Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. November 2011 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Mit Beschluss vom 9.11.2011 hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung wurde Beschwerde zum BSG eingelegt. In der Beschwerdebegründung werden Verfahrensmängel und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil kein Zulassungsgrund ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),

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das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

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ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

I. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht.

Eine Verletzung des § 153 Abs 4 S 1 SGG ist nicht hinreichend bezeichnet. Nach dieser Vorschrift kann das LSG, außer in den Fällen des § 105 Abs 2 S 1 SGG, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Wenn die Klägerin geltend macht, diese Voraussetzungen seien "im vorliegenden Fall jedoch gerade nicht gegeben" gewesen, hätte sie zumindest darlegen müssen, dass das SG entweder durch Gerichtsbescheid (§ 105 SGG) entschieden oder die erforderliche Einstimmigkeit gefehlt oder die notwendige Überzeugung, eine mündliche Verhandlung sei entbehrlich, in Wahrheit nicht vorgelegen habe. Hieran fehlt es.

Soweit die Beschwerdebegründung rügt, das LSG habe nicht im vereinfachten Beschlussverfahren entscheiden dürfen, weil "der Sachverhalt nicht … abschließend aufgeklärt" gewesen sei, gilt Folgendes: Wer seinen Einwand, das Gericht habe ermessensfehlerhaft keine mündliche Verhandlung durchgeführt, auf mangelnde Sachaufklärung stützt, muss sich auf einen Beweisantrag beziehen, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 iVm § 103 SGG). Diese engen Voraussetzungen der Sachaufklärungsrüge darf der Beschwerdeführer keinesfalls dadurch leer laufen lassen oder umgehen, indem er auf andere Verfahrensrügen ausweicht (vgl Senatsbeschlüsse vom 16.1.2012 - B 5 R 376/11 B - BeckRS 2012, 65977, vom 22.10.2008 - B 5 KN 1/06 B - Juris RdNr 15 und vom 26.11.1975 - 5 BKn 5/75 - SozR 1500 § 160 Nr 13). Deshalb hätte die Klägerin in der Beschwerdeschrift zumindest Fundstelle und Wortlaut eines prozessordnungskonformen Beweisantrags wiedergeben und darlegen müssen, sie habe im Rahmen der Anhörung nach § 153 Abs 4 S 2 SGG einen derartigen Beweisantrag - im hier maßgeblichen Sinn der ZPO - erstmals gestellt oder wiederholt. Andernfalls ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sich ein schriftsätzlich gestellter Beweisantrag erledigt hat (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 52). Wenn die Beschwerdebegründung in diesem Zusammenhang geltend macht, aus den Ausführungen im Schriftsatz vom 22.3.2011 ergebe sich "zwingend, dass die Klägerin weitere Sachverhaltsaufklärung in Form eines fundierten Gutachtens, erstellt von einem anerkannten und auf dem Gebiet der Borreliose-Behandlung und -forschung auch tätigen (!) Fachmediziners" gewünscht habe, werden damit jedenfalls nicht die einzelnen das Beweisthema bestimmenden Punkte (vgl § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 403 ZPO) bezeichnet.

II. Auch die Grundsatzrüge hat keinen Erfolg. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, § 160a RdNr 41).

Die Beschwerdebegründung wird schon dem ersten Erfordernis nicht gerecht. Denn die Klägerin hat keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zum Anwendungsbereich einer konkreten revisiblen (Bundes-)Norm (vgl § 162 SGG) gestellt, die der Senat mit "ja" oder "nein" beantworten könnte (vgl Senatsbeschlüsse vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10 und vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7 sowie BAGE 121, 52 RdNr 5 f). Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 181). Keinesfalls gehört es zu den Aufgaben des BSG, den Vortrag daraufhin zu untersuchen, ob sich aus ihm evtl eine entsprechende Rechtsfrage herausfiltern ließe (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI16186697

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