Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 21. November 1996 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Ausbildung der Klägerin zur Bürokauffrau zu fördern.
Die Klägerin nahm im August 1990 die Ausbildung zur Zahnarzthelferin auf. Nachdem bei ihr wiederholt juckende Hauterscheinungen aufgetreten waren, diagnostizierte der Dermatologe Dr. W. … bei ihr Anfang 1992 eine Latex-Soforttypallergie mit der Gefahr einer anaphylaktischen Reaktion bei weiterem Latexkontakt. Daraufhin gab sie im April 1992 ihre Ausbildung zur Zahnarzthelferin auf und absolvierte von August 1992 bis Juli 1994 eine Ausbildung zur Bürokauffrau, die von der Bundesanstalt für Arbeit (BA) als Vorleistungsträgerin gefördert wurde.
In dem von der Beklagten nach Vorlage des Hautarztberichtes vom März 1992 eingeholten Gutachten des Dr. Sch. … heißt es, die Klägerin leide an einer Latexallergie, die sie sich während der Ausbildung zur Zahnarzthelferin zugezogen habe; die Erkrankung sei nicht als schwer zu bezeichnen. Daher liege keine Berufskrankheit (BK) vor. Bei Vermeidung des Kontakts zu Latexhandschuhen, die durch Vinylhandschuhe ersetzt werden sollten, könne die Klägerin die begonnene Ausbildung fortsetzen. Die Beklagte lehnte daraufhin die Anerkennung der Hauterkrankung als BK und die Übernahme der Kosten für die Ausbildung zur Bürokauffrau ab.
Während das Sozialgericht Oldenburg (SG) der Klage auf Übernahme der Kosten für die Ausbildung zur Bürokauffrau stattgeben hat (Urteil vom 29. November 1995), hat das Landessozialgericht Niedersachsen (LSG) sie abgewiesen (Urteil vom 21. November 1996). Der Träger der Unfallversicherung habe der Gefahr, daß eine BK entstehe, wiederauflebe oder sich verschlimmere, nach § 3 Abs 1 Satz 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) mit allen geeigneten Mitteln entgegenzuwirken. Die hier zumindest drohende Gefahr der Entstehung einer BK habe durch Beseitigung der schädlichen Noxe beseitigt werden können, wie sich aus den Ermittlungen im Verwaltungsverfahren und der Beweisaufnahme durch das SG ergebe. In einem solchen Fall seien die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht verpflichtet, weitergehende Maßnahmen – wie hier solche der beruflichen Bildung – zu prüfen. Nach § 3 Abs 1 Satz 2 BKVO sei nämlich Voraussetzung der Gewährung von Übergangsleistungen, daß die Gefahr für den Versicherten nicht zu beseitigen sei. Im übrigen sei hier kein Raum für die Verurteilung der Beklagten zur Übernahme der Ausbildungskosten, weil den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung bei der Auswahl von Berufshilfemaßnahmen ein Ermessen zustehe, die Gerichte aber eine Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde nicht durch eine andere ersetzen dürften, die sie für sachdienlicher hielten. Anhaltspunkte dafür, daß hier eine Ermessensschrumpfung auf Null vorgelegen habe, seien nicht ersichtlich. Daß die Beklagte der Klägerin nicht rechtzeitig den Vorschlag zur Beseitigung der Noxe unterbreitet habe, führe zu keinem anderen Ergebnis, weil die Klägerin dies selbst zu vertreten habe.
Die Klägerin hat die – vom LSG zugelassene – Revision eingelegt und die unzutreffende Anwendung von § 3 BKVO gerügt. Sie habe die Unsinnigkeit der von der Beklagten befürworteten Vorgehensweise dargelegt und verweise „vollinhaltlich” auf den vorinstanzlichen Vortrag. Die Latexallergie stelle sich als Extremzustand dar; sie reagiere bereits auf geringe Latexpartikel, die sich entgegen der Auffassung des LSG auch nach der Umstellung einer Praxis auf Vinylhandschuhe noch für lange Zeit in der Luft befänden (Beweis: Sachverständigengutachten). Mit einer solchen Maßnahme wäre es daher nicht getan gewesen. Das LSG habe auch nicht die drastische Erschwerung ihres späteren Berufsweges berücksichtigt. Künftige Bewerbungen hätten nämlich kaum Erfolgsaussichten, da sie als „Referenz” für den jeweiligen neuen Arbeitgeber das Verlangen mitbringe, die Praxis auf Vinylhandschuhe umzurüsten. Auch insofern erscheine die von der Beklagten vertretene Auffassung nicht nur praxisfremd, sondern auch mit den Grundsätzen der BKVO nicht vereinbar. Zu Recht verweise das SG deshalb darauf, daß die von Prof. Dr. Sch. … beschriebene Schockgefahr die Beklagte hätte veranlassen müssen, die Klägerin aufzufordern, die gefährdende Tätigkeit sofort zu unterlassen. Alle anderen Maßnahmen, die von der Beklagten vorgeschlagen würden, seien medizinisch unzumutbar (Beweis: Zeugnis von Prof. Dr. Sch. … und Prof. Dr. B. … sowie Sachverständigengutachten). Nach Zweck und Systematik des § 3 BKVO hätte deshalb die Beklagte ihre Ausbildung zur Bürokauffrau fördern müssen, da aus medizinischen Gründe andere geeignete Mittel, der Gefahr einer Allergie entgegenzuwirken, nicht vorgelegen hätten.
Selbst wenn aber tatsächlich angenommen würde, daß durch die Umstellung auf Vinylhandschuhe eine andere Möglichkeit der Gefahrbeseitigung bestanden hätte, führe dies nicht zwangsläufig dazu, daß weitergehende Maßnahmen der Berufshilfe nicht gewährt werden könnten. Die insoweit vom SG dargelegte Ausschlußwirkung des § 3 BKVO überzeuge nicht. Hierzu sei die Überprüfung durch das Revisionsgericht auch wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage erforderlich und daher vom Berufungsgericht zugelassen worden. Der „gesamte vorinstanzliche Vortrag einschließlich Beweisantritte” werde „zur Begründung der Revision ergänzend herangezogen”.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 21. November 1996 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 29. November 1995 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt weiter vor, die Beweisanträge der Klägerin gingen revisionsrechtlich bereits wegen § 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) fehl.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unzulässig. Sie hat ihr Rechtsmittel nicht ausreichend begründet.
Gemäß § 164 Abs 2 Satz 1 und 3 SGG ist die Revision zu begründen. Die Pflicht zur schriftlichen Begründung des Rechtsmittels soll eine umfassende Vorbereitung des Revisionsverfahrens gewährleisten. Daher muß nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (s ua BSGE 70, 186, 187f; BSG SozR 1500 § 164 Nrn 12, 20, 25; SozR 3-1500 § 164 Nr 9; SozR 3-5555 § 15 Nr 1; SozR 3-2500 § 106 Nr 12, jeweils mwN; BVerfG SozR 1500 § 164 Nr 17) die Revision sorgfältig und nach Umfang und Zweck zweifelsfrei begründet sein. Die Bezeichnung allein der verletzten Rechtsnorm genügt diesen Erfordernissen nicht. Es ist vielmehr darzulegen, daß und weshalb die Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht geteilt wird; dies kann nur mit rechtlichen Erwägungen geschehen. Die Revisionsbegründung muß nicht nur die eigene Meinung des Revisionsklägers wiedergeben, sondern sich – zumindest kurz – mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzen und erkennen lassen, daß und warum die als verletzt gerügte Vorschrift des materiellen Rechts nicht oder nicht richtig angewandt worden ist (vgl schon BSG SozR 1500 § 164 Nr 12). Aus dem Inhalt der Darlegung muß sich ergeben, daß der Revisionskläger sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung rechtlich auseinandergesetzt hat, und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist. Es reicht hierzu nicht aus, lediglich Rechtsansichten der Vorinstanz als unrichtig zu bezeichnen; vielmehr ist hinzuzufügen, warum sie nicht geteilt werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Vorinstanz ihre Rechtsauffassung näher begründet hat; in diesem Fall ist ein Eingehen auf den Gedankengang des Berufungsgerichts unumgänglich (BSG SozR 1500 § 164 Nr 20; BSG Beschluß vom 4. Februar 1997 – 2 RU 43/96 –).
Diesen Anforderungen wird die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 7. Mai 1997 eingereichte Revisionsbegründung nicht gerecht. Ihr läßt sich nur entnehmen, daß nach Ansicht der Klägerin die für sie aufgrund ihrer Latexallergie bestehende Gefahrenlage anderweitig nicht zu beseitigen sei. Mit ihrem mit verschiedenen Beweisantritten versehenem Vortrag rügt sie indes im Kern die ihrer Auffassung nach unzutreffende Beweiswürdigung des LSG. Als Ansatz rechtlicher Ausführungen findet sich nur die Auffassung, die Beklagte hätte „nach Zweck und Systematik des § 3 BKVO” ihre Ausbildung zur Bürokauffrau fördern müssen; allerdings wird dies nicht mit rechtlichen Erwägungen begründet, sondern mit der von den tatsächlichen Feststellungen des LSG abweichenden Behauptung, aus medizinischen Gründen hätten keine anderen geeigneten Mittel vorgelegen, um „der Gefahr einer Allergie entgegenzuwirken”.
Auch der Vortrag der Klägerin, die vom SG (gemeint ist wohl LSG) dargelegte Ausschlußwirkung des § 3 BKVO überzeuge nicht, und die Überprüfung durch das Revisionsgericht sei wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage erforderlich und daher vom LSG zugelassen worden, genügt nicht den Anforderungen an eine zulässige Revisionsbegründung. Das LSG hat im angefochtenen Urteil eingehend dargelegt, aus welchen Erwägungen es zu der von der Klägerin für unrichtig gehaltenen Ansicht gelangt ist. Hierauf ist die Klägerin nicht eingegangen. Sie hat sich nicht einmal ansatzweise mit den Argumenten des Berufungsgerichts auseinandergesetzt. Das wäre aber erforderlich gewesen, um aufzuzeigen, weshalb sie bei der Auslegung des angewandten Rechts anderer Auffassung ist und worin genau sie die fehlerhafte Anwendung des materiellen Rechts durch das LSG erblickt. Der formelhafte und nichtssagende Vortrag der Klägerin bleibt deutlich hinter den Mindestanforderungen an eine Revisionsbegründung zurück.
Die nicht hinreichend begründete Revision der Klägerin mußte daher als unzulässig ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter verworfen werden (§ 169 Satz 2 und 3 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen