Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 04.09.2017; Aktenzeichen L 12 AS 234/17)

SG Köln (Entscheidung vom 24.01.2017; Aktenzeichen S 4 AS 2051/16)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 4. September 2017 - L 12 AS 234/17 - wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG), weil die zu ihrer Begründung angeführten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG schlüssig dargelegt sind.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Nach den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG sich ergebenden Anforderungen muss ein Beschwerdeführer dazu anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Frage sich stellt, dass diese Rechtsfrage noch nicht geklärt ist, weshalb deren Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Rechtsfragen erwarten lässt (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX, RdNr 56 ff).

Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Als grundsätzlich bedeutsam bezeichnet sie es zum einen, ob "die vom BSG propagierte 'rechtliche Einheit' zweier isoliert erlassener Verwaltungsakte die prozessuale Unzulässigkeit wegen anderweitiger Rechtshängigkeit für eine der beiden hiergegen fristgerecht eingelegten Klagen zur Folge (hat), obwohl das Gericht der besonderen Beziehung der zu Grunde liegenden isoliert erlassenen Verwaltungsakte durch die prozessual für solche Fälle vorgesehene Verfahrensverbindung Rechnung tragen könnte? Ist das Instrument der 'rechtlichen Einheit' zweier isoliert erlassener Verwaltungsakte nicht vielmehr darauf beschränkt, zugunsten des Adressaten im Lichte des Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) einer effektiven Rechtsschutzgewährung für den Fall Rechnung zu tragen, dass nur gegen einen der Verwaltungsakte ein Rechtsmittel eingelegt wurde und der andere rechtskräftig geworden ist?"

Weiter bezeichnet sie als grundsätzlich bedeutsam die Fragen: "Kann die erstinstanzliche Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs im Revisionsverfahren überprüft werden? Entfällt die Sperrwirkung des § 47 Abs. 1 ZPO gegenüber einem abgelehnten Richter, dem vom Ablehnenden der Vorwurf der Rechtsbeugung auf Grund einer Täuschung in einer parallel anhängigen Sache gemacht wird und der deswegen als Richter in allen rechtshängigen Verfahren abgelehnt wurde. Sind mit einer in einem Ablehnungsgesuch dargelegten Täuschungshandlung und darauf aufbauendem Rechtsbeugungsvorwurf Gründe dargetan, die dafür sprechen, dass die Fehlerhaftigkeit der anschließenden Umgehung der Sperrwirkung des § 47 Abs. 1 ZPO durch den abgelehnten Richter auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegen den Ablehnenden oder auf Willkür beruhen?"

Inwiefern dem grundsätzliche Bedeutung zukommt und dies in einem Revisionsverfahren zu klären sein könnte, zeigt die Beschwerde nicht hinreichend auf. Soweit sie sich auf Rechtsprechung zur Anfechtbarkeit von Bescheiden zur Feststellung von Pflichtverletzungen nach § 31b SGB II bezieht (vgl nur BSG vom 29.4.2015 - B 14 AS 19/14 R - BSGE 119, 17 = SozR 4-4200 § 31a Nr 1, RdNr 17 ff sowie BSG vom 22.3.2010 - B 4 AS 68/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 4 RdNr 9), ist dem Vorbringen schon nicht zu entnehmen, inwiefern die Entscheidung des LSG auf ihr beruht und ein Revisionsverfahren deshalb zu weiterer Klärung überhaupt beitragen könnte. Ungeachtet dessen zeigt die Beschwerde jedenfalls nicht auf, inwiefern diese Rechtsprechung der weiteren Konturierung bedarf. Dazu wäre im Einzelnen darzulegen gewesen, was bereits entschieden worden und was in grundsätzlicher Hinsicht weiter offen ist, woran es aber fehlt.

Das gilt ebenso für die Überprüfung erstinstanzlicher Entscheidungen zu Ablehnungsgesuchen durch die Revisionsinstanz. In der Rechtsprechung des BVerfG und der obersten Bundesgerichte ist bereits geklärt, unter welchen Voraussetzungen ein abgelehnter Richter über ein Befangenheitsgesuch ausnahmsweise selbst entscheiden darf, und welche Maßstäbe insoweit für die Überprüfung gelten (stRspr, vgl etwa BVerfG vom 10.7.1990 - 1 BvR 984/87 ua - BVerfGE 82, 286, 299; BVerfG ≪Kammer≫ vom 11.3.2013 - 1 BvR 2853/11 - juris RdNr 26 mwN; BSG vom 2.11.2007 - B 1 KR 72/07 B - SozR 4-1100 Art 101 Nr 3 RdNr 5 mwN). Weiter ist entschieden, dass ein Verfahrensmangel des SG die Zulassung der Revision nur ausnahmsweise rechtfertigen kann, wenn dieser fortwirkt und insofern ebenfalls als Mangel des LSG anzusehen ist (vgl nur BSG vom 19.1.2011 - B 13 R 211/10 B - juris, RdNr 15 mwN). Inwiefern gleichwohl weiterer Klärungsbedarf besteht, zeigt die Beschwerde nicht substantiiert auf. Soweit sie auf Besonderheiten wegen des Vorwurfs der Rechtsbeugung in einem Parallelverfahren verweist, ist nicht zu erkennen, inwieweit das angestrebte Revisionsverfahren zu einer weiteren Klärung jenseits der Besonderheiten dieser Fallgestaltung beitragen sollte und könnte. Und soweit sie auf eine Entscheidung des BVerwG in einer Wehrpflichtangelegenheit zur revisionsgerichtlichen Überprüfung der Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs durch das Verwaltungsgericht verweist, hätte es besonderer Darlegungen dazu bedurft, inwiefern die dort entwickelten Grundsätze trotz der Besonderheiten des gerichtlichen Verfahrens in diesem Bereich (vgl § 34 Satz 1 WPflG: "Die Berufung gegen ein Urteil und die Beschwerde gegen eine andere Entscheidung des Verwaltungsgerichts sind ausgeschlossen.") Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für das sozialgerichtliche Verfahren aufwerfen, woran es ebenfalls fehlt.

Soweit die Beschwerde als Verfahrensfehler rügt, dass das LSG die Klage zu Unrecht wegen anderweitiger Rechtshängigkeit als unzulässig erachtet und die Selbstentscheidung des abgelehnten erstinstanzlichen Richters über das Ablehnungsgesuch gegen ihn unbeanstandet gelassen und dadurch auch den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt habe, fehlt es an ausreichenden Darlegungen zum Gegenstand der als unzulässig erachteten und der anderweitig anhängigen Klage sowie zu dem Ablehnungsvorbringen und den Gründen, auf die das SG dessen Unbeachtlichkeit gestützt hat, die allein aufgrund des Vorbringens eine Beurteilung der beanstandeten Verfahrensweise erlauben (zu den Anforderungen an den Beschwerdevortrag zur Handhabung des Ablehnungsrechts vgl jüngst etwa BSG vom 21.12.2017 - B 14 AS 4/17 B - juris, RdNr 8 ff).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI11773866

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