Verfahrensgang

LSG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 12.01.1995; Aktenzeichen L 2 Ar 111/94)

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 12. Januar 1995 Prozeßkostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt M. beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Klägerin begehrt von der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA) ein höheres Altersübergangsgeld (Alüg); sie wendet sich gegen die Berücksichtigung eines Kirchensteuer-Hebesatzes bei der Berechnung des maßgebenden Nettoentgelts.

Die Beschwerde, mit der die Klägerin als ausschließlichen Zulassungsgrund eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, ist unzulässig. Denn in der Beschwerdebegründung ist der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) nicht hinreichend dargelegt worden (§ 160 a Abs. 2 Satz 3 SGG).

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die – über den Einzelfall hinaus – aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung muß der Beschwerdeführer daher anhand des anwendbaren Rechts unter Berücksichtigung und in Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Fragen erwarten läßt (st Rspr – BSG SozR 1500 § 160 a Nrn 7 und 65 m.w.N.).

Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin hat zwar als klärungsbedürftige Rechtsfrage (sinngemäß) die Frage aufgeworfen, ob die Berücksichtigung eines Kirchensteuer-Hebesatzes nach § 111 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 249 e Abs. 3 Nr. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) verfassungsgemäß ist. Daß diese Rechtsfrage noch klärungsbedürftig ist, hat sie jedoch nicht hinreichend dargetan. Dazu wäre es erforderlich gewesen, sich wenigstens mit dem vom Landessozialgericht (LSG) genannten Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 23. März 1994 (BSG SozR 3-4100 § 111 Nr. 6 = NZS 1994, 417) und mit dem – zwischenzeitlich veröffentlichten – Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 15. September 1994 (BSG SozR 3-4100 § 249 e Nr. 5 – Stand: Ergänzungslieferung Februar 1995) auseinanderzusetzen. Die Klägerin hätte aufzeigen müssen, daß trotz dieser Rechtsprechung des BSG – die ebenfalls einen Anspruch auf Alüg betraf – ihr Fall noch einer ergänzenden Abgrenzung durch das Revisionsgericht bedarf. Daran fehlt es indes.

Mit dem Vorbringen, es müsse berücksichtigt werden, daß im Beitrittsgebiet, insbesondere im Land Sachsen-Anhalt, eine große Mehrheit der Bevölkerung keiner steuererhebenden Kirche angehöre, hat die Klägerin keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt. Denn mit der Frage, ob Art. 3 Grundgesetz (GG) dadurch verletzt wird, daß infolge der Generalverweisung des § 249 e Abs. 3 AFG auf § 111 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AFG auch bei den Leistungssätzen für das Alüg ein Kirchensteuer-Hebesatz anzusetzen ist, obwohl bei der Mehrheit der Arbeitnehmer im Beitrittsgebiet Kirchensteuern nicht anfallen, hat sich die zitierte Entscheidung des BSG vom 15. September 1994 eingehend auseinandergesetzt und diese Frage verneint. Dasselbe gilt für die in der Beschwerdebegründung der Klägerin angesprochene Frage, ob Art. 30 Abs. 2 Satz 2 Einigungsvertrag (EinigVtr) als Grundlage eines Anspruchs auf höheres Alüg in Betracht kommt. Auch mit dieser Rechtsfrage hat sich die Entscheidung des BSG vom 15. September 1994 auseinandergesetzt und eingehend dargelegt, daß und weshalb diese Bestimmung keinen Rechtssatz enthält, der auf unmittelbaren Vollzug angelegt ist. Auch die sonstigen Ausführungen der Beschwerde bringen keine Argumente, die eine weitere Klärungsbedürftigkeit der verfassungsrechtlichen Rechtsfrage aufzeigen. Der Hinweis auf rechtspolitische Bestrebungen des Landes Sachsen-Anhalt wegen des geringen Anteils von Kirchenmitgliedern in diesem Bundesland ist ebenfalls nicht geeignet, eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen, da es, wie der zitierten Rechtsprechung des BVerfG und des BSG entnommen werden kann, bei der Frage, ob die Kirchensteuer bei der Berechnung des Nettolohns auch künftig noch als „gewöhnlich” anfallender gesetzlicher Abzug in Ansatz zu bringen ist, nicht allein auf die Verhältnisse in den neuen Bundesländern, sondern im ganzen Bundesgebiet abzustellen ist und es auch nicht auf die Mehrheit der Bevölkerung, sondern auf die Mehrheit der Arbeitnehmer ankommt.

Entspricht die Beschwerdebegründung somit nicht den gesetzlichen Anforderungen, muß sie in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig verworfen werden.

Gleichzeitig war der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung des benannten Rechtsanwalts bereits mangels Erfolgsaussicht – unabhängig von den finanziellen Verhältnissen der Klägerin – abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1508611

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