Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 13.02.1992)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. Februar 1992 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Mit ihr wird keiner der Gründe, die nach § 160 Abs 2 Nrn 1 bis 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur Zulassung der Revision führen können, in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG vorgeschriebenen Form dargelegt.

Der Kläger stützt seine Beschwerde vornehmlich auf Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) und beanstandet zunächst eine „grundlegend falsche Behandlung der Frage der Beweislast”. Bei der von Dr. R. … (Dr. R.) auf einem sog Auszahlungsschein ausgestellten Bescheinigung über das Vorliegen weiterer Arbeitsunfähigkeit des Klägers über den 8. November 1987 hinaus handele es sich um eine für alle Beteiligten verbindliche Feststellung, bezüglich deren die Grundsätze des Anscheinsbeweises anzuwenden seien. Wenn Dr. R. die von ihm ausgestellte Bescheinigung erst am 2. März 1988 für ungültig erklärt habe, widerspreche es allen rechtsstaatlichen und verfahrensrechtlichen Grundsätzen, den Kläger in dem sich daran anschließenden mehrjährigen Verfahren die Beweislast für das Weiterbestehen seiner Arbeitsunfähigkeit aufzubürden. Da der nachträgliche Nachweis der Arbeitsunfähigkeit im Grunde nicht mehr zu erbringen gewesen sei, sei der Frage der Beweislast zentrale Bedeutung zugekommen.

Damit ist ein Zulassungsgrund iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht bezeichnet. Denn es handelt sich bei der Rüge, das Tatsachengericht habe den Grundsatz der objektiven Beweislast verkannt oder unrichtig angewandt, nicht um einen wesentlichen Mangel im Verfahren, sondern um die Verletzung materiellen Rechts; weil dieser Grundsatz dem materiellen Recht angehört (BSG SozR 1500 § 161 Nr 26 = Breithaupt 1981, S 180; BSG, Beschluß vom 23. Januar 1989 – 2 BU 137/88 –; BVerwGE 45, S 131, 132). Zwar steht er insofern mit dem Verfahrensrecht in engem Zusammenhang, als seine Anwendung erst dann in Betracht kommt, wenn trotz Ausschöpfung aller Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts die Ungewißheit über eine für den streitigen Anspruch unabdingbare Tatsache nicht hat beseitigt werden können (vgl BSGE 19, 52, 53 = SozR Nr 62 zu § 542 RVO aF). Die Frage der Beweislastverteilung als solche kann jedoch nicht schlechthin der Verfahrensordnung entnommen werden, sondern ist dem jeweils maßgebenden materiellen Recht zu entnehmen (BSGE 6, 70, 73). Der Kläger hat insoweit auch nicht dargetan, daß und ggfs welche Frage als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der objektiven Beweislast klärungsbedürftig und bei Zulassung der Revision klärungsfähig wäre. Auch hinsichtlich der Frage der Beweiskraft einer ärztlichen Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit hat der Kläger keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bezeichnet, sondern lediglich geltend gemacht, daß insoweit die Grundsätze des Anscheinsbeweises anzuwenden gewesen wären. Auch insoweit ist aber ein Verfahrensmangel, der die Zulassung der Revision ermöglicht, nicht bezeichnet. Denn ungeachtet der Frage, ob der Grundsatz des Beweises des ersten Anscheins überhaupt auf ärztliche Bescheinigungen der Arbeitsunfähigkeit angewendet werden kann, handelt es sich bei diesem Grundsatz lediglich um eine Erleichterung der Beweiswürdigung, die bereits aufgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht zur Zulassung der Revision führen kann. Denn danach kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG, also insbesondere nicht auf einen Fehler in der Beweiswürdigung, gestützt werden.

Auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht iS von § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ausreichend bezeichnet. Der Kläger hat zwar behauptet, er sei erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (LSG) am 13. Februar 1992 plötzlich mit dem völlig neuen Vorbingen konfrontiert worden, daß bei der Beklagten bereits am 19. Januar 1988 ein von Dr. R. abgezeichneter Auszahlungsschein eingegangen sei, auf dem weitere Arbeitsunfähigkeit über den 8. November 1987 hinaus verneint worden sei. Die Rüge, zu diesem wichtigen Vorbringen habe ihm, dem Kläger, Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt werden müssen (§§ 62 und 128 Abs 2 SGG), reicht schon deshalb nicht aus, weil nicht dargelegt ist, welches Vorbringen verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 36).

Mithin war die Beschwerde des Klägers mangels Darlegung eines Zulassungsgrundes iS von § 160 Abs 2 SGG – ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (vgl Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Mai 1978 in SozR 1500 § 160a Nr 30) – als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173321

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