Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 29.04.2021; Aktenzeichen S 6 R 383/20)

Hessisches LSG (Beschluss vom 09.02.2022; Aktenzeichen L 2 R 283/21 WA)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 9. Februar 2022 - L 2 R 283/21 WA - vor dem Bundessozialgericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Beschluss wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Berufungsverfahrens.

In einem Verfahren über die Gewährung einer höheren Altersrente unter Berücksichtigung weiterer rentenrechtlicher Zeiten hat das Hessische LSG mit Urteil vom 16.10.2018 (L 2 R 42/18) die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Frankfurt am Main vom 30.11.2017 zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Mit Beschluss vom 17.1.2019 (B 5 R 331/18 B - zugestellt am 8.2.2019) hat der Senat die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers als unzulässig verworfen und einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt. Auch eine erneute Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil des Hessischen LSG und ein weiterer Antrag auf Bewilligung von PKH sind ebenso wie eine Anhörungsrüge und eine Gegenvorstellung ohne Erfolg geblieben (Senatsbeschluss vom 15.8.2019 - B 5 R 204/19 B).

Das SG Frankfurt am Main hat mit Gerichtsbescheid vom 29.4.2021 eine Klage mit dem Antrag auf "Entscheidung über Wiedereinsetzung" abgewiesen. Mit Beschluss vom 9.2.2022 hat das LSG eine Wiederaufnahmeklage gegen sein Urteil vom 16.10.2018 als unzulässig verworfen. In zwei Schreiben vom 10.3.2022 hat der Kläger Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss vom 9.2.2022 erhoben und einen Antrag auf Bewilligung von PKH gestellt.

II

1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Einem Beteiligten kann für das Verfahren vor dem BSG nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Nach Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Gerichtsakten ist dies nicht der Fall.

Der Kläger könnte allerdings einen Verfahrensmangel gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend machen, der als solcher zur Zulassung der Revision führen kann. Zwar ist nicht zu beanstanden, dass das LSG über die Wiederaufnahmeklage gegen sein früheres Urteil vom 16.10.2018 durch Beschluss nach § 158 Satz 2 SGG entschieden hat. Über eine unzulässige Wiederaufnahmeklage kann durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (BSG Beschluss vom 10.7.2012 - B 13 R 53/12 B - SozR 4-1500 § 158 Nr 6 RdNr 11 ff). Da das Wiederaufnahmeverfahren die Fortsetzung des abgeschlossenen Verfahrens vor dem Gericht bezweckt, das zuletzt in der Sache entschieden hat (vgl § 584 Abs 1 ZPO; BSG Beschluss vom 23.4.2014 - B 14 AS 368/13 B - SozR 4-1500 § 179 Nr 1 RdNr 15), ist hierfür unerheblich, dass zuvor das SG mit Gerichtsbescheid vom 29.4.2021 eine Klage auf Gewährung einer höheren Altersrente abgewiesen hat; die Beschränkung in § 153 Abs 4 Satz 1 SGG gilt insoweit nicht. Das LSG hat es jedoch versäumt, den Kläger vor der Beschlussfassung anzuhören. Auch wenn eine Anhörung in § 158 SGG nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist, ergibt sich diese Verpflichtung aus § 62 SGG, wonach den Beteiligten vor jeder Entscheidung rechtliches Gehör zu gewähren ist (vgl BSG Beschluss vom 24.4.2008 - B 9 SB 78/07 B - SozR 4-1500 § 158 Nr 3 RdNr 9).

Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist aber deswegen abzulehnen, weil der Kläger letztlich in der Sache nicht erreichen kann, was er mit dem Prozess erreichen will. Die hinreichende Erfolgsaussicht ist bei einer Entscheidung über die Bewilligung von PKH für ein Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht allein danach zu beurteilen, ob aufgrund von Verfahrensfehlern die Revision zuzulassen wäre. Vielmehr ist PKH auch dann zu versagen, wenn der Antragsteller letztlich in der Sache nicht erreichen kann, was er mit dem Prozess erreichen will, wenn die Revision also im Falle ihrer Zulassung nicht zum Erfolg führen kann oder der Antragsteller selbst nach einer Zurückverweisung der Sache an das LSG unterliegen muss (vgl BSG Beschluss vom 29.10.2020 - B 5 R 131/20 B - juris RdNr 12 mwN). PKH hat nicht den Zweck, Bedürftigen die Durchführung von Verfahren zu ermöglichen, die im Ergebnis nicht zu ihrem Vorteil ausgehen können und die ein vernünftig abwägender bemittelter Rechtsuchender auf eigene Kosten nicht führen würde (stRspr; vgl BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 13.7.2005 - 1 BvR 1041/05 - SozR 4-1500 § 73a Nr 3 RdNr 10 ff; BSG Beschluss vom 15.12.2015 - B 13 R 9/15 B - juris RdNr 6 mwN).

Eine solche Konstellation besteht hier. Nachdem der Kläger alle ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe ausgeschöpft hatte, wurde das Urteil des LSG vom 16.10.2018 (L 2 R 42/18) im Jahr 2019 rechtskräftig. Deshalb kann der Rechtsstreit über die Gewährung einer höheren Altersrente nur unter den Voraussetzungen einer Wiederaufnahmeklage nach § 179 SGG fortgeführt werden. Diese sind erkennbar nicht erfüllt. Die Statthaftigkeit einer solchen Klage setzt - neben weiteren Prozessvoraussetzungen - die schlüssige Darlegung eines gesetzlichen Wiederaufnahmegrundes voraus (vgl Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 179 RdNr 9 mwN). Das LSG hat zutreffend ausgeführt, dass keiner der im Gesetz abschließend aufgeführten Wiederaufnahmegründe nach § 179 Abs 1 SGG iVm §§ 578 ff ZPO ersichtlich ist. Die vom Kläger vorgetragenen Umstände waren bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Urteils vom 16.10.2018 bekannt. Insbesondere ist der Wiederaufnahmegrund des "Auffindens einer Urkunde" iS von § 580 Nr 7b ZPO nicht gegeben, auf den sich der Kläger unter Bezugnahme auf das Schreiben der Beklagten vom 8.8.2016 (Anlage 7b zu seinem Schriftsatz vom 10.3.2022) ausdrücklich beruft. Die Vorschrift meint grundsätzlich nur Urkunden, die schon vor Abschluss des Berufungsverfahrens vorhanden waren, aber in diesem Verfahren weder bereits vorgelegen haben noch hätten vorgelegt werden können (BSG Beschluss vom 11.5.1999 - B 13 RJ 219/98 B - juris RdNr 11 mwN). Letztlich wendet sich der Kläger gegen den Inhalt der Entscheidung des LSG vom 16.10.2018. Ob darin die Frage der Fristversäumnis zutreffend beurteilt worden ist (vgl dazu etwa Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 87 RdNr 4d), ist für die Zulässigkeit des Wiederaufnahmeverfahrens ebenso wie für die Frage der Revisionszulassung nicht von Belang.

Da dem Kläger keine PKH zusteht, entfällt damit zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen LSG ist unzulässig, denn sie entspricht nicht der gesetzlichen Form. Die Beschwerde konnte, worauf der Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses ausdrücklich hingewiesen worden ist, wirksam nur durch einen beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist eingelegt werden (§ 73 Abs 4, § 160a Abs 1 Satz 2 SGG). Ausnahmen hiervon sehen die gesetzlichen Regelungen nicht vor.

Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter als unzulässig zu verwerfen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Düring                                                          Gasser                                           Körner

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15285339

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