Verfahrensgang
SG Meiningen (Entscheidung vom 27.09.2018; Aktenzeichen S 3 VE 1228/14) |
Thüringer LSG (Urteil vom 22.08.2019; Aktenzeichen L 5 VE 1471/18) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 22. August 2019 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt in der Hauptsache eine Beschädigtenversorgung wegen eines Impfschadens.
Diesen Anspruch hat das LSG mit Urteil vom 22.8.2019 im Wesentlichen unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des SG, das ua ein Gutachten des Umweltmediziners Dr. B. vom 2.12.2016 beigezogen hatte, verneint. Die hier in Rede stehenden Schutzimpfungen seien zum Zeitpunkt ihrer Durchführung in der DDR gesetzlich vorgeschrieben gewesen und vom Kläger auch nachgewiesen. Jedoch sei ihm weder der Nachweis von Primärschäden gelungen noch der Nachweis, dass die angeschuldigten Impfungen ursächlich für seine Gesundheitsstörungen seien. Der vom Kläger beantragten Einholung eines Gutachtens von Dr. H. bedürfe es nicht.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil des LSG hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt und Prozesskostenhilfe (PKH) - beschränkt auf den mit seiner Rechtsschutzversicherung vereinbarten Jahresbeitrag und die von ihm zusätzlich zu tragende Selbstbeteiligung - beantragt. Er macht das Vorliegen von Verfahrensmängeln geltend.
II
1. Der Antrag des Klägers auf PKH ist abzulehnen.
Gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung - hier die Nichtzulassungsbeschwerde - hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist nicht der Fall.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der hierfür erforderlichen Weise bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel im Sinne von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
a. Soweit der Kläger rügt, das LSG habe seinen im Schreiben vom 22.8.2019 gestellten und in der mündlichen Verhandlung aufrechterhaltenen Antrag, "ein im Impfschadensrecht qualifiziertes Sachverständigengutachten von dem Arzt Dr. med. K. H." einzuholen, zu Unrecht übergangen, hat er einen Verstoß des Berufungsgerichts gegen seine Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) nicht aufgezeigt. Denn er hat bereits nicht dargetan, einen ordnungsgemäßen Beweisantrag iS des § 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 403 ZPO gestellt zu haben. Ein Beweisantrag muss grundsätzlich in prozessordnungsgerechter Weise formuliert sein, sich regelmäßig auf ein Beweismittel der ZPO beziehen, das Beweisthema möglichst konkret angeben und insoweit auch wenigstens umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben soll (Senatsbeschluss vom 7.10.2016 - B 9 V 28/16 B - juris RdNr 14; BSG Beschluss vom 3.2.2020 - B 13 R 295/18 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 8.8.2019 - B 5 R 248/18 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 24.1.2018 - B 13 R 377/15 B - juris RdNr 10; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 18a mwN). Nur dies versetzt die Vorinstanz in die Lage, die Entscheidungserheblichkeit des gestellten Antrags zu prüfen und ggf seine Ablehnung iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ausreichend zu begründen. Unbestimmte bzw unsubstantiierte Beweisanträge brauchen dem Gericht dagegen keine Beweisaufnahme nahezulegen (Senatsbeschluss vom 6.4.2017 - B 9 V 89/16 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 12.12.2019 - B 5 R 148/19 B - juris RdNr 6).
Zwar sind an Form, Inhalt, Formulierung und Präzisierung eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags verminderte Anforderungen zu stellen, wenn der Beschwerdeführer - wie hier der Kläger - im Berufungsverfahren durch keinen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten vertreten war (vgl BSG Beschluss vom 7.3.2018 - B 5 R 28/17 BH - juris RdNr 9 mwN). Ein nicht vertretener Beteiligter muss einen konkreten Beweisantrag aber zumindest sinngemäß gestellt haben, dh angeben, welche konkreten Punkte er am Ende des Verfahrens noch für aufklärungsbedürftig gehalten hat und auf welche Beweismittel das Gericht hätte zurückgreifen sollen, um diese weiter aufzuklären. Zudem muss er wenigstens kurz umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben soll. Denn § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nennt einen Beweisantrag als Voraussetzung für eine Rüge des § 103 SGG ohne Einschränkung (vgl BSG Beschluss vom 31.7.2013 - B 5 R 53/13 B - juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 2.6.2003 - B 2 U 80/03 B - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 22.7.2010 - B 13 R 585/09 B - juris RdNr 11).
Der auch in der mündlichen Verhandlung aufrechterhaltene Antrag des Klägers im Schreiben vom 22.8.2019 benennt zwar noch hinreichend konkret ein Beweismittel (Sachverständiger), lässt aber bereits offen, welche konkreten Umstände auf dieser Grundlage zur maßgeblichen Überzeugung des Gerichts festgestellt werden sollen. Auch ein unvertretener Kläger muss dem Berufungsgericht aber verdeutlichen, dass und ggf wo er die Sachaufklärungspflicht noch nicht als erfüllt ansieht und deshalb im Berufungsverfahren auf die Sachverhaltsaufklärung hinwirken, deren Unterlassen er nunmehr rügt (BSG Beschluss vom 7.3.2018 - B 5 R 28/17 BH - juris RdNr 10 mwN). Daran fehlt es hier. Der Kläger hat insbesondere im Hinblick auf die im Verfahren vorgelegten bzw beigezogenen Sachverständigengutachten sowie die sonstigen aktenkundigen medizinischen Unterlagen und den hierzu von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen die noch "zu begutachtenden Punkte" iS des § 403 ZPO nicht bezeichnet. Der von dem Kläger vorgetragenen Antragsformulierung fehlt zudem jedweder Hinweis darauf, was die Beweisaufnahme ergeben soll.
Auch ein Verstoß gegen die Hinweis- und Hinwirkungspflicht des Vorsitzenden (§ 106 SGG) hat der Kläger nicht substantiiert dargetan. Insbesondere war das Berufungsgericht nicht verpflichtet, im Rahmen des vom Kläger gestellten Antrags Formulierungshilfen zu geben. Hält das Tatsachengericht eine Beweisaufnahme für notwendig, so hat es keinen entsprechenden Beweisantrag herbeizuführen, sondern den Beweis von Amts wegen auch ohne Antrag zu erheben. Lehnt es die Beweiserhebung dagegen ab, so muss es nicht kompensatorisch auf einen Beweisantrag hinwirken und damit helfen, eine Nichtzulassungsbeschwerde vorzubereiten (Senatsbeschluss vom 23.3.2017 - B 9 V 51/16 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 5.5.2010 - B 5 R 26/10 B - juris RdNr 10).
b. Des Weiteren rügt der Kläger eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) in Form einer Überraschungsentscheidung. Auch sein diesbezügliches Vorbringen genügt nicht den notwendigen Darlegungsanforderungen. Hierzu hätte er vortragen müssen, dass er unter keinen Umständen mit der vom LSG getroffenen Sachentscheidung habe rechnen können (vgl Senatsbeschluss vom 6.8.2019 - B 9 V 14/19 B - juris RdNr 12). Daran fehlt es. Auch legt der Kläger nicht substantiiert dar, vom LSG daran gehindert worden zu sein, im Berufungsverfahren alle ihm wichtig erscheinenden Gesichtspunkte vorzutragen.
Im Übrigen gibt es keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern (vgl Senatsbeschluss vom 18.6.2018 - B 9 V 1/18 B - juris RdNr 22; Senatsbeschluss vom 24.8.2017 - B 9 SB 44/17 B - juris RdNr 8). Der Anspruch auf rechtliches Gehör bietet nämlich keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lassen (vgl BVerfG Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205, 216). Er gewährleistet nur, dass ein Beteiligter mit seinem Vortrag "gehört", nicht jedoch "erhört" wird. Die Gerichte werden durch Art 103 Abs 1 GG nicht dazu verpflichtet, sich mit jedem Vortrag eines Beteiligten auseinanderzusetzen oder seiner Rechtsansicht zu folgen (Senatsbeschluss vom 28.9.2018 - B 9 V 21/18 B - juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 20.11.2018 - B 8 SO 43/18 B - juris RdNr 9).
c. Die in diesem Zusammenhang vom Kläger (zumindest sinngemäß) auch geltend gemachte Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren ist ebenfalls nicht dargetan. Der aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) abgeleitete Anspruch auf ein faires Verfahren ist nur verletzt, wenn grundlegende Rechtsschutzstandards, wie das Gebot der Waffengleichheit zwischen den Beteiligten, das Verbot von widersprüchlichem Verhalten oder von Überraschungsentscheidungen nicht gewahrt werden (Senatsbeschluss vom 6.8.2019 - B 9 V 14/19 B - juris RdNr 15; Senatsbeschluss vom 17.4.2013 - B 9 V 36/12 B - SozR 4-1500 § 118 Nr 3 RdNr 16; BSG Beschluss vom 24.1.2018 - B 13 R 4/16 BH - juris RdNr 30). Dafür ist vom Kläger nichts substantiiert vorgetragen.
d. Dass der Kläger im Kern seines umfänglichen Vorbringens insgesamt mit der Auswertung und Würdigung der aktenkundigen medizinischen und sonstigen Unterlagen und damit mit der Beweiswürdigung des Berufungsgerichts nicht einverstanden ist, ist für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unerheblich. Denn gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien Beweiswürdigung) gestützt werden. Dass das Urteil des LSG aus Sicht des Klägers inhaltlich unrichtig ist, ist für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ebenfalls ohne Belang (vgl stRspr, BSG Beschluss vom 20.2.2017 - B 12 KR 65/16 B - juris RdNr 5 mwN).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13880511 |