Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Klärungsbedürftigkeit. Rechtsfrage schon beantwortet oder beantwortbar. Ausgelaufenes Recht. Vertragsarztrecht. Internist mit Schwerpunktbezeichnung Rheumatologie. Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung. Keine Abrechnung der Gebührennummer 16 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä)
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Nichtzulasssungsbeschwerde nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat nur Erfolg, wenn eine Rechtsfrage vorliegt, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (st.Rspr.; vgl. BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 19 S 34 f). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, falls die Rechtsfrage schon beantwortet ist oder wenn Rechtsprechung zu dieser Konstellation zwar noch nicht vorliegt, sich aber die Antwort auf die Rechtsfrage aus dem Gesetz und/oder anhand der zu Teilaspekten vorliegenden Rechtsprechung klar ergibt (s.tRspr.; vgl. BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34).
2. Steht lediglich ausgelaufenes Recht in Frage, so ist ein Klärungsbedarf nur gegeben, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage des außer Kraft getretenen Rechts zu entscheiden ist oder wenn die Überprüfung der Rechtsnorm bzw. ihrer Auslegung aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung hat (s.tRspr.; vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr 19). Die bloße Behauptung des Klägers, es sei noch eine erhebliche Anzahl von Altfällen nicht bestandskräftig abgeschlossen, genügt insoweit nicht.
3. Die Rechtsfrage, ob Internisten, die berufsrechtlich zum Führen der Schwerpunktbezeichnung “Rheumatologie” berechtigt sind, auch bei Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung Anspruch auf die Vergütung nach Geb-Nr. 16 EBM-Ä haben, ist nicht klärungsbedürftig. Sie lässt sich anhand der zu Teilaspekten bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten.
4. Die vertragsärztlichen Rechte aus einer Schwerpunktbezeichnung gehen verloren, wenn ein Internist die hausärztliche Versorgung wählt, da gem. § 73 Abs. 1a S. 1 Nr. 3 SGB V nur ein Internist ohne Schwerpunktbezeichnung an der hausärztlichen Versorgung teilnehmen kann. Daraus folgt, dass ein Internist, der zwar berufsrechtlich die Schwerpunktbezeichnung Rheumatologie erworben, sich aber für die hausärztliche Versorgung entschieden hat, im vertragsärztlichen Bereich den Status eines Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung und deshalb keinen Anspruch auf die Vergütung nach Nr. 16 EBM-Ä hat.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3; SGB V § 73 Abs. 1a S. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 12. Februar 2003 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat der Beklagten deren außergerichtliche Kosten auch für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin ist Internistin und nimmt an der hausärztlichen Versorgung teil. Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) strich in den Abrechnungen der Klägerin für die Quartale IV/1997, II bis IV/1998 und I/1999 jeweils im Wege sachlich-rechnerischer Richtigstellung die von ihr angesetzten Gebühren-Nrn 16 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen ≪EBM-Ä≫ (“Kontinuierliche Betreuung eines Patienten mit rheumatoider Arthritis … durch einen Internisten … mit der Schwerpunktbezeichnung ‘Rheumatologie’” – 900 Punkte). Die Klägerin hatte mit ihrem Einwand, dass sie im Dezember 1997 die Schwerpunktbezeichnung “Rheumatologie” erworben habe, im Verwaltungsverfahren keinen Erfolg.
Das Sozialgericht hat ihrer Klage stattgegeben, das Landessozialgericht (LSG) sie dagegen abgewiesen (Urteil des LSG vom 12. Februar 2003). Im Berufungsurteil ist ausgeführt, im Bereich des Vertragsarztrechts habe sie wegen ihrer Entscheidung für die hausärztliche Versorgung die Rechtsstellung einer Internistin ohne Schwerpunktbezeichnung (vgl § 73 Abs 1a Satz 1 Nr 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB V≫) und deshalb keinen Anspruch auf die Vergütung nach Geb-Nr 16 EBM-Ä.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.
Ihr Vorbringen, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung zu (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ ), entspricht zwar den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG. Die Beschwerde ist mithin zulässig. Sie ist aber unbegründet, denn nicht alle Erfordernisse für die Zulassung der Revision sind erfüllt. Diese setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BVerfG ≪Kammer≫, SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14; s auch BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 19 S 34 f; Nr 30 S 57 f mwN). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, falls die Rechtsfrage schon beantwortet ist, ebenso dann, wenn Rechtsprechung zu dieser Konstellation zwar noch nicht vorliegt, sich aber die Antwort auf die Rechtsfrage aus dem Gesetz und/oder anhand der zu Teilaspekten vorliegenden Rechtsprechung klar ergibt (zur Verneinung der Klärungsbedürftigkeit im Falle klarer Antwort siehe zB BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6 und § 160a Nr 21 S 38). Diese Anforderungen sind insgesamt verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl zB BVerfG ≪Kammer≫, Beschluss vom 29. Mai 2001 – 1 BvR 791/01 –, und früher schon BVerfG ≪Kammer≫, SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 10 f; Nr 7 S 14; s auch BVerfG ≪Kammer≫, DVBl 1995, 35).
Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage,
ob Internisten, die berufsrechtlich zum Führen der Schwerpunktbezeichnung “Rheumatologie” berechtigt sind, auch bei Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung Anspruch auf die Vergütung nach Geb-Nr 16 EBM-Ä haben,
ist nicht klärungsbedürftig. Denn sie lässt sich anhand der zu Teilaspekten bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten.
Im Senatsurteil vom 26. Juni 2002 – B 6 KA 6/01 R – (SozR 3-2500 § 115b Nr 3) ist ausgeführt, dass für die Frage, ob ein Vertragsarzt Leistungen erbringen und abrechnen darf, die einem bestimmten Fachgebiet zugeordnet sind, entscheidend ist, ob er für dieses Fachgebiet zugelassen ist. Er darf in der vertragsärztlichen Versorgung nicht systematisch Leistungen außerhalb des Gebiets seines Zulassungsstatus durchführen, auch wenn er auf Grund seiner Weiter- und Fortbildung die berufliche Qualifikation für die Erbringung dieser Leistungen besitzt (BSG aaO S 8). Daraus ergibt sich, dass es für die vertragsärztlichen Vergütungstatbestände des EBM-Ä auf die Zulassung, dh auf den vertragsärztlichen Status, ankommt. Dementsprechend erfasst die Zuordnung von EBM-Ä-Geb-Nrn zum “Internisten mit der Schwerpunktbezeichnung Rheumatologie” nur den Internisten, der auch im vertragsärztlichen Bereich von der sich aus der Bezeichnung ergebenden Rechtsstellung Gebrauch machen darf.
Die vertragsärztlichen Rechte aus einer Schwerpunktbezeichnung gehen verloren, wenn ein Internist die hausärztliche Versorgung wählt. Denn gemäß § 73 Abs 1a Satz 1 Nr 3 SGB V kann nur ein Internist ohne Schwerpunktbezeichnung an der hausärztlichen Versorgung teilnehmen. Die Rechtmäßigkeit dieser Regelungszusammenhänge ergibt sich aus den Urteilen, in denen der Senat die Aufgliederung in einen haus- und einen fachärztlichen Versorgungsbereich mit den zugehörigen Einzelbestimmungen als rechtmäßig beurteilt hat (BSGE 80, 256, 262 ff = SozR 3-2500 § 73 Nr 1 S 7 ff; SozR aaO § 87 Nr 17 S 76 f; MedR 1999, 476, 478 f; s auch BVerfG ≪Kammer≫, NJW 1999, 2730, 2731; Ausnahme: BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 17 S 78-80 ≪zur Übergangsregelung mit 30 %-Mindestquote an Hausarztfällen≫).
Daraus folgt, dass ein Internist, der zwar berufsrechtlich die Schwerpunktbezeichnung Rheumatologie erworben, sich aber für die hausärztliche Versorgung entschieden hat, im vertragsärztlichen Bereich den Status eines Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung und deshalb keinen Anspruch auf die Vergütung nach Nr 16 EBM-Ä hat.
Ein Klärungsbedarf kann auch nicht unter dem Aspekt angenommen werden, dass die vorgenannten Grundsätze im vorliegenden Fall wegen besonderer vertraglicher Regelungen oä möglicherweise unanwendbar sein könnten. Bestimmungen, die (vergleichbar dem vom Senat entschiedenen Fall ≪s BSG SozR 3-2500 § 115b Nr 3 S 8 ff≫) den Anwendungsbereich der Geb-Nr 16 EBM-Ä auf diejenigen Internisten erstreckt haben könnten, die wie die Klägerin die Schwerpunktbezeichnung zwar erworben haben, aber wegen ihrer Zuordnung zur hausärztlichen Versorgung davon keinen Gebrauch im vertragsärztlichen Bereich machen dürfen, sind nicht ersichtlich und werden auch in der Beschwerdebegründung nicht angeführt.
Ein Klärungsbedarf ergibt sich schließlich nicht aus dem Hinweis, die Regelungen des EBM-Ä über die vom 1. Juli 1997 bis zum 30. Juni 2003 geltenden Praxisbudgets nähmen in den Allgemeinen Bestimmungen A… I… Teil B Nr 5 die Geb-Nr 16 von der Anrechnung auf Praxisbudgets aus. Die Klägerin interpretiert diese Herausnahme aus dem Praxisbudget dahin, dass die Geb-Nr 16 EBM Ä auf die hausärztlichen Internisten gemünzt sein müsse, da es ein Praxisbudget für fachärztliche Internisten nicht gebe, und folgert weiter, dass der EBM-Ä also offenbar die Geb-Nr 16 EBM-Ä dem Grunde nach als abrechenbar für hausärztliche Internisten ansehe. Diese Argumentation greift indessen nicht durch.
Die Herausnahme aus dem Praxisbudget ist nicht auf die hausärztlichen Internisten, sondern auf die hausärztlich tätigen Kinderärzte (zu diesen s § 73 Abs 1a Satz 2 ≪bis 1999≫ bzw Satz 3 ≪ab 2000≫ SGB V) zugeschnitten. Für diese ist im EBM-Ä ein Praxisbudget normiert, und sie können auch ohne Zusatzbezeichnung die Geb-Nr 16 EBM-Ä abrechnen, dies auf Grund der Bestimmung des EBM-Ä in den Allgemeinen Bestimmungen A… I… Teil B Nr 5 sogar außerhalb des Praxisbudgets. Hier hat diese Regelung ihren Anwendungsraum.
Ihre Anwendbarkeit setzt mithin nicht, wie die Klägerin meint, die Abrechenbarkeit der Geb-Nr 16 EBM-Ä durch hausärztliche Internisten voraus.
Der Annahme eines Klärungsbedarfs steht im Übrigen auch entgegen, dass die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage nicht mehr in Kraft befindliches Recht betrifft. Der Tatbestand der Geb-Nr 16 EBM-Ä erfasst seit dem 1. Juli 2002 nicht mehr die Internisten mit der Schwerpunktbezeichnung Rheumatologie.
Steht lediglich so genanntes ausgelaufenes Recht in Frage, so ist ein Klärungsbedarf nur gegeben, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage des außer Kraft getretenen Rechts zu entscheiden ist oder wenn die Überprüfung der Rechtsnorm bzw ihrer Auslegung aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung hat (BSG SozR 1500 § 160a Nr 19; ebenso zB Senatsbeschluss vom 27. September 2001 – B 6 KA 27/01 B – mwN). Diese Anforderungen sind nicht erfüllt.
Das Vorbringen der Klägerin, die Abrechenbarkeit der Geb-Nr 16 EBM-Ä sei auch zahlreichen anderen Internisten, die die Schwerpunktbezeichnung erworben haben, aber hausärztlich tätig sind, versagt worden, reicht nicht aus. Denn dies ergibt nicht notwendigerweise eine Vielzahl noch anhängiger Streitfälle. Die bloße Behauptung, es sei noch eine erhebliche Anzahl von Altfällen nicht bestandskräftig abgeschlossen, genügt nicht.
Ebenso wenig reicht das Vorbringen aus, dass die Anwendung der Geb-Nr 16 EBM-Ä auf hausärztliche Internisten von den verschiedenen KÄVen unterschiedlich gehandhabt worden sei.
Unzureichend ist auch der Hinweis, vergleichbare Rechtsfragen seien für den fortgeltenden Tatbestandspassus “Internisten mit der Schwerpunktbezeichnung Pneumologie” weiterhin relevant.
Mithin besteht deshalb, weil die Antwort auf die Rechtsfrage durch die bereits vorliegende Rechtsprechung klar vorgezeichnet ist, sowie angesichts des Außerkraftseins des hier entscheidungserheblichen Vergütungstatbestandes kein Klärungsbedarf.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG (in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung).
Fundstellen