Verfahrensgang
SG Dresden (Entscheidung vom 11.05.2017; Aktenzeichen S 26 R 992/16) |
Sächsisches LSG (Urteil vom 05.11.2018; Aktenzeichen L 6 R 340/17) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 5. November 2018 (L 6 R 340/17) Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines noch zu benennenden Prozessbevollmächtigten zu gewähren, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Das Sächsische LSG hat mit Urteil vom 5.11.2018 den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente verneint. Die Revision gegen dieses Urteil hat das LSG nicht zugelassen.
Mit privatschriftlichem Schreiben vom 21.11.2018, das am 30.11.2018 beim BSG eingegangen ist, hat die Klägerin "Beschwerde" gegen die Entscheidung des LSG eingelegt. Zugleich hat sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines noch nicht benannten Prozessbevollmächtigten beantragt.
II
1. Der Senat wertet das Schreiben der Klägerin als Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil. Eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 160a SGG stellt den einzig in Betracht kommenden Rechtsbehelf gegen das von ihr ersichtlich angegriffene Berufungsurteil dar. Den von der Klägerin zugleich gestellten PKH-Antrag legt der Senat entsprechend dahin aus, dass er auf die Bewilligung von PKH für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gerichtet ist.
2. Der so verstandene PKH-Antrag ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es hier. Die von der Klägerin angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde verspricht keine hinreichende Erfolgsaussicht. Die Revision darf gemäß § 160 Abs 2 SGG nur zugelassen werden, wenn einer der dort abschließend genannten Revisionszulassungsgründe vorliegt. Nach Durchsicht der beigezogenen Akten des LSG ist das hier nicht der Fall. Auf diese Durchsicht hat sich die Prüfung durch den Senat konzentriert, weil die Klägerin zur Begründung ihres Antrags keine Revisionszulassungsgründe geltend macht. Mit der Ablehnung des PKH-Antrags der Klägerin entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
a) Es ist nach Aktenlage nicht ersichtlich, dass ein zur Vertretung vor dem BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 2 iVm Abs 4 Satz 1 SGG) erfolgreich geltend machen könnte, der Rechtssache komme eine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) zu. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Eine derartige Rechtsfrage stellt sich in diesem Rechtsstreit nicht. Insbesondere bedarf es keiner Klärung, ob der Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente voraussetzt, dass der Versicherte in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hat. Das ergibt sich unmittelbar aus § 43 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB VI für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und aus § 43 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI für die Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wäre auch nicht erfolgreich geltend gemacht, wenn entsprechend dem Berufungsvorbringen dargelegt würde, die Klägerin sei bereits im Zeitpunkt ihres ersten Rentenantrags vom 31.5.2011 erwerbsgemindert gewesen und bezogen auf diesen Leistungsfall würden die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Daraus lässt sich unter keinem Gesichtspunkt eine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit des § 43 SGB VI oder einer anderen konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht ableiten, die sich ernsthaft stellen würde. Ebenso wenig erwächst eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage daraus, dass das LSG, was die Klägerin als Widerspruch erlebt, das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer Erwerbsminderungsrente sowohl für einen Leistungsfall am 15.3.2016 (Antragstellung bei der Beklagten) als auch für den vom Sachverständigen Dr. S. angenommenen Leistungsfall im Februar 2016 verneint hat und gleichzeitig mit Urteil vom 5.11.2018 in der Parallelsache L 6 R 339/17 = B 13 R 320/18 B ausgeführt hat, die von der Klägerin begehrte Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben sei wegen ihrer im Februar 2016 bestehenden Leistungseinschränkungen ab diesem Zeitpunkt nicht mehr erfolgversprechend gewesen. Dass das LSG dem klägerischen Vorbringen zum Leistungsfall nicht gefolgt ist und die Klägerin das Berufungsurteil inhaltlich für unzutreffend hält, eröffnet die Revisionsinstanz nicht.
b) Es ist nach der Aktenlage nicht erkennbar, dass der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) vorliegt. Die angefochtene Entscheidung des LSG ist nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen.
c) Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Insbesondere liegt kein rügefähiger Verfahrensmangel darin, dass das LSG nach Aktenlage über die Berufung der Klägerin entschieden hat, nachdem diese im Termin am 5.11.2018 nicht erschienen war. § 126 SGG ermöglicht den Gerichten ua dann eine Entscheidung nach Lage der Akten, wenn in einem Termin Beteiligte ausbleiben, die erschienenen Beteiligten dies beantragen und die nicht erschienenen Beteiligten in der Ladung auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach Aktenlage hingewiesen worden sind. Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind im Termin am 5.11.2018 erfüllt gewesen. Insbesondere war die Klägerin, deren persönliches Erscheinen nicht angeordnet worden war, in der Terminsbestimmung vom 21.9.2018 auf die Möglichkeit hingewiesen worden, im Falle ihres Ausbleibens auch nach Lage der Akten zu entscheiden. Es begegnet keinerlei Bedenken, dass das LSG sich bei dieser Sachlage im Termin für einen Übergang in ein schriftliches Verfahren entschieden hat. Ist wie vorliegend einem Beteiligten das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden, kann das Gericht die mündliche Verhandlung auch ohne den ordnungsgemäß geladenen, aber nicht erschienenen Prozessbeteiligten durchführen oder nach § 126 SGG nach Aktenlage entscheiden, ohne dass dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt würde (vgl BSG Beschluss vom 21.6.1983 - 4 RJ 3/83 - juris RdNr 12 = VdKMitt 1983, 12, 46; BSG Beschluss vom 30.8.2018 - B 2 U 230/17 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 38 - juris RdNr 5). Es sind keine Umstände ersichtlich, angesichts derer sich das LSG ausnahmsweise zur Durchführung einer "einseitigen" mündlichen Verhandlung oder gar zur Vertagung hätte gedrängt fühlen müssen, zumal die Klägerin mit Schriftsatz vom 4.10.2018 angekündigt hatte, zum Termin nicht zu erscheinen, ua weil sie sich "das dumme Gequatsche ersparen" wolle.
Ebenso wenig ist ein rügefähiger Verfahrensmangel darin zu erblicken, dass das LSG von der Anordnung des persönlichen Erscheinens der Klägerin (§ 111 Abs 1 SGG) abgesehen hat. Die Anordnung steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts und lässt ihm einen großen Entscheidungsspielraum (stRspr; vgl BSG Urteil vom 15.7.1992 - 9a RV 3/91 - juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 4.5.2017 - B 3 KR 5/17 B - juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 13.11.2017 - B 13 R 152/17 B - juris RdNr 11). Weder Art 103 Abs 1 GG noch § 62 SGG verlangen, dass das Gericht dafür Sorge zu tragen hat, dass jeder Beteiligte auch persönlich vor Gericht auftreten kann. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens kann nur im Ausnahmefall geboten sein, etwa wenn der schriftliche Vortrag eines Beteiligten wegen Unbeholfenheit oder Sprachunkenntnis keine Sachverhaltsaufklärung gewährleistet und ein Erscheinen auf eigene Kosten sich als undurchführbar erweist (vgl BSG Urteil vom 15.7.1992 - 9a RV 3/91 - juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 13.11.2017 - B 13 R 152/17 B - juris RdNr 11). Ein derartiger Ausnahmefall hat hier nicht vorgelegen. Selbst eingedenk der Unmutsäußerungen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 4.10.2018 (sie halte die lange Autofahrt von ihrem Wohnort nach C. nicht aus; sie könne und wolle die damit verbundenen Kosten nicht aufbringen; sie werde 15 Tage vor dem anberaumten Termin operiert) ist nicht ersichtlich, dass der Klägerin der Zugang zum Gericht wegen Mittellosigkeit oder aus anderen Gründen praktisch versperrt oder erschwert worden wäre. Sie war zu schriftlichem Vortrag in der Lage; hat von dieser Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen, auch in jedem Verfahrensstadium umfassend Gebrauch gemacht, und es spricht nichts dafür, dass ihr schriftsätzliches Vorbringen im konkreten Fall zur Sachaufklärung nicht ausgereicht hat.
3. Die von der Klägerin selbst eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG). Sie ist bereits deswegen unzulässig, weil sie formunwirksam ist. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 2 iVm Abs 4 Satz 1 SGG) eingereicht werden. Hierauf ist die Klägerin in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils ausdrücklich hingewiesen worden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13729658 |