Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweisantrag bei einem anwaltlich nicht vertretenen Beteiligten

 

Orientierungssatz

Selbst wenn hinsichtlich der Bezeichnung eines Anliegens als Beweisantrag bei einem anwaltschaftlich nicht vertretenen Beteiligten geringere Anforderungen gestellt werden, muß sein Vorbringen wenigstens einen Anhaltspunkt dafür hergeben, daß der Beteiligte überhaupt in einer bestimmten Richtung noch eine Aufklärung für erforderlich hält.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs 2 Nr 3, § 103 S 2

 

Verfahrensgang

LSG Hamburg (Entscheidung vom 27.06.1991; Aktenzeichen V ARBf 148/90)

 

Gründe

Der Antrag auf Prozeßkostenhilfe ist nicht begründet. Prozeßkostenhilfe darf nur gewährt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 114 Zivilprozeßordnung (ZPO)). Das ist hier nicht der Fall. Die beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde ist nämlich unzulässig.

Als Grund für die Zulassung der Revision macht die Klägerin und Beschwerdeführerin geltend, das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) beruhe auf Verfahrensmängeln iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Sie hat diese jedoch nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG erforderlichen Weise bezeichnet. Bezeichnet ist ein die Zulassung der Revision rechtfertigender Verfahrensmangel nur, wenn sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführung schlüssig ergibt, daß das LSG gegen eine entsprechende Vorschrift des Verfahrensrechts verstoßen hat und daß die getroffene Entscheidung darauf beruhen kann. Daran fehlt es hier.

Das LSG hat die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts (SG) mit der Begründung zurückgewiesen, daß die Klägerin, die eine Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des zahnärztlichen Berufs bis 31. März 1981 erhalten habe, deshalb den streitigen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) nicht besitze, weil sie nicht die nach § 104 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erforderliche Anwartschaftszeit erfülle. Sie habe nämlich in der maßgeblichen Rahmenfrist (3. Mai 1979 bis 2. Mai 1982) keine 360 Tage beitragspflichtiger Beschäftigung zurückgelegt. Ihr letztes Beschäftigungsverhältnis habe am 31. Juli 1979 geendet. In der Folgezeit seien beitragspflichtige Beschäftigungen nicht vorhanden.

Die Klägerin rügt mit der Beschwerde, das LSG habe § 128 Abs 1 Satz 2 SGG verletzt, indem es keine Ausführungen dazu gemacht habe, wie es zu der Feststellung gekommen sei, daß die Klägerin (nach dem 31. Juli 1979) bis 31. März 1981 nicht beitragspflichtig beschäftigt gewesen sei. Folglich habe das LSG offengelassen, wie es zu der Schlußfolgerung mangelnder Anwartschaftszeiterfüllung gelangt sei. Tatsächlich sei die Klägerin nach dem 31. Juli 1979 Angestellte bei Zahnarzt L. in H. gewesen, die nur beitragspflichtig gewesen sein könne. Insoweit beruft sie sich auf verschiedene von ihr in den Tatsacheninstanzen vorgelegte Unterlagen betreffend eine Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung der Zahnheilkunde. Dem LSG hätte es sich aus diesen Unterlagen aufdrängen müssen, den Zahnarzt als Zeugen zu hören, auch wenn die vor dem LSG anwaltschaftlich nicht vertretene Klägerin einen entsprechenden Beweisantrag nicht ausdrücklich gestellt habe. Diese Unterlassung der Beweiserhebung verletze auch den § 103 SGG.

Ein Verstoß gegen § 128 Abs 1 Satz 2 SGG wird durch dieses Vorbringen nicht ausreichend bezeichnet. Nach dieser Vorschrift sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das bedeutet, aus den Entscheidungsgründen muß ersichtlich sein, auf welchen Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Entscheidung beruht. Dafür muß das Gericht aber nicht auf alle Einzelheiten eingehen, insbesondere nicht des Beteiligtenvortrags. Das gilt im besonderen Maße, wenn es diesen seiner Entscheidung in tatsächlicher Hinsicht zugrunde legt, also von den tatsächlichen Angaben der Beteiligten ausgeht (vgl dazu Meyer-Ladewig, Komm z SGG, 4. Aufl, § 128 RdNr 17; § 136 RdNr 7, jeweils mwN). Die Beschwerdebegründung zeigt nicht schlüssig auf, daß das LSG insoweit verfahrensfehlerhaft gehandelt hat.

Die Klägerin hat bereits in ihrem Alg-Antrag vom 3. Mai 1982 auf die Frage nach ihren Beschäftigungen für die letzten 7 Jahre (Antragsvordruck Frage 7) drei Beschäftigungsverhältnisse nach Dauer und Arbeitgeber bezeichnet, darunter als das letzte die Beschäftigung bei Frau Dr. U. vom 15. Oktober 1976 bis 31. Juli 1979. Dies stimmt mit dem Inhalt der von ihr dem Arbeitsamt übergebenen Unterlagen überein. In ihrer Klageschrift führt die Klägerin an, daß sie wegen ablehnender Entscheidungen über die Arbeits- oder Berufserlaubnis gehindert gewesen sei, weiter beschäftigt zu sein. In ihrer Berufungsschrift wiederholt die Klägerin, daß sie wegen vielfältiger Ablehnungen (der oa Art) keine Anwartschaftszeit erfüllen bzw keine beitragspflichtige Beschäftigung ausüben konnte. Nachdem die ablehnenden Entscheidungen der Beklagten und des SG darauf gestützt waren, daß die Anwartschaftszeit deshalb nicht erfüllt sei, weil die Klägerin zuletzt nur bis 31. Juli 1979 beitragspflichtig beschäftigt gewesen sei und die Klägerin demgegenüber eine nach diesem Zeitpunkt liegende Beschäftigung - gleich welcher Art - nicht einmal behauptet hat, ist entgegen den Darlegungen der Beschwerdeführerin nicht ersichtlich, weshalb das LSG gegen seine Begründungspflicht aus § 128 Abs 1 Satz 2 SGG verstoßen haben soll, wenn es sich ohne weiteres auf die Feststellung beschränkte, daß das letzte beitragspflichtige Beschäftigungsverhältnis der Klägerin am 31. Juli 1979 endete. Das Vorbringen der Klägerin, aus dem Schreiben der Freien und Hansestadt Hamburg vom 26. März 1991 (richtig: "1981") ergebe sich, daß die Klägerin eine vorläufige Erlaubnis (zur Ausübung) des zahnärztlichen Berufs in der Praxis des Zahnarztes L. bis 31. März 1981 gehabt habe, und aus dem Schreiben des Regierungspräsidiums Düsseldorf vom 5. Mai 1982 folge, daß ausländische Zahnärzte nur die Erlaubnis für eine vorübergehende nichtselbständige Tätigkeit erhalten könnten, ergibt nicht schlüssig eine weitergehende Begründungspflicht des LSG dafür, daß die Klägerin (nur) bis 31. Juli 1979 beitragspflichtig beschäftigt war; denn jene Angaben besagen nur etwas über die Frage der Erlaubnis, nichts jedoch über die einer dementsprechenden tatsächlichen Beschäftigung. Dasselbe gilt für den weiter angezogenen Bescheid der Freien und Hansestadt Hamburg vom 24. Februar 1982; denn dort ist entgegen der Behauptung der Klägerin nur ausgeführt, daß die der Klägerin erteilte befristete widerrufliche Erlaubnis sie bis 31. März 1981 zur Ausübung des zahnärztlichen Berufs in einer Tätigkeit als zahnärztliche Assistentin bei einem Zahnarzt in H. berechtigte, nicht etwa, daß sie dort auch tatsächlich tätig gewesen ist. Nicht von ungefähr hat schon die Freie und Hansestadt Hamburg in dem von der Klägerin ebenfalls vorgelegten Schreiben vom 25. Juni 1986 auf diesen Umstand hingewiesen und die Klägerin aufgefordert, ein entsprechendes Zeugnis nachzureichen. Daß sie ein solches beigebracht habe, behauptet die Klägerin allerdings nicht. Die geltend gemachte Verletzung der Begründungspflicht des LSG ist mithin nicht iS von § 160a Abs 2 Satz 3 SGG aufgezeigt worden.

Auch den behaupteten Verstoß des LSG gegen seine Amtsermittlungspflicht aus § 103 SGG hat die Klägerin nicht in der gebotenen Weise bezeichnet. Dieser könnte gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nur vorliegen, wenn das LSG einem Beweisantrag der Klägerin ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt wäre. Die Klägerin räumt ein, einen Beweisantrag ausdrücklich nicht gestellt zu haben, weil sie vor dem LSG nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten gewesen sei. Das reicht hier jedoch nicht aus. Denn selbst wenn hinsichtlich der Bezeichnung eines Anliegens als Beweisantrag bei einem anwaltschaftlich nicht vertretenen Beteiligten geringere Anforderungen gestellt werden könnten, muß sein Vorbringen wenigstens einen Anhaltspunkt dafür hergeben, daß der Beteiligte überhaupt in einer bestimmten Richtung noch eine Aufklärung für erforderlich hält. Für die hier geforderte Zeugenvernehmung des Zahnarztes L. ist dieses jedoch nach dem Vorbringen der Beschwerde unter keinem Gesichtspunkt zu erkennen. Die Klägerin trägt nämlich nicht vor, daß und wann sie im Verfahren vor dem LSG einmal behauptet hat, nach dem 31. Juli 1979 tatsächlich beschäftigt gewesen zu sein, insbesondere bei dem Zahnarzt L.; wie dargelegt, ergibt sich dieses auch nicht aus den vorgelegten Unterlagen, auf die sie sich jetzt beruft. Allein der Hinweis, sie habe Alg geltend gemacht und die ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen eingereicht, aus denen sich der Leistungsanspruch herleiten sollte, macht nicht nachvollziehbar, weshalb das LSG daraus habe schließen müssen, die Klägerin wolle entgegen ihrer sonstigen Angaben geltend machen, sie sei noch nach dem 31. Juli 1979 tatsächlich bei dem Zahnarzt L. beschäftigt gewesen. Letztlich kann dies jedoch auf sich beruhen. Selbst wenn nämlich von einem übergangenen Beweisantrag ausgegangen werden könnte, hat die Klägerin nicht dargelegt, weshalb das Urteil des LSG auf einem solchen Mangel beruhen kann. Dazu wären Angaben erforderlich gewesen, zu welchem Ergebnis die Beweiserhebung überhaupt geführt, hier also, was der Zahnarzt L. bekundet hätte (vgl dazu Hennig/Danckwerts/König, SGG, § 160a Erl 7.9.3 mwN). Daran fehlt es jedoch völlig.

Der Beschwerde muß deshalb der Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1651551

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