Verfahrensgang
LSG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 22.02.2017; Aktenzeichen L 3 R 246/16) |
SG Magdeburg (Entscheidung vom 26.04.2016; Aktenzeichen S 43 R 706/12) |
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 22. Februar 2017 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
Mit Urteil vom 22.2.2017 hat das LSG Sachsen-Anhalt einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint.
Der Kläger macht mit seiner beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG ausschließlich Verfahrensmängel geltend.
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung seines Prozessbevollmächtigten vom 8.5.2017 genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).
Zur Bezeichnung eines Verfahrensmangels müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (stRspr, vgl Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4 mwN; BSG Beschluss vom 20.2.2018 - B 10 LW 3/17 B - Juris RdNr 4). Zu beachten ist, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG).
Eine zulässige Verfahrensrüge liegt nicht vor.
1. Der Kläger macht unter 1. seiner Beschwerdebegründung die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) geltend, weil das LSG seine Einwendungen im Schriftsatz vom 30.8.2016 insbesondere im Hinblick auf den Zeitpunkt der festgestellten Minderung der Leistungsfähigkeit nicht in Erwägung gezogen habe. Eine Auseinandersetzung damit finde in dem Urteil nicht statt. Die entsprechenden Argumente würden nicht einmal erwähnt, sodass nicht ausgeschlossen werden könne, ob eingedenk der Urteilsgründe diese Ausführungen überhaupt nicht gesehen worden seien. Insoweit zitiert der Kläger auszugsweise aus den Entscheidungsgründen des LSG; dieses habe zum Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung auf die aus seiner Sicht überzeugenden Ausführungen des SG verwiesen, denen nichts hinzuzufügen sei.
Die Beschwerdebegründung gibt damit jedoch den Sachverhalt nicht ausreichend wieder, aus dem sich die Gehörsverletzung ergeben soll. Es fehlt die Darstellung, mit welchen Argumenten sich die Entscheidungsgründe des LSG-Urteils im Einzelnen hätten auseinandersetzen müssen. Allein der Verweis auf einen Schriftsatz und die Behauptung des Klägers, eine Befassung mit den von ihm vorgebrachten Argumenten hätte erfolgen müssen, versetzt den Senat nicht in die Lage zu beurteilen, ob die Erwägensrüge berechtigt sein könnte.
Insbesondere hätte der Kläger darstellen müssen, welches konkrete Argument zu den in Bezug genommenen Ausführungen des SG in Widerspruch stehe und zum zentralen Vorbringen im Berufungsverfahren gehörte, mit dem sich das LSG zur Wahrung des rechtlichen Gehörs unbedingt im Einzelnen hätte auseinandersetzen müssen, obwohl das Gericht grundsätzlich nicht verpflichtet ist, in den Gründen seiner Entscheidung jegliches Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden (vgl BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 27.5.2016 - 1 BvR 1890/15 - Juris RdNr 14 f). Zum Vorbringen, die Ausführungen seien übersehen worden, hätte er außerdem darlegen müssen, ob das LSG die im Schriftsatz vom 30.8.2016 erfolgte Berufungsbegründung auch im Tatbestand unerwähnt gelassen hat. Denn bei vom Gericht entgegengenommenem Vorbringen der Beteiligten ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Ausführungen zur Kenntnis und in Erwägung gezogen worden sind (vgl BVerfG aaO).
Das Verfahrensgrundrecht aus Art 103 Abs 1 GG schützt auch nicht davor, dass das Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt bleibt (vgl BVerfGE 69, 145, 148 f; 70, 288, 294; 96, 205, 216). Ebenso wenig bietet es Schutz davor, dass das Gericht die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt (vgl BVerfGE 64, 1, 12). Es reicht daher auch zur Darlegung des Beruhens nicht aus, pauschal zu behaupten, die Entscheidung des LSG wäre bei näherer Befassung mit seinen Argumenten möglicherweise anders ausgefallen. So hätte der Kläger aufzeigen müssen, wieso etwa sein im Schriftsatz vom 30.8.2016 enthaltener Hinweis auf die negativen Hafterfahrungen des Klägers als Ursache einer posttraumatischen Belastungsstörung das LSG zur Annahme eines früheren Eintritts der Erwerbsminderung hätte veranlassen können, obwohl er darin selbst auch eine Besserung nach der Verlegung einräumt.
2. Wie sich aus dem Beschwerdevortrag unter 3. ergibt, zielt das Vorbringen des Klägers im Kern darauf ab, dass das LSG aufgrund seiner Angriffe von Amts wegen ein psychiatrisch-neurologisches Gutachten zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls hätte einholen müssen. Damit erhebt der Kläger aber keine zulässige Sachaufklärungsrüge. Als Voraussetzung für eine solche Rüge hätte er darlegen müssen, insoweit einen prozessordnungsgemäßen bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrag gestellt zu haben (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG). Denn nur dann hätte nach Sinn und Zweck des § 160 Abs 2 Nr 3 letzter Teils SGG ein Beweisantrag die Warnfunktion dahingehend erfüllt, dass ein Beteiligter die Sachaufklärungspflicht des Gerichts (§ 103 SGG) noch nicht als erfüllt ansieht (stRspr, vgl Senatsbeschluss vom 5.2.2015 - B 13 R 372/14 B - Juris RdNr 10 mwN). Dass dies geschehen sei, behauptet der Kläger aber nicht. Vielmehr hat er es selbst in Abrede gestellt, indem er eine Ermittlungspflicht des LSG "auch ohne dass entsprechender Beweisantrag neuerlich gestellt worden ist" einfordert.
Die - hier nicht erfüllten - Anforderungen an eine ordnungsgemäße Sachaufklärungsrüge können nicht dadurch umgangen werden, dass der Vorhalt unzureichender Sachaufklärung in der Gestalt einer Gehörsrüge geltend gemacht wird (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - Juris RdNr 12 f; BSG Beschluss von 28.9.2010 - B 5 R 202/10 B - Juris RdNr 11 mwN).
3. Eine zulässige Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt auch nicht darin, dass der Kläger unter 2. seiner Beschwerdebegründung vorträgt, das LSG sei seiner Bitte, die Gesundheitsakten der JVA beizuziehen und zur weitergehenden Berufungsbegründung zur Verfügung zu stellen, nicht nachgekommen.
Denn in der Bitte um Beiziehung dieser Urkunden liegt ein Beweisantrag, zu dem der Kläger erneut nicht dargelegt hat, dass er diesen bis zuletzt aufrechterhalten hat. Einem - wie hier - rechtskundig vertretenen Beteiligten, der vorbehaltlos sein Einverständnis gemäß § 124 Abs 2 SGG erklärt, muss aufgrund der entsprechenden Anfrage klar sein, dass das Gericht ohne weitere Sachverhaltsaufklärung entscheiden will. Will ein Beteiligter dies vermeiden, muss er das Einverständnis verweigern oder auf der Durchführung der beantragten Beweisaufnahme beharren (vgl Senatsbeschluss vom 25.11.2013 - B 13 R 339/13 B - Juris RdNr 10). Hierzu hat der Kläger aber nichts vorgetragen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI12903221 |