Verfahrensgang

LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 19.07.2017; Aktenzeichen L 1 R 411/16)

SG Lüneburg (Entscheidung vom 27.06.2016; Aktenzeichen S 13 R 502/13)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 19. Juli 2017 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Urteil Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt R., zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Mit Urteil vom 19.7.2017 hat das LSG Niedersachsen-Bremen einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung verneint und auf die Berufung der Beklagten den Gerichtsbescheid des SG Lüneburg vom 27.6.2016 aufgehoben sowie die Klage insgesamt abgewiesen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt und zugleich einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) gestellt. Der Kläger macht als Zulassungsgrund Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend.

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

a) Der Kläger trägt vor, das LSG sei der Feststellung des ärztlichen Sachverständigen Dr. L., die Beeinträchtigungen des Leistungsvermögens des Klägers hätten bereits im Jahr 2001 bestanden, nicht gefolgt und habe sich stattdessen auf das Ergebnis der Begutachtung durch Dr. S. gestützt in der Annahme, es fehlten medizinische Unterlagen zu den Jahren vor 2007. Soweit der Kläger dazu weiter vorträgt, das von Dr. S. nach Aktenlage erstellte neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 24.11.2016 und die Stellungnahme vom 17.1.2017 seien insbesondere aufgrund der nicht vollständig bzw nicht ausführlich ausgewerteten Akten sowie aufgrund der vom Sachverständigen fachfremd getroffenen Feststellungen auf dem Gebiet der Inneren Medizin nicht schlüssig, wendet er sich zunächst gegen die Auswertung und Würdigung des Sachverständigengutachtens durch das LSG. Dies ist für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren jedoch unerheblich. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG auf eine fehlerhafte Beweiswürdigung unter Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG nicht gestützt werden. Dies gilt auch soweit der Kläger unter Hinweis auf die besondere Fachkompetenz des Dr. L. und die an diesen zunächst verkürzt und später korrigiert vom SG gestellten Beweisfragen geltend macht, das LSG hätte dessen Nachbegutachtung vom 25.4.2015 folgen müssen.

Der Kläger nennt in diesem Zusammenhang verschiedene ambulant und stationär durchgeführte ärztliche Behandlungen sowie Entlassungsberichte, die das LSG zur Beurteilung des Leistungsfalles der verminderten Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht berücksichtigt habe. Mit diesem Vorbringen, es handele sich um nicht berücksichtigte Ermittlungsmöglichkeiten, die sich aus dem Inhalt der Akten über die von der Beklagten durchgeführten Verfahren ergäben, rügt er sinngemäß auch eine Verletzung von § 103 SGG (zur Pflicht des Gerichts, sog Anknüpfungstatsachen aufzuklären, vgl Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 103 RdNr 11a). Die Beschwerdebegründung genügt jedoch auch insoweit nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG, weil sie dazu keinen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag benennt, dem das LSG nicht gefolgt ist (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN). Der Kläger bezieht sich auf zwei Schreiben vom 27.12.2016 und vom 15.3.2017, in denen er noch im Berufungsverfahren seine Einwände gegen das Ergebnis der Begutachtung durch Dr. S. mitgeteilt habe, ohne dass daraus die Stellung eines solchen Beweisantrags erkennbar würde.

b) Soweit der Kläger darüber hinaus vorträgt, er habe keine Antwort auf sein Schreiben vom 15.3.2017 erhalten und auch im Tatbestand des angegriffenen Urteils sei dazu nichts aufgeführt, bezeichnet er auch nicht hinreichend einen Verfahrensmangel aufgrund einer Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs iS von § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG. Eine Gehörsverletzung liegt ua vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 33 mwN). Die Beschwerdebegründung enthält mit dem Hinweis, betroffen seien die Äußerungen des Sachverständigen Dr. S. auf dem Fachgebiet der Inneren Medizin, schon keinen ausreichenden Vortrag zum Inhalt des Schreibens vom 15.3.2017. Auch genügt die Bezugnahme auf Schriftsätze, die in den Vorinstanzen eingereicht worden sind, nicht den Begründungsanforderungen einer Nichtzulassungsbeschwerde (vgl BSG Beschluss vom 15.2.2011 - B 12 KR 53/10 B - Juris RdNr 5 mwN).

c) In dem weiteren Vorbringen, es läge ein Verfahrensmangel nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG auch deshalb vor, weil das LSG bei der Beurteilung des Leistungsfalles nicht zwischen den Tatbeständen der vollen und der teilweisen Erwerbsminderung unterschieden habe, liegt allenfalls ein im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde unbeachtlicher Subsumtionsfehler. Auf die vermeintliche Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung kann die Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 67).

2. Dem Kläger kann für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts schon deshalb nicht gewährt werden (vgl § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO), weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Auch hat der Kläger die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der für diese gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 117 Abs 2 und 4 ZPO) nicht bis zum Ablauf der einmonatigen Beschwerdefrist am 28.8.2017 eingereicht (vgl BSG SozR 1750 § 117 Nr 1, 3 und 4; BGH VersR 1981, 884; BFH/NV 1989, 802; BVerfG SozR 1750 § 117 Nr 2 und 6).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI11773878

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