Entscheidungsstichwort (Thema)

Erörterungstermin. Aussichtslosigkeit des Begehrens. Verdeutlichung. Sachaufklärungsrüge. Substantiierte Angabe. Voraussichtliches Ergebnis. Beweisaufnahme. Pauschale Ausführungen, Darlegungserfordernisse

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Erörterungstermin kann auch anberaumt werden kann, um einem Beteiligten die Aussichtslosigkeit seines Begehrens zu verdeutlichen und eine Rücknahme des von ihm eingelegten Rechtsmittels anzuregen.

2. Für die Geltendmachung einer Sachaufklärungsrüge ist eine substantiierte Angabe zu dem voraussichtlichen Ergebnis der Beweisaufnahme und die Darlegung, dass die Entscheidung auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, erforderlich; pauschale Ausführungen, die angebotenen Zeugen könnten Angaben zu den tatsächlichen Verhältnissen machen und den Sachverhalt aufklären, werden diesen Darlegungserfordernissen nicht ansatzweise gerecht.

 

Normenkette

SGG §§ 62, 103, 105 Abs. 2 S. 1, §§ 109, 128 Abs. 1 S. 1, § 153 Abs. 4, § 160 Abs. 2, § 160a Abs. 2 S. 3, Abs. 4 S. 1, § 169; GG Art. 103 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Beschluss vom 03.07.2018; Aktenzeichen L 19 R 760/16)

SG Nürnberg (Entscheidung vom 08.09.2016; Aktenzeichen S 11 R 895/14)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 3. Juli 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Mit Beschluss vom 3.7.2018 hat das Bayerische LSG einen Anspruch des Klägers auf einen Rentennachzahlbetrag in Höhe von 7649,70 Euro nebst Zinsen verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf Verfahrensmängel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG.

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Beschlusses besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Der Kläger rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG).

Ein solcher Verstoß liegt ua vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 33 mwN) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19). Dementsprechend sind insbesondere Überraschungsentscheidungen verboten (vgl dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 62 RdNr 8b mwN). Zur Begründung eines entsprechenden Revisionszulassungsgrundes ist nicht nur der Verstoß gegen diesen Grundsatz selbst zu bezeichnen, sondern auch darzutun, welches Vorbringen ggf dadurch verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 36). Ferner ist Voraussetzung für den Erfolg einer Gehörsrüge, dass der Beschwerdeführer darlegt, seinerseits alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22 S 35; vgl auch BSGE 68, 205, 210 = SozR 3-2200 § 667 Nr 1 S 6).

Der Kläger sieht eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das LSG darin, dass dieses zunächst einen Erörterungstermin anberaumt, den Termin sodann auf seinen Antrag wieder aufgehoben und anschließend durch Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG entschieden habe. Dass das LSG einstimmig zu der Auffassung gelangt sei, ein Beschluss sei ausreichend und eine mündliche Verhandlung entbehrlich, sei für ihn überraschend gewesen und stehe im Widerspruch zur vorherigen Anberaumung eines Erörterungstermins.

Mit diesem Vorbringen ist eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör nicht schlüssig aufgezeigt.

Der Kläger hat schon keine Verletzungshandlung des Berufungsgerichts dargetan. Gemäß § 153 Abs 4 S 1 SGG kann das LSG, außer in den Fällen des § 105 Abs 2 S 1 SGG, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Dass diese Voraussetzungen nicht vorgelegen haben, legt der Kläger nicht dar. Ebenso wenig ist der Beschwerdebegründung zu entnehmen, dass der Kläger entgegen der Vorgabe des § 153 Abs 4 S 2 SGG vor der Entscheidung nicht angehört worden ist. Insbesondere zeigt die Beschwerdebegründung nicht schlüssig auf, warum die Verfahrensweise des Berufungsgerichts überraschend gewesen ist und im Widerspruch zur vorherigen Ladung des Erörterungstermins steht. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass ein Erörterungstermin auch anberaumt werden kann, um einem Beteiligten die Aussichtslosigkeit seines Begehrens zu verdeutlichen und eine Rücknahme des von ihm eingelegten Rechtsmittels anzuregen (vgl B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 106 RdNr 15).

Abgesehen davon hat der Kläger auch nicht vorgetragen, welches Vorbringen ihm durch das Verhalten des LSG abgeschnitten worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung hierauf beruhen kann.

Der Kläger rügt ferner eine Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG).

Bei der Geltendmachung dieses Verfahrensmangels muss die Beschwerdebegründung jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, auf Grund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN).

Der Kläger sieht eine Verletzung des § 103 SGG durch das LSG darin, dass dieses die von ihm angebotenen Beweise nicht beachtet habe. So habe er, der Kläger, beantragt, seine Ehefrau zu seinem Gesundheitszustand in den Jahren 2002 bis 2014 sowie zum Themenkreis der Betreuung zu hören. Außerdem habe er angeboten, die Sachverständige Dr. O., die ihn im Verfahren L 20 R 901/08 begutachtet habe, zu seinem Gesundheitszustand zu hören und den Steuerberater Dr. K. zu den steuerlichen Verhältnissen infolge der Rentennachzahlung zu vernehmen. Mit diesem Vorbringen ist eine Verletzung des § 103 SGG nicht schlüssig bezeichnet.

Dabei lässt der Senat dahinstehen, ob der im Berufungsverfahren nicht rechtskundig vertretene Kläger aufgezeigt hat, zweitinstanzlich ordnungsgemäße Beweisanträge gestellt und bis zum Schluss aufrechterhalten zu haben. Der Kläger hat es jedenfalls versäumt, die übrigen Voraussetzungen darzutun, die für die Geltendmachung einer Sachaufklärungsrüge erforderlich sind. Insbesondere fehlt jede substantiierte Angabe zu dem voraussichtlichen Ergebnis der Beweisaufnahme und die Darlegung, dass die Entscheidung auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann. Die pauschalen Ausführungen des Klägers, die angebotenen Zeugen könnten "Angaben zu den tatsächlichen Verhältnissen machen und den Sachverhalt aufklären", werden den Darlegungserfordernissen nicht ansatzweise gerecht.

Mit seinem übrigen Vorbringen macht der Kläger die sachliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung geltend. Hierauf kann indes ausweislich der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Revisionszulassungsgründe eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI12409425

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