Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 09.12.2016; Aktenzeichen L 4 KR 5027/15) |
SG Karlsruhe (Entscheidung vom 26.11.2015; Aktenzeichen S 9 KR 1479/14) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Dezember 2016 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Im Streit steht ein Anspruch auf Krankengeld (Krg) für die Zeit vom 24.2.2014 bis 7.6.2015. Die Beklagte und die Vorinstanzen haben diesen verneint, weil der Krg-Anspruch zu dieser Zeit bereits nach § 48 SGB V erschöpft gewesen sei. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, ab 24.2.2014 habe die Arbeitsunfähigkeit (AU) des Klägers auf derselben Krankheit beruht, wegen der er schon Krg für 78 Wochen innerhalb eines 3-Jahres-Zeitraums erhalten habe. AU wegen einer depressiven Episode sei erstmals am 25.7.2011 festgestellt worden. Deshalb habe die maßgebliche 3-Jahres-Frist am 24.7.2014 geendet. Innerhalb dieser Zeit habe der Kläger für insgesamt 78 Wochen Krg - einschließlich der zu berücksichtigenden Zeiten des Bezugs von Entgeltfortzahlung - erhalten. Durch die vom Kläger behauptete Funktionseinschränkung der Wirbelsäule und Teillähmung des Wadenbeinnervs ab Dezember 2013 werde die Leistungsdauer nicht verlängert. Eine solche Erkrankung habe der Senat nicht feststellen können und der Kläger habe diesbezüglich keine AU-Bescheinigungen vorgelegt. Darüber hinaus habe der Kläger behauptet, bereits im Zeitraum vom 25.7.2011 bis 1.7.2013 aufgrund des Rückenleidens arbeitsunfähig gewesen zu sein. Die Leistungsdauer werde selbst bei unterstellter AU wegen einer Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule und einer Teillähmung des Wadenbeinnervs nicht verlängert. Da der Kläger erst am 7.1.2014 wieder einen Arzt aufgesucht habe, hätte auch eine auf diesen Erkrankungen beruhende AU nicht früher ärztlich festgestellt werden können, sodass es sich allenfalls um eine hinzugetretene Erkrankung iS von § 48 Abs 1 S 2 SGB V handeln könne.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf eine Divergenz zur Rechtsprechung des BSG und einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 2 und 3 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Kläger die geltend gemachten Zulassungsgründe der Divergenz und des Verfahrensmangels nicht formgerecht aufgezeigt hat (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
1. Der Kläger ist der Meinung, das angefochtene Berufungsurteil weiche von der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 21.6.2011 (B 1 KR 15/10 R - SozR 4-2500 § 48 Nr 4) ab. Dort habe das BSG ausdrücklich ausgeführt:
"Für Versicherte, die Anspruch auf Krankengeld zunächst wegen einer ersten Krankheit und nach Wiedereintritt der Arbeitsunfähigkeit sodann erneut wegen einer Zweitkrankheit haben, beginnt eine neue Blockfrist mit Eintritt der Arbeitsunfähigkeit wegen der Zweitkrankheit, auch wenn zu dieser später die Erstkrankheit hinzutritt und zwischendurch allein die Erstkrankheit Arbeitsunfähigkeit bedingt."
Im Folgenden führt der Kläger aus, das Gericht erster Instanz vertrete die Auffassung, dass auch bei Hinzutreten einer weiteren, die AU begründenden Erkrankung in Form von Wirbelsäulenbeschwerden, sich die Anspruchshöchstdauer nicht verlängere und sich dies aus § 48 Abs 1 S 2 SGB V ergebe. Das SG verkenne dabei, dass nach der Rechtsprechung eine Krankheit nicht mehr hinzutrete, sondern in ihren Rechtsfolgen eigenständig zu beurteilen sei, wenn sie erst am Tag nach Beendigung der bisherigen AU oder noch später auftrete. Der Kläger verweist hierzu auf die Urteile des BSG SozR 4-2500 § 48 Nr 3 RdNr 23 und BSGE 83, 7, 10 = SozR 3-2500 § 48 Nr 8 S 39.
Eine Divergenz des Berufungsurteils zur Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) wird mit diesem Vortrag nicht hinreichend dargetan. Zunächst ist für eine Divergenz nicht entscheidend, was das Gericht erster Instanz (das SG) ausgeführt hat. Eine Divergenz ist ausschließlich am Berufungsurteil zu messen. Dabei hätte der Kläger vortragen müssen, dass das LSG einen tragenden Rechtssatz in Abweichung von einem anderen Rechtssatz aufgestellt hat, den eines der vorgenannten Gerichte entwickelt oder angewandt hat, und dass die Entscheidung des LSG auf dieser Divergenz beruht. Hierzu ist es notwendig, den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichenden Rechtssatz des LSG herauszuarbeiten und die Unvereinbarkeit mit einem Rechtssatz des BSG aufzuzeigen. Eine Abweichung liegt indes nicht schon dann vor, wenn das LSG einen Rechtssatz nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesem Rechtssatz widersprochen, also einen anderen Rechtssatz aufgestellt und angewandt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz (stRspr vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67).
Die im Kern nur einzelfallbezogene Beschwerdebegründung entspricht diesen Anforderungen auch deshalb nicht, weil kein von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichender Rechtssatz des LSG dargelegt wird. Schließlich aber hat das LSG ausdrücklich ausgeführt, die vom Kläger behauptete Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule und Teillähmung des Wadenbeinnervs habe es nicht feststellen können und der Kläger habe entsprechende AU-Bescheinigungen nicht vorgelegt. Vor diesem Hintergrund fehlen Darlegungen dazu, dass die Ausführungen des Berufungsgerichts zu einer "hinzutretenden" Krankheit, die die Leistungsdauer nicht verlängere, überhaupt tragende Rechtssätze enthält und die Berufungsentscheidung auf der angeblichen Abweichung beruhen kann.
2. Der Kläger hat auch einen Verfahrensfehler nicht hinreichend bezeichnet. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Wird - wie vorliegend - ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gerügt, muss die Beschwerdebegründung hierzu folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiteren Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf einer angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme von seinem Standpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (zum Ganzen vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN).
Entscheidet das LSG ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG), muss der Beweisantrag zumindest in dem Schriftsatz aufrechterhalten oder wiederholt werden, in dem der Beteiligte sein Einverständnis zu diesem Verfahren erklärt (stRspr vgl nur BSG SozR 3-1500 § 124 Nr 3 mwN). Nach Sinn und Zweck des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG soll die Sachaufklärungsrüge die Revisionsinstanz nur dann eröffnen, wenn das Tatsachengericht vor seiner Entscheidung durch einen Beweisantrag ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass ein Beteiligter die Sachaufklärungspflicht des Gericht (§ 103 SGG) noch nicht als erfüllt ansieht (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 21; Nr 31 S 52).
Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger hat nicht aufgezeigt, dass er einen (prozessordnungsgemäßen) Beweisantrag gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG gestellt und bis zuletzt vor dem Berufungsgericht aufrechterhalten hat. Er führt in der Beschwerdebegründung lediglich aus, er habe sowohl erst- als auch zweitinstanzlich die Vernehmung der insoweit von der Schweigepflicht entbundenen behandelnden Ärzte Dr. S. und Dr. O. angeboten. Dem sei das Berufungsgericht nicht nachgegangen. Einem rechtskundig vertretenen Beteiligten, der vorbehaltslos sein Einverständnis gemäß § 124 Abs 2 SGG erklärt, muss aufgrund der entsprechenden Anfrage indessen klar sein, dass das Gericht ohne weitere Sachverhaltsaufklärung entscheiden will. Will ein Beteiligter dies vermeiden, muss er das Einverständnis entweder verweigern oder auf der Durchführung der beantragten Beweisaufnahme beharren (vgl BSG SozR 3-1500 § 124 Nr 3 mwN).
Es kann der Verfahrensrüge auch nicht zum Erfolg verhelfen, dass der Kläger die unterlassene Beweisaufnahme als Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) geltend macht.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ab.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI10807166 |