Verfahrensgang
SG Stuttgart (Entscheidung vom 24.11.2017; Aktenzeichen S 10 KA 3079/16) |
LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 06.11.2018; Aktenzeichen L 5 KA 896/18) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 6. November 2018 wird verworfen.
Der Kläger hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5885,03 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Der Kläger, der als Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Kardiologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, begehrt höheres Honorar für die Quartale 1/2011, 2/2011 und 3/2011.
Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) wies dem Kläger ein Regelleistungsvolumen (RLV) für das Quartal 1/2011 in Höhe von 57 502,90 Euro, für das Quartal 2/2011 in Höhe von 50 279,94 Euro und für das Quartal 3/2011 in Höhe von 47 357 Euro zu (Zuweisungsbescheide vom 24.11.2010, 23.2.2011 und 24.5.2011). Mit Honorarbescheiden vom 15.7.2011, 17.10.2011 und 16.1.2012 setzte die Beklagte das Honorar des Klägers auf 66 358,87 Euro (Quartal 1/2011), 60 285,89 Euro (Quartal 2/2011) und 51 179,18 Euro (Quartal 3/2011) fest. Hierbei berücksichtigte sie ein RLV von 56 628,40 Euro (Quartal 1/2011), 47 529,47 Euro (Quartal 2/2011) und 43 538,59 Euro (Quartal 3/2011). Der Kläger legte gegen die Honorarbescheide Widerspruch ein und machte die Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten geltend; zudem wandte er sich gegen die Honorarkürzung wegen Überschreitung des RLV und der Vergütung freier Leistungen. Mit Bescheid vom 30.3.2012 erkannte die Beklagte Praxisbesonderheiten an und legte nunmehr der Honorarabrechnung für das Quartal 1/2011 ein RLV in Höhe von 64 128,86 Euro, für das Quartal 2/2011 in Höhe von 53 183,17 Euro und für das Quartal 3/2011 in Höhe von 49 792,91 Euro zugrunde.
Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 24.11.2017 und Beschluss des LSG vom 6.11.2018). Das LSG hat ausgeführt, dass allein die Honorarbescheide Streitgegenstand des Verfahrens seien. Die RLV-Zuweisungsbescheide seien bestandskräftig. Die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage habe sich erledigt, da die Beklagte mit Bescheid vom 30.3.2012 das RLV über die ursprünglich zuerkannten RLV-Zuweisungen hinaus erhöht habe. Soweit der Kläger sein Klagebegehren auf eine Verpflichtungsklage umgestellt habe, mit welcher er die Erhöhung des RLV über den im Bescheid vom 30.3.2012 gewährten Rahmen hinaus begehre, sei die Klage unzulässig. Denn die RLV-Zuweisung sei bestandskräftig. Darüber hinaus sei die Klage auch unbegründet. Soweit der Kläger sich auf Vertrauensschutz berufe, der der nachträglichen Absenkung des RLV im Honorarbescheid entgegenstehe, übersehe er, dass keine nachträgliche RLV-Richtigstellung erfolgt sei. Vielmehr seien die durch den Bescheid vom 30.3.2012 zuerkannten RLV höher als die in den ursprünglichen Zuweisungsbescheiden festgesetzten RLV.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG macht der Kläger einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend.
II
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Der Kläger hat einen Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bereits nicht hinreichend dargelegt.
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für dessen Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht.
a. Die Annahme eines Verfahrensmangels setzt voraus, dass infolge unrichtiger Anwendung oder Nichtanwendung einer prozessrechtlichen Vorschrift das Gerichtsverfahren fehlerhaft geworden ist. Unter Mängeln des Verfahrens sind im Allgemeinen nur Verstöße gegen Verfahrensnormen zu verstehen, die den Weg zum Urteil bzw Beschluss bis zur Zustellung an die Beteiligten betreffen (sog error in procedendo; BSG Beschluss vom 28.1.2009 - B 6 KA 27/07 B - juris RdNr 17; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 445; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 16a und § 144 RdNr 32). Die rechtlich falsche Beurteilung verfahrensrechtlicher Vorschriften, die den Inhalt der angefochtenen Entscheidung selbst bildet (error in iudicando), stellt keinen Verfahrensmangel dar.
Der Kläger rügt einen Verstoß gegen § 54 Abs 1 SGG, da das LSG von der "falschen Klageart" ausgegangen sei. Dieses habe zu Unrecht darauf abgestellt, dass er - der Kläger - sein Begehren nach der Anerkennung von Praxisbesonderheiten nicht mehr im Wege der Teilanfechtungsklage, sondern nur im Wege einer Verpflichtungsklage verfolgen könne. Da es allein noch um die nachträgliche Reduzierung des RLV in den Honorarbescheiden gehe, handele es sich insoweit um einen separat anfechtbaren Teil der Honorarbescheide. Wäre das LSG zutreffend von einer Teilanfechtungsklage ausgegangen, so hätte es der Berufung zum Erfolg verhelfen müssen, weil das Verbot einer rückwirkenden Minderung des RLV zu beachten sei.
b. Die Kritik der Beschwerde, das Berufungsgericht habe mit der erfolgten Bewertung der Klageanträge die Möglichkeit einer (zulässigen und begründeten) Teilanfechtungsklage verkannt, zeigt bereits keinen Verfahrensfehler auf. Dieser Vorwurf betrifft die Rechtsanwendung, nicht aber die Vorgehensweise auf dem Weg zum Beschluss. Die Beschwerde wendet sich allein gegen die rechtliche Einordnung des Sachverhalts durch das LSG im Einzelfall. Auch der Kläger selbst führt insoweit zutreffend aus, dass die Frage der Teilbarkeit eines Verwaltungsaktes im Prozessrecht nicht geregelt sei, sondern sich nach dem materiellen Recht richte.
c. Auch soweit das Vorbringen des Klägers dahingehend verstanden werden sollte, dass er die Verkennung des Streitgegenstandes (§ 123 SGG; zu einem solchen Verfahrensmangel vgl BSG Beschluss vom 29.3.2001 - B 7 AL 214/00 B - SozR 3-1500 § 123 Nr 1; BSG Beschluss vom 13.6.2013 - B 13 R 454/12 B - juris RdNr 13 ff) durch das LSG rügen will, genügen seine Ausführungen nicht den Darlegungserfordernissen. Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Anträge gebunden zu sein. Das Gewollte, also das mit der Klage bzw der Berufung verfolgte Prozessziel, ist bei nicht eindeutigen Anträgen im Wege der Auslegung festzustellen. Wer als Verfahrensmangel geltend macht, das Berufungsgericht habe den Rechtsmittel- bzw Streitgegenstand verkannt, muss den Verfahrensgang unter Auslegung der den Rechtsmittel- bzw Streitgegenstand bestimmenden Entscheidungen und Erklärungen lückenlos darlegen (vgl BSG Beschluss vom 9.1.2019 - B 13 R 25/18 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 1.8.2017 - B 13 R 214/16 B - juris RdNr 9; BSG, Beschluss vom 28.11.2018 - B 4 AS 406/17 B - juris RdNr 10).
Mit seiner Begründung, das LSG sei bei der Entscheidung von einer "falschen Klageart" ausgegangen, hat der Kläger einen Verstoß des LSG gegen § 123 SGG nicht schlüssig aufgezeigt. Hierzu hätte es vielmehr der Darlegung bedurft, welche Ansprüche des anwaltlich vertretenen Klägers im Rahmen der von ihm erst- und zweitinstanzlich gestellten Anträge iS von § 202 SGG iVm § 528 ZPO vom LSG übergangen worden sind. Tatsächlich macht der Kläger eine Unrichtigkeit des LSG-Beschlusses geltend und bemängelt gerade nicht eine Übergehung eines über einen gerichtlichen Antrag geltend gemachten prozessualen Anspruchs. Eine unzutreffende Rechtsanwendung des LSG vermag eine Nichtzulassungsbeschwerde aber nicht zu stützen.
d. Darüber hinaus fehlt es auch an der Darlegung, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Die Ausführungen hierzu, das LSG hätte sich im Rahmen einer Teilanfechtungsklage mit der Rechtsprechung des Senats zum "Verbot der nachträglichen Reduktion des RLV" (BSG Urteil vom 2.8.2017 - B 6 KA 7/17 R) auseinandersetzen und der Berufung zum Erfolg verhelfen müssen, genügen nicht.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).
3. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 47 Abs 1 und 3, § 52 Abs 1 GKG. Sie entspricht den Feststellungen der Vorinstanz, denen keiner der Beteiligten widersprochen hat.
Fundstellen
Dokument-Index HI13692313 |