Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensmangel. Anhörungsmitteilung. Rechtskundig vertretener. Keine weitere Sachaufklärung. Beweisantrag. Beweisanregung
Leitsatz (redaktionell)
Der Anhörungsmitteilung nach § 153 Abs. 4 SGG muss jedenfalls ein rechtskundig vertretener Beteiligter auch entnehmen, dass das Berufungsgericht keine weitere Sachaufklärung mehr beabsichtigt und dass es etwaige schriftsätzlich gestellte Beweisanträge lediglich als Beweisanregungen, nicht aber als förmliche Beweisanträge ansieht, so dass der Beteiligte nach Zugang der Anhörungsmitteilung dem LSG ausdrücklich die Aufrechterhaltung schriftsätzlich gestellter Beweisanträge mitteilen oder neue förmliche Beweisanträge stellen muss.
Normenkette
SGG §§ 103, 109, 118 Abs. 1 S. 1, § 128 Abs. 1 S. 1, § 153 Abs. 4, § 160 Abs. 2 Nr. 3, § 160a Abs. 2 S. 3, Abs. 4 S. 2; ZPO § 373
Verfahrensgang
SG Stralsund (Entscheidung vom 13.06.2017; Aktenzeichen S 12 R 54/15) |
LSG Mecklenburg-Vorpommern (Beschluss vom 07.03.2018; Aktenzeichen L 7 R 125/17) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 7. März 2018 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Beschwerde zugrundliegenden Rechtsstreit hat das LSG mit Beschluss vom 7.3.2018 einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich ausschließlich auf einen Verfahrensmangel (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
II
Die Beschwerde der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Dass die Klägerin das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann dagegen nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).
Die Beschwerdebegründung der Klägerin vom 10.4.2018 und der ergänzende Schriftsatz vom 5.6.2018 genügen nicht den Anforderungen an die Bezeichnung des allein geltend gemachten Verfahrensmangels eines Verstoßes des LSG gegen die Amtsermittlungspflicht aus § 103 SGG durch Unterlassen des Einholens weiterer Sachverständigengutachten von Amts wegen gemäß § 106 SGG.
Zur Bezeichnung eines Verfahrensmangels iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4 mwN; BSG Beschluss vom 20.2.2018 - B 10 LW 3/17 B - Juris RdNr 4). Zu beachten ist, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG). Zudem kann ein - wie hier - in der Berufungsinstanz rechtsanwaltlich vertretener Beteiligter nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seiner Entscheidung wiedergibt (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 18c mwN). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn - wie hier - das LSG von der ihm durch § 153 Abs 4 SGG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen. Der in einem solchen Fall den Beteiligten zugestellten Anhörungsmitteilung nach § 153 Abs 4 SGG muss jedenfalls ein rechtskundig vertretener Beteiligter auch entnehmen, dass das Berufungsgericht keine weitere Sachaufklärung mehr beabsichtigt und dass es etwaige schriftsätzlich gestellte Beweisanträge lediglich als Beweisanregungen, nicht aber als förmliche Beweisanträge iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ansieht. Nach Zugang der Anhörungsmitteilung muss daher der Beteiligte, der schriftsätzlich gestellte Beweisanträge aufrechterhalten oder neue Beweisanträge stellen will, dem LSG ausdrücklich die Aufrechterhaltung dieser Anträge mitteilen oder neue förmliche Beweisanträge stellen (vgl BSG Beschluss vom 9.3.2016 - B 1 KR 6/16 B - Juris RdNr 4 f mwN; BSG Beschluss vom 7.2.2017 - B 13 R 389/16 B - Juris RdNr 9).
Es kann dahinstehen, ob die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung einen ordnungsgemäßen Beweisantrag iS des § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 373 ZPO bezeichnet hat. Jedenfalls hat sie nicht dargelegt, diesen in der vorstehend umschriebenen Weise aufrechterhalten zu haben. In der Beschwerdebegründung fehlen notwendige Angaben zum zeitlichen Ablauf des Verfahrens. Anders als nach § 160a Abs 2 S 3 SGG erforderlich ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, in welchem Verfahrensstadium die Beweisanträge gestellt worden sind. Insbesondere ist nicht erkennbar, ob dies vor oder nach der Anhörungsmitteilung des LSG erfolgt ist. Sogar die Tatsache, dass das LSG nach § 153 Abs 4 SGG durch Beschluss anstelle eines Urteils entschieden hat, wird in der Begründung nicht dargestellt und ist nur der Einleitung zum Antrag auf deren Seite 1 zu entnehmen.
Ein Verfahrensmangel wird ebenfalls nicht ordnungsgemäß bezeichnet, wenn die Klägerin sinngemäß ausführt, dass sich das LSG im angegriffenen Urteil nicht "lediglich auf das Gutachten des Herrn Doktor W." hätte stützen dürfen, und sie diese Ausführungen durch Vorlage medizinischer Unterlagen untermauert. Dies zielt auf eine vermeintlich fehlerhafte Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG kann ein Verfahrensmangel jedoch nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13175181 |