Verfahrensgang

LSG für das Saarland (Urteil vom 29.06.2017; Aktenzeichen L 1 R 31/16)

SG für das Saarland (Entscheidung vom 26.02.2016; Aktenzeichen S 9 R 256/15)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 29. Juni 2017 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Mit Urteil vom 29.6.2017 hat das LSG für das Saarland einen Anspruch der Klägerin auf höhere Altersrente unter Anerkennung von Kinderziehungszeiten für zwei Adoptivkinder verneint, die sie jeweils ab dem 30. Lebensmonat erzogen hat.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie rügt die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und eine Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG durch Abweichung des LSG vom Urteil des BVerfG vom 7.7.1992 (1 BvL 51/86 - BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 = NJW 1992, 2213).

II

Die Beschwerde der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).

1. Die Klägerin beruft sich zunächst auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Die Beschwerdebegründung vom 12.10.2017 verfehlt jedoch die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34, Juris RdNr 6 mwN). Denn die Klägerin hat schon keine abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht - formuliert (vgl allgemein BSG Beschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - Juris = BeckRS 2010, 68786, RdNr 10; BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - Juris = BeckRS 2010, 72088, RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - Juris = BeckRS 2009, 50073, RdNr 7). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX, RdNr 181).

Den Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits wird selbst dann nicht genügt, wenn man zugunsten der Klägerin der Beschwerdebegründung die Frage entnehmen wollte, ob § 307d SGB VI mit dem Gleichbehandlungsgebot aus Art 3 Abs 1 GG vereinbar ist, soweit Adoptiveltern durch die Anknüpfung an die Anrechnung einer Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt häufig vom Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung ausgeschlossen sind. Denn wird mit der Beschwerde ein Verfassungsverstoß geltend gemacht, darf sich die Beschwerdebegründung nicht auf die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung und Auswertung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu der oder den als verletzt erachteten Verfassungsnormen in substanzieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergibt (BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; ferner zB BSG Beschluss vom 24.7.2018 - B 13 R 23/18 B - Juris RdNr 8 mwN). Speziell in Bezug auf eine Verletzung des Gleichheitssatzes muss die Beschwerdebegründung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG und des BVerfG darlegen, worin die für eine Gleich- bzw Ungleichbehandlung wesentlichen Sachverhaltsmerkmale bestehen sollen. Dabei muss sie sich insbesondere auch mit den Gründen für eine Differenzierung zwischen den Vergleichsgruppen auseinandersetzen (BSG Beschluss vom 25.1.2017 - B 13 R 350/16 B - Juris RdNr 8 mwN). Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.

2. Die Beschwerdebegründung genügt den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen ebenfalls nicht, soweit die Klägerin eine Divergenz des angegriffenen Urteils zum Urteil des BVerfG vom 7.7.1992 (1 BvL 51/86 - BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 = NJW 1992, 2213) geltend macht.

Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Zur ordnungsgemäßen Darlegung einer Divergenz sind ein oder mehrere entscheidungstragende Rechtssätze aus dem Berufungsurteil und zu demselben Gegenstand gemachte und fortbestehende aktuelle abstrakte Aussagen aus einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr, vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 21).

Die Klägerin versäumt es bereits, Rechtssätze des angegriffenen Urteils und des Urteils des BVerfG vom 7.7.1992 (aaO) zu bezeichnen und einander gegenüberzustellen. Vielmehr macht sie geltend, das LSG habe sich - aus seiner Sicht konsequent - nicht mit ihrem Berufungsvorbringen auseinandergesetzt, wonach das BVerfG "bereits vor einem Vierteljahrhundert" die Berücksichtigung der Kindererziehung als unzureichend angesehen und "eine Stichtagsregelung nicht allgemein, sondern nur bezogen auf den konkreten Fall für hinnehmbar" angesehen habe. Damit rügt die Klägerin aber keine Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, sondern lediglich eine vermeintlich falsche Rechtsanwendung durch das LSG. Zur Begründung einer Divergenz ist es aber nicht ausreichend, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 f; Senatsbeschluss vom 24.4.2015 - B 13 R 37/15 B - Juris RdNr 6).

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI12463419

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