Verfahrensgang
SG Heilbronn (Entscheidung vom 28.04.2017; Aktenzeichen S 12 R 4382/14) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 24.01.2020; Aktenzeichen L 4 R 2268/18) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Januar 2020 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung. Mit Urteil vom 24.1.2020 hat das LSG Baden-Württemberg einen solchen Anspruch der Klägerin verneint und ihre Berufung gegen das Urteil des SG Heilbronn vom 28.4.2017 zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf eine Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Der Zulassungsgrund einer Divergenz wird in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn das angefochtene Urteil einen abstrakten Rechtssatz enthält, der von einem zu derselben Rechtsfrage entwickelten abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Darüber hinaus erfordert der Zulassungsgrund der Divergenz, dass die angefochtene Entscheidung auf dieser Abweichung beruht. Dass diese Voraussetzungen vorliegen, ist in der Beschwerdebegründung im Einzelnen darzulegen (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Hierzu sind die betreffenden Rechtssätze einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr, vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 21). Nicht ausreichend ist hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (stRspr, zB BSG Beschluss vom 7.5.2020 - B 5 R 46/20 B - juris RdNr 4 mwN). Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin trägt vor, der angegriffenen Entscheidung des LSG liege die Annahme zugrunde,
"dass - wenn noch nicht alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden - auch kein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente besteht und keine Erwerbsminderung vorliegt."
Die Klägerin sieht darin einen Widerspruch zu Entscheidungen des BSG. Darin werde ausdrücklich festgestellt,
"dass sogar eine unterbliebene Behandlung nicht dazu führe, dass vorhandene Gesundheitsstörungen nicht als Krankheit im Rechtssinne anzusehen sind. Bei fehlender Mitwirkung durch den Betroffenen könne eine Rente versagt oder entzogen werden, es sei aber nicht so, dass bereits die Voraussetzungen hierfür fehlen würden" (BSG Urteil vom 19.6.1979 - 5 RJ 122/77),
sowie darauf abgestellt,
"ob eine Überwindung der Krankheit mittels ärztlicher Hilfe binnen sechs Monaten möglich ist". Nicht darauf abgestellt werde, "ob alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden (und dies auch noch unabhängig von der Kenntnis der Betroffenen)" (BSG Urteil vom 21.10.1969 - 11 RA 219/66).
Zur Begründung führt die Klägerin aus, die "derartig weitgehende Auffassung" des LSG sei der bisherigen Rechtsprechung des BSG nicht zu entnehmen, und verweist ergänzend auf einen Beschluss des BSG vom 7.8.2014 (B 13 R 420/13 B). Mit dieser Entscheidung sei ein Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen und dieser aufgegeben worden weiter zu ermitteln, wie es um das Leistungsvermögen des Betroffenen ohne die vom Sachverständigen in einem Gutachten genannte "adäquat zielgerichtete" Behandlung bestellt sei.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin hinreichend begründet, dass das LSG den zitierten abstrakten Rechtssatz aufgestellt und eigene Maßstäbe in Abweichung von der Rechtsprechung des BSG entwickelt hat. Ebenfalls kann offenbleiben, ob sie die für eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG erforderliche Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ausreichend darlegt. Jedenfalls lässt sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen, dass die angefochtene Entscheidung auf der vorgetragenen Abweichung beruht. Wie die Klägerin selbst in ihrer Nichtzulassungsbeschwerde ausführt, konnte das LSG einen Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Sch. "im Übrigen auch deshalb nicht begründen", weil nach diesem Gutachten eine durch eine psychische Störung bedingte Einschränkung der Leistungsfähigkeit nicht für länger als sechs Monate vorgelegen habe. Das LSG habe auf den ärztlichen Sachverständigen Dr. Sch. verwiesen, der die Möglichkeit einer erheblichen Verbesserung der Leistungsfähigkeit nach Behandlung der somatoformen Schmerzstörung durch ein spezifisches Heilverfahren oder eine intensivierte multimodale Schmerztherapie gesehen habe. Die Klägerin trägt dazu vor, das Berufungsurteil beruhe "auch auf diesem Fehler" und "unter anderem auf der Annahme, eine Leistungsminderung bei der Klägerin bestünde auch nach dem Gutachten von Dr. Sch. nicht".
Die Klägerin befasst sich auch nicht mit den weiteren umfangreichen Ausführungen, die das LSG zur somatoformen Schmerzstörung und den daraus resultierenden Leistungseinschränkungen der Klägerin gemacht hat. In seinen Entscheidungsgründen hat das LSG insbesondere die Aussagen des behandelnden Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. D. als sachverständiger Zeuge vom 24.4.2015 und vom 1.4.2019, das bereits im Verwaltungsverfahren erstellte Gutachten von Dr. B. vom 19.8.2014, den Entlassungsbericht der Psychosomatischen Klinik S. vom 26.3.2015 sowie die im Gerichtsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. S. (Arzt für Neurologie und Psychiatrie) und von Dr. Sch. (Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie) nach Untersuchungen der Klägerin am 15.12.2015 und am 7.5.2016 ausgewertet. Auch unter Berücksichtigung der Zeugeneinvernahme des behandelnden Diplom-Psychologen F. vom 25.2.2019 hat das LSG der Beweisaufnahme entnommen, dass eine somatoforme Schmerzstörung in den Vorbefunden zwar dokumentiert, nicht aber in dem von Dr. Sch. "als massiv" beschriebenen Ausprägungsgrad feststellbar sei. Das LSG folgte der Leistungseinschätzung von Dr. Sch. (Leistungsvermögen von höchstens vier Stunden täglich) auch deshalb nicht, weil der Sachverständige das von der Klägerin im Rahmen der testpsychologischen und psychometrischen Untersuchungen angegebene Beschwerdebild nicht validiert habe. Zudem stünden die Feststellungen von Dr. Sch. im Widerspruch zu den allgemeinmedizinischen und orthopädischen Untersuchungsergebnissen und den festgestellten Bewegungseinschränkungen im Bereich der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule. Auch zu diesen, die Voraussetzungen einer Erwerbsminderungsrente ausschließenden Ausführungen des LSG verhält sich die Beschwerdebegründung nicht.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13976021 |