Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 17.03.1998; Aktenzeichen L 15 VS 125/94)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 17. März 1998 Prozeßkostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

 

Gründe

Der Kläger begehrt im Verfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch -Verwaltungsverfahren (SGB X) die Anerkennung eines Nervenleidens als Wehrdienstbeschädigung. Sein entsprechender Antrag ist im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren erfolglos geblieben. Das Sozialgericht hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) die Berufung zurückgewiesen. Die vom Kläger beantragte Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das LSG abgelehnt. Die Revision hat es nicht zugelassen.

Die beantragte Prozeßkostenhilfe kann dem Kläger nicht bewilligt werden, weil die von ihm beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozeßordnung). Keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgezählten Gründe für die Zulassung der Revision ist hier nach Prüfung der Akten erkennbar. Insbesondere läßt sich kein Verfahrensfehler feststellen. Selbst wenn das LSG gegen § 109 SGG verstoßen hätte, schließt § 160 Abs 2 Nr 3 SGG die Zulassung der Revision mit dieser Begründung aus. Die Regelung, daß eine Nichtzulassungsbeschwerde auf eine Verletzung des § 109 SGG nicht gestützt werden kann, gilt ausnahmslos (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 34).

Das LSG hat auch nicht gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens (Art 19 Abs 4 Grundgesetz ≪GG≫) verstoßen und damit auch nicht das rechtliche Gehör des Klägers verletzt, weil es am 17. März 1998 durch Urteil entschieden hat, anstatt – wie vom Kläger begehrt- abzuwarten, bis im Widerspruchsverfahren oder sogar in einem sich anschließenden Klageverfahren darüber entschieden worden wäre, ob der Träger der Sozialhilfe ihm den vom LSG gemäß § 109 SGG durch Beschluß vom 7. April 1997 dafür zu leistenden Kostenvorschuß in Höhe von 1.500 DM als Leistung der Sozialhilfe gewähren muß. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist es unzulässig, durch übermäßig strenge Handhabung verfahrensrechtlicher Schranken den Anspruch auf gerichtliche Durchsetzung des materiellen Rechts unzumutbar zu verkürzen. Der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nach Art 19 Abs 4 GG wird deshalb verletzt, wenn die Gestaltung des Verfahrens nicht in angemessenem Verhältnis zu dem auf Sachverhaltsklärung und Verwirklichung des materiellen Rechts gerichteten Verfahrensziel steht und insbesondere eine Rücksichtnahme auf Verfahrensbeteiligte in der konkreten Situation vermissen läßt (vgl dazu BVerfGE 78, 823, 826; 88, 118, 124, 126 ff sowie BSG SozR 3-1500 §158 Nr 2). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erkennbar. Auch bei einem möglicherweise unbemittelten Kläger, der die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG begehrt, darf das Gericht die Einholung davon abhängig machen, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichtsendgültig trägt (vgl BSG SozR Nr 21 zu § 109 SGG). Hält ein Kläger die zur Einzahlung eines Kostenvorschusses gesetzte angemessene Frist nicht ein, unterbleibt regelmäßig die Ausführung der Beweisanordnung (vgl BSG KOV 1974, 15). Allerdings wird der Anspruch aus § 109 Abs 1 Satz 1 SGG dadurch nicht hinfällig, so daß das Gericht – wie hier geschehen- in den Urteilsgründen darüber entscheiden muß (vgl BSG aaO sowie BSG SozR Nr 32 zu § 109 SGG). Das LSG hat dem Kläger genügend Zeit gelassen, den Kostenvorschuß einzuzahlen. Zunächst hat es dafür im Beschluß vom 10. April 1997 eine Frist bis zum 30. Juni 1997 verfügt und diese dann auf die Mitteilung des Klägers, das Sozialamt habe es abgelehnt, die Gutachterkosten zu übernehmen, bis zum 31. Dezember 1997 verlängert. Dieser hatte nämlich mit Schriftsatz vom 1. Oktober 1997 an das LSG ausgeführt, es verbleibe bei dem Antrag nach § 109 SGG. Er werde entweder über das Sozialamt im Klageweg das Geld einzutreiben versuchen oder "als letzte Möglichkeit durch Kreditierung durch Angehörige mit letzter Frist per 31. Dezember 1997" den Kostenvorschuß entrichten. Diese Frist ließ er jedoch verstreichen und gab dem LSG gegenüber auch keinerlei verfahrens- oder sachlich-rechtliche Erklärungen mehr ab. Das LSG verfügte daraufhin am 19. Februar 1998 Termin zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits auf den 17. März 1998, an dem der Kläger nicht teilnahm. Bei dieser Sachlage ist kein Verstoß des LSG gegen den genannten Grundsatz eines fairen Verfahrens zu erkennen. Der Kläger hat die vom LSG verfügte Verlängerung der Frist bis zum 31. Dezember 1997 selbst als letzten Termin für Begleichung des Kostenvorschusses angeboten, so daß das LSG (weil er insoweit – auch auf die Ladung zum Termim am 17. März 1998- nichts mehr von sich hören ließ) davon ausgehen konnte, daß er den Vorschuß aus eigenen Mitteln nicht werde aufbringen können.

Das LSG war aber auch aus rechtlichen Gründen nicht gehindert, wie geschehen, am 17. März 1998 durch Urteil zu entscheiden, denn es mußte nicht warten, bis die Sozialverwaltung oder gar die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Kostenvorschuß aus Mitteln der Sozialhilfe entschieden hatten. Diese Frage ist geklärt. Der Kläger hatte keinen solchen Anspruch. Denn schließt das Prozeßkostenhilferecht – wie durch § 73a Abs 3 SGG für die Kosten der Anhörung eines Arztes nach § 109 SGG, wenn das Gericht diese Kosten nach § 109 Abs 1 Satz 2 SGG vorschußweise auferlegt – die Gewährung von Prozeßkostenhilfe ausdrücklich aus, besteht insoweit auch kein Anspruch auf Gewährung von Sozialhilfe. Sozialhilfe erhält nämlich nicht, wer die erforderliche Hilfe anderweitig erhält. Für die Durchführung eines Rechtsstreits regelt dies ausdrücklich und abschließend das Institut der Prozeßkostenhilfe. Ist aber Prozeßkostenhilfe nicht zu gewähren, wird ein Unbemittelter nicht schlechter als ein Bemittelter behandelt, denn Grund dafür ist regelmäßig die fehlende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung. Es widerspräche deshalb dem Sinn des Prozeßkostenhilferechts, in solchen Fällen, in denen kein Anspruch auf Prozeßkostenhilfe besteht, Sozialhilfe zu gewähren. Dies ist ausgeschlossen (ebenso OVG Hamburg, FEVS 33, 475, 477; BayerVGH in VGHE By 24, 161 bis 164; BVerwG, Buchholz 310 § 166 VwGO Nr 30; vgl ergänzend zu den Problemkreisen auch BSG SozR Nr 21 zu § 109 SGG sowie Beschluß des 2. Senats des BSG vom 23. September 1997 – 2 BU 177/97, zur Veröffentlichung in SozR 3 § 109 SGG vorgesehen).

Nach alledem war der Antrag des Klägers abzulehnen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI780410

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