Verfahrensgang

SG Kassel (Entscheidung vom 26.02.2020; Aktenzeichen S 2 KR 212/17)

Hessisches LSG (Beschluss vom 25.08.2021; Aktenzeichen L 8 KR 100/20)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 2021 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Kläger ist mit seinem Begehren, ihm anstelle der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) auf Dauer jeweils quartalsweise im Voraus eine Ersatzbescheinigung zum Nachweis seines Versichertenstatus auszustellen, um Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in Anspruch nehmen zu können, bei der Beklagten und den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Zur Begründung hat das LSG (Beschluss vom 25.8.2021) ausgeführt, § 15 Abs 2 SGB V regele die Obliegenheit zur Nutzung der eGK bei der Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen. Die gesetzlichen Regelungen zur Ausgestaltung und Verwendung der eGK stünden im Einklang mit deutschem und europäischem Datenschutz- sowie Verfassungsrecht, wie das BSG bereits entschieden habe (Hinweis auf BSG vom 20.1.2021 - B 1 KR 7/20 R - BSGE 131, 169 = SozR 4-2500 § 291a Nr 2).

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Beschluss.

II

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der in § 160 Abs 2 SGG genannten Revisionszulassungsgründe.

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff mwN). Diesen Anforderungen genügt das Beschwerdevorbringen nicht.

Weder formuliert der Kläger eine Rechtsfrage noch setzt er sich mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats auseinander (vgl BSG vom 18.11.2014 - B 1 KR 35/13 R - BSGE 117, 224 = SozR 4-2500 § 291a Nr 1; BSG vom 20.1.2021 - B 1 KR 7/20 R - BSGE 131, 169 = SozR 4-2500 § 291a Nr 2).

Der Kläger trägt lediglich vor, solange nicht gewährleistet werden könne, dass das Lichtbild auf der eGK die Person ausweise, die nach der eGK in der GKV versichert sei, bestehe keine Obliegenheit. Selbst wenn hieraus eine Rechtsfrage ableitbar wäre, legt er deren Klärungsbedürftigkeit nicht dar. Er setzt sich inhaltlich nicht damit auseinander, dass nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl BSG vom 20.1.2021 - B 1 KR 7/20 R - BSGE 131, 169 = SozR 4-2500 § 291a Nr 2, Leitsatz 2) der Gesetzgeber mit den durch das Patientendaten-Schutz-Gesetz neu gefassten Regelungen des SGB V zur eGK und zur Telematikinfrastruktur ausreichende Vorkehrungen zur Gewährleistung einer angemessenen Datensicherheit getroffen hat und dabei auch seiner Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht nachgekommen ist. Ebenfalls geht der Kläger nicht darauf ein, dass nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl BSG vom 20.1.2021 - B 1 KR 7/20 R - BSGE 131, 169 = SozR 4-2500 § 291a Nr 2, Leitsatz 3) 1. die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben im Zusammenhang mit der eGK und der Telematikinfrastruktur durch die zuständigen Aufsichtsbehörden zu überwachen ist und 2. auch die Versicherten im Rahmen der speziellen datenschutzrechtlichen Rechtsbehelfe die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben gerichtlich überprüfen lassen können, ohne dass hierdurch die gesetzliche Obliegenheit zur Nutzung der eGK und deren Verfassungsmäßigkeit tangiert wird.

Eine klärungsbedürftige Frage von grundsätzlicher Bedeutung erschließt sich auch nicht daraus, warum gewährleistet sein müsse, dass das Lichtbild unverzüglich nach Anfertigung der eGK nachweisbar vernichtet oder zurückgeschickt werden müsse, eine zusätzliche Speicherung verboten sei und hieran § 291a Abs 6 SGB V nichts geändert habe. Immerhin sieht die Regelung vor: Die KKn dürfen das Lichtbild für die Dauer des Versicherungsverhältnisses des Versicherten, jedoch längstens für zehn Jahre, für Ersatz- und Folgeausstellungen der eGK speichern. Nach dem Ende des Versicherungsverhältnisses hat die bisherige KK das Lichtbild unverzüglich, spätestens aber nach drei Monaten, zu löschen.

Soweit der Kläger ferner vorträgt, es gebe mildere Mittel zur Missbrauchsabwehr, greift er zwar nicht nur die Richtigkeit der LSG-Entscheidung an, sondern auch die Urteile des erkennenden Senats vom 18.11.2014 und vom 20.1.2021. Insoweit fehlt es jedoch an Vorbringen dazu, warum trotz der Ausführungen des erkennenden Senats in seinem Urteil vom 18.11.2014 (B 1 KR 35/13 R - BSGE 117, 224 = SozR 4-2500 § 291a Nr 1, RdNr 26 ff, bestätigt durch BSG vom 20.1.2021 - B 1 KR 7/20 R - BSGE 131, 169 = SozR 4-2500 § 291a Nr 2, RdNr 44 ff) die Frage der Missbrauchsabwehr erneut klärungsbedürftig sei.

Soweit der Kläger schließlich das Urteil des erkennenden Senats vom 20.1.2021 als nicht folgerichtig hinsichtlich der Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit der Datenschutz-Grundverordnung ansieht und die fortbestehende Beitragspflicht bei Nichterfüllung der Obliegenheit für zweifelhaft hält, fehlt es an jeglichem Vorbringen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit.

2. Zum Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) trägt der Kläger nichts vor.

3. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36 mwN; BSG vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN). Daran fehlt es.

Der Kläger trägt vor, ein Verfahrensmangel ergebe sich daraus, dass das LSG die Nichtprüfung des Lichtbildes und dessen unzulängliche Speicherung in den Gründen seiner Entscheidung nicht einmal erwogen habe. Dieses Vorbringen genügt nicht den Anforderungen, die an die Darlegung der Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) zu stellen sind. Dieser Anspruch verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (stRspr; vgl BVerfG vom 19.5.1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133, 145; BVerfG vom 8.12.2020 - 1 BvR 117/16 - juris RdNr 12). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen wurde (vgl BVerfG vom 19.5.1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133, 146 mwN; BVerfG ≪Kammer≫ vom 8.2.2021 - 1 BvR 242/21 - juris RdNr 6 mwN; BSG vom 8.4.2020 - B 13 R 125/19 B - juris RdNr 14). Der Kläger legt nicht dar, warum das LSG, das in vollem Umfang den Entscheidungsgründen des BSG-Urteils vom 20.1.2021 (B 1 KR 7/20 R - BSGE 131, 169 = SozR 4-2500 § 291a Nr 2) folgt, sich nach dieser Rechtsauffassung überhaupt mit seinem Vorbringen zum Lichtbild und dessen Speicherung hätte näher auseinandersetzen müssen (vgl dazu die unter 1. aufgeführten Leitsätze 2 und 3 des BSG-Urteils).

4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Schlegel                               Scholz                                 Estelmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15274541

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