Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Rechtsfrage. Grundsätzliche Bedeutung. Klärungsbedürftigkeit. Klärungsfähigkeit. Entscheidungserheblichkeit. Breitenwirkung. Abweichung. Divergenz. Ablehnende Behördenentscheidung. Zeitpunkt. Datum der Antragstellung. Datum der letzten Behördenentscheidung. Datum der Gerichtsentscheidung. Kosten unabweisbarer Instandsetzungsmaßnahme. Installationsarbeiten. Selbstgenutzte Immobilie
Leitsatz (redaktionell)
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist; die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog. Breitenwirkung) aufgezeigt werden.
2. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt; erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat.
Normenkette
SGB II § 22 Abs. 2; SGG § 160 Abs. 2, § 160a Abs. 2 S. 3, Abs. 4 S. 1, § 169
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12. November 2020 - L 6 AS 383/17 - wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin die von ihr geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Divergenz nicht in der gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG, § 169 SGG).
Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht, mit der die Klägerin, die in der Hauptsache die Kostenübernahme für beabsichtigte Installationsarbeiten in ihrer selbstgenutzten Immobilie begehrt, die folgenden vier Fragen aufwirft.
"a) Welcher Zeitpunkt ist bei § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II für die Beurteilung der Frage, ob der geltend gemachte Anspruch besteht oder nicht, bei einer ablehnenden Behördenentscheidung und einem Unterbleiben der beantragten Maßnahme maßgeblich: das Datum der Antragstellung, das Datum der letzten Behördenentscheidung oder das Datum der Gerichtsentscheidung?"
Zwar weist die Beschwerdebegründung mit Blick auf die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage zutreffend darauf hin, dass auch das LSG sie in seinem Urteil aufgeworfen hat. Allerdings fehlt es an Ausführungen zu ihrer Entscheidungserheblichkeit.
"b) Kann der schlechte Gesamtzustand einer Immobilie zur Folge haben, dass die zuschussweise Übernahme der Kosten unabweisbarer Instandsetzungsmaßnahme unangemessen wäre?"
Ob es sich trotz der Bezugnahme auf eine tatsächliche Situation um eine abstrakt zu beantwortende Rechtsfrage handelt, kann dahinstehen. Denn die Klägerin verweist zur Klärungsbedürftigkeit zwar auf fehlende höchstrichterliche Rechtsprechung, nimmt aber nicht dazu Stellung, ob sich die von ihr aufgeworfene Frage nicht bereits unmittelbar aus dem Gesetz praktisch ohne Zweifel beantworten lässt (vgl etwa BSG vom 28.3.2017 - B 1 KR 66/16 B - ZMGR 2017, 211 ff). Dies wäre aber angesichts der spezifischen Regelungen in § 22 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2, Satz 2 SGB II erforderlich gewesen.
"c) Für den Fall, dass b) bejaht werden sollte, unter welchen konkreten Voraussetzungen ist die Annahme, eine Immobilie verfüge über einen derart schlechten Gesamtzustand, dass die zuschussweise Übernahme der Kosten unabweisbarer Instandsetzungsmaßnahme nicht mehr in Betracht kommt, berechtigt?"
Auch hier ist - abgesehen von der Anknüpfung an Frage b) - die Klärungsbedürftigkeit nicht dargetan. Die Beschwerdebegründung verweist wiederum auf die fehlende höchstrichterliche Klärung (ohne auf die zum früheren Rechtszustand ergangene Entscheidung des BSG vom 18.9.2014 - B 14 AS 48/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 79 einzugehen), setzt sich aber nicht mit der gesetzlichen Regelung des § 22 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II auseinander, die die Angemessenheitsgrenze an die innerhalb von zwölf Monaten anfallenden unabweisbaren Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur knüpft. Dadurch soll gerade die von der Klägerin angemahnte Gleichbehandlung von Mietern und Eigentümern erreicht werden (BT-Drucks 17/3404 S 98).
"d) Ist ein Sachverständigengutachten, welches sich im Wesentlichen darauf beschränkt, einen angeblich vorhandenen Renovierungsbedarf aufzulisten, ohne hierbei zu thematisieren, inwieweit Bestandsschutz besteht, und ohne zu erläutern, welcher konkrete Maßstab für die Beurteilung, welche Baumaßnahmen erforderlich sind, verwendet worden ist, geeignet, um Feststellungen zu dem im Rahmen von § 22 Abs. 2 SGB II relevanten Gesamtzustand einer Immobilie treffen zu können?"
Diese Frage kann - ungeachtet ihres deutlichen Einzelfallbezugs - schon deshalb nicht zur Revisionszulassung führen, weil die Klägerin mit ihr im Kern die Beweiswürdigung des LSG rügt. Dies ist indes nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ausdrücklich ausgeschlossen. Diese Regelung darf nicht durch Geltendmachung grundsätzlicher Bedeutung umgangen werden (stRspr; siehe nur BSG vom 22.9.2020 - B 13 R 45/20 B - juris RdNr 11 mwN).
Eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2017, § 160 RdNr 119). Diese Anforderungen sind nicht erfüllt.
Die Beschwerdebegründung enthält keine Anhaltspunkte für eine Abweichung des LSG im Grundsätzlichen. Vielmehr kritisiert sie dessen Subsumtion unter die Maßstäbe der höchstrichterlichen Rechtsprechung im vorliegenden Einzelfall.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14800476 |