Verfahrensgang

SG Regensburg (Entscheidung vom 20.07.2022; Aktenzeichen S 9 R 74/21)

Bayerisches LSG (Urteil vom 26.05.2023; Aktenzeichen L 13 R 386/22)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. Mai 2023 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig ein Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Die im Jahr 1962 geborene Klägerin war zuletzt im Januar 2004 versicherungspflichtig beschäftigt. Danach erhielt sie Leistungen der Bundesagentur für Arbeit und war geringfügig nicht versicherungspflichtig beschäftigt. Im November 2020 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Die Beklagte lehnte den Antrag ab. Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien zuletzt am 31.12.2006 erfüllt gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe keine Erwerbsminderung vorgelegen (Bescheid vom 9.12.2020; Widerspruchsbescheid vom 1.2.2021).

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 20.7.2022 die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat das LSG Befundberichte der behandelnden Ärzte ab dem Jahr 2006 eingeholt, die Schwerbehindertenakten des Zentrums Bayern Familie und Soziales beigezogen und die Internistin und Sozialmedizinerin L mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage zum Gesundheitsbild und zum Leistungsvermögen der Klägerin im Dezember 2006 beauftragt. Die Sachverständige hat zu diesem Zeitpunkt ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter qualitativen Leistungseinschränkungen festgehalten (Gutachten vom 17.2.2023). Das LSG hat daraufhin einen Rentenanspruch der Klägerin abgelehnt und die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 26.5.2023).

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form begründet ist. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die Umstände, aus denen sich der Verfahrensfehler ergeben soll, substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich, darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Die Klägerin rügt eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG). Sie macht dazu geltend, als Zeugen benannte Ärzte hätten vernommen werden müssen, um zu klären, ob und welche Erkrankungen bei ihr ab welchen Zeitpunkten vorliegen. Ihr Gesundheitszustand habe sich weiter verschlimmert. Nach der Begutachtung durch die Sachverständige L, die eine bereits seit Ende 2006 bestehende verminderte nervliche Belastbarkeit festgehalten habe, sei ein neurologisches psychiatrisches Fachgutachten mit einem entsprechenden psychotherapeutischen Gespräch angezeigt gewesen. Stattdessen hätten die Vorinstanzen eigene Vermutungen angestellt. Mit diesem Vortrag wird ein Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die bereits im Berufungsverfahren durch ihren Prozessbevollmächtigten rechtskundig vertretene Klägerin hat nicht vorgetragen, dass sie gegenüber dem LSG einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag zu den nach ihrer Auffassung noch weiter aufklärungsbedürftigen Punkten (vgl § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 403 ZPO) gestellt und bis zuletzt aufrechterhalten hat (zum notwendigen Inhalt eines Beweisantrags in einem Rechtsstreit über die Gewährung von Erwerbsminderungsrente vgl zB BSG Beschluss vom 8.11.2022 - B 5 R 155/22 B - juris RdNr 7 mwN). Die Bezeichnung eines solchen Beweisantrags gehört zu den grundlegenden Anforderungen an eine Rüge der Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (stRspr; vgl ua BSG Beschluss vom 3.5.2023 - B 5 R 52/23 B - juris RdNr 7).

Soweit die Klägerin darüber hinaus vorträgt, dem Tatsachengericht sei es bei fehlender Sachkunde verwehrt, medizinische Beurteilungen selbst vorzunehmen, erschließt sich aus der Beschwerdebegründung schon nicht, inwiefern das LSG "eigene Vermutungen" angestellt haben soll. Weitere Ausführungen wären insbesondere im Hinblick darauf erforderlich gewesen, dass das LSG ein medizinisches Sachverständigengutachten zum Gesundheitsbild und Leistungsvermögen der Klägerin eingeholt und die darin enthaltenen Feststellungen von L im angefochtenen Urteil umfassend wiedergegeben und gewürdigt hat. Indem die Klägerin zudem geltend macht, sie sei unter Berücksichtigung aller Umstände und aus einer Gesamtschau der zum Gesundheitszustand der Klägerin vorgelegten Befundberichte, Atteste, Krankenakten und medizinischen Sachverständigengutachten nicht mehr in der Lage, mindestens drei Stunden täglich eine Tätigkeit auszuüben, wendet sie sich gegen die Beweiswürdigung durch das LSG (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Dies kann nach dem Gesetzeswortlaut in § 160 Abs 2 Nr 3 SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht begründen.

Aus ihrem weiteren Vorbringen, die Ausführungen des LSG stellten keine "hinreichende Begründung" iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG dar, ergibt sich schon nicht, welche Verletzung von Verfahrensrecht sie rügen möchte. Hinsichtlich der geltend gemachten Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG belässt sie es bei dem bloßen Hinweis, es stünden ungeklärte Rechtsfragen im Raume. Dies ist keine ausreichende Begründung nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG(zu den dafür geltenden Anforderungen vgl zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN) .

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 183 Satz 1 iVm § 193 Abs 1 und 4 SGG.

Düring

Hannes

Körner

 

Fundstellen

Dokument-Index HI16025745

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