung vom 25.11.2022; Aktenzeichen S 11 R 146/20)

LSG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 11.09.2023; Aktenzeichen L 4 R 6/23)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. September 2023 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte an den Kläger eine neue Versicherungsnummer (VSNR) mit geändertem Geburtsdatum zu vergeben hat.

Der in der Türkei geborene Kläger teilte am 13.1.1994 unter Vorlage seiner Heiratsurkunde gegenüber einem Leistungsträger in Deutschland den 1965 als sein Geburtsdatum mit. Daraufhin wurde ihm von der Beklagten die VSNR 65 zugeteilt. Am 18.2.2019 erfolgte im türkischen Standesregister eine Berichtigung des Geburtsdatums auf den 1960. Den Antrag des Klägers, ihm eine neue VSNR mit dem Geburtsdatum 1960 zu vergeben, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 17.4.2019). Der Widerspruch des Klägers ist erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 30.4.2020). Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 25.11.2022). Mit Beschluss vom 11.9.2023 hat das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Berichtigung der VSNR. Die Voraussetzungen des § 33a Abs 2 SGB I lägen nicht vor. Insbesondere ergebe sich nicht aus einer Urkunde, deren Original vor dem 13.1.1994 ausgestellt worden sei, ein anderes Geburtsdatum.

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht.

II

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Der Kläger hat den Revisionszulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung nicht hinreichend bezeichnet (vgl § 160 Abs 2 Nr 1 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. In der Beschwerdebegründung ist daher zunächst aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten revisiblen Norm iS des § 162 SGG stellt. Sodann ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung darzutun, weshalb deren Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist aufzuzeigen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (s etwa BSG Beschluss vom 4.5.2023 - B 5 R 30/23 B - juris RdNr 6 mwN).

Der Kläger formuliert als Fragen von grundsätzlicher Bedeutung:

"1. Ist die Entscheidung des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz mit dem Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte sowie dem Sinn und Zweck des § 33a SGB I und dem grundsätzlich geschützten Eigentumsrecht des Klägers auf Auszahlung der ihm zu gegebener Zeit zustehenden Rente zu vereinbaren, soweit bei Zugrundelegung des § 33a Abs. 2 SGB I die vorgelegten Auszüge aus den Notenbüchern die Anforderung der Urkunde im Sinnen von § 33 SGB I erfüllen, sowie die Ausstellung des Originals dieser Urkunden auch vor der ersten Angabe des Geburtsdatums gegenüber einem Sozialleistungsträger in Deutschland erfolgt ist,

2. Liegt ein Widerspruch und damit ein Verstoß gegen den Grundsatz des § 33 a Abs. 2 SGB I vor, wenn in der streitgegenständlichen Entscheidung zwar zu Recht angenommen wird, dass es dem Grundsatz § 33a Abs. 2 SGB I Genüge getan ist, wenn selbst das zwar nicht verlange, dass das Geburtsdatum als solches in der Urkunde ausdrücklich und vollständig vermerkt ist und es genüge, wenn die durch die Urkunde bewiesenen Tatsachen zur vollen Überzeugung des Gerichts auf ein abweichendes Geburtsdatum im Sinne von § 33 a Abs. 2 SGB I schließen lassen, wie auch im BSG, Urteil vom 28.04.2004 - B 5 RJ 33/03 R. Aber dennoch ein konkretes Geburtsdatum voraussetzt und zu Unrecht davon ausgegangen wird, dass die vorgelegten Urkunden keinen entsprechenden Rückschluss zulassen und aus diesen sich kein anderes Geburtsdatum ergebe."

Es kann dahinstehen, ob - ungeachtet der schwer nachvollziehbaren Formulierung - damit eine Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG bezeichnet ist, welche sich auf eine verallgemeinerungsfähige abstrakt-generelle Aussage beziehen muss, die sich im Zusammenhang mit der Interpretation einer bestimmten Rechtsvorschrift stellt (vgl BSG Beschluss vom 6.1.2022 - B 5 LW 2/21 B - juris RdNr 13 mwN). Die Bezugnahme auf gleich mehrere Sachverhaltselemente in ihrer Kombination deutet darauf hin, dass der Kläger vom BSG eine Antwort darauf erhalten will, ob das Ergebnis der Rechtsanwendung des LSG in seiner Sache richtig ist. Der Wunsch nach einer höchstrichterlichen Überprüfung der von der Vorinstanz vorgenommenen Subsumtion vermag die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache jedoch nicht zu begründen (vgl BSG aaO; BSG Beschluss vom 29.6.2022 - B 5 R 98/22 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 25.8.2022 - B 5 R 83/22 B - RdNr 11; BSG Beschluss vom 16.11.2022 - B 5 R 121/22 B - juris RdNr 15).

Jedenfalls genügt die Beschwerdebegründung bereits deshalb nicht den oben genannten Anforderungen, weil sie zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend die zugrunde liegende Rechtsvorschrift und die dazu schon ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung in den Blick nimmt. Zu § 33a SGB I existiert bereits eine umfangreiche Rechtsprechung des BSG (vgl Urteil vom 19.5.2004 - B 13 RJ 26/03 R - SozR 4-1200 § 33a Nr 2; Urteil vom 28.4.2004 - B 5 RJ 33/03 R - juris; Urteil vom 31.1.2002 - B 13 RJ 9/01 R - juris; Urteil vom 5.4.2001 - B 13 RJ 35/00 R - BSGE 88, 89 = SozR 3-1200 § 33a Nr 4; Urteil vom 19.10.2000 - B 8 KN 3/00 R - juris; EuGH-Vorlage vom 31.3.1998 - B 8 KN 7/95 R - juris; Urteil vom 31.3.1998 - B 8 KN 5/95 R - SozR 3-1200 § 33a Nr 1; Urteil vom 31.3.1998 - B 8 KN 11/95 R - SozR 3-1200 § 33a Nr 2; EuGH-Vorlage vom 17.2.1998 - B 13 RJ 31/96 R - juris) sowie ein Urteil des EuGH (vgl Urteil vom 14.3.2000 - C-102/98, C-211/98 - SozR 3-6940 Art 3 Nr 1), worauf das LSG in seiner Entscheidung ausdrücklich eingegangen ist. Der Kläger hat sich mit dem Inhalt dieser gefestigten Rechtsprechung jedoch nicht ansatzweise befasst und lässt jegliche inhaltliche Auseinandersetzung vermissen.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 iVm § 193 Abs 1 und 4 SGG.

Düring

Hannes

Hahn

 

Fundstellen

Dokument-Index HI16186694

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