Entscheidungsstichwort (Thema)
Besetzung des Gerichts. gesetzlicher Richter. Entscheidung ohne mündliche Verhandlung mit Einverständnis der Beteiligten
Orientierungssatz
1. Die Regelung des § 129 SGG, wonach das Urteil nur von den Richtern gefällt werden kann, die an der dem Urteil zu Grunde liegenden Verhandlung teilgenommen haben gilt nicht, wenn die Beteiligten auf die mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 124 Abs 2 SGG), und zwar auch dann nicht, wenn zunächst eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat (vgl BSG vom 21.12.1961 - 9 RV 298/60 = SozR Nr 4 zu § 124 SGG).
2. Wenn das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten (gemäß § 124 Abs 2 SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist demnach ohne Belang, welche Richter an vorausgegangenen Verhandlungsterminen mitgewirkt haben.
Normenkette
SGG §§ 129, 124 Abs. 2; GG Art. 101 Abs. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 30.03.2005; Aktenzeichen L 2 V 49/03) |
SG Schleswig (Urteil vom 05.06.2003; Aktenzeichen S 12 V 283/00) |
Gründe
Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) hat es mit Urteil vom 30. März 2005 abgelehnt, bei dem Kläger weitere Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz anzuerkennen und die Minderung der Erwerbsfähigkeit höher als mit 50 vH zu bewerten; damit hat es die Entscheidungen des Beklagten (Bescheid vom 13. Oktober 1999; Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2000) sowie das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 5. Juni 2003 bestätigt. Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der Entscheidung des LSG macht der Kläger Verfahrensmängel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geltend.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil die dazu gegebene Begründung nicht den in § 160a Abs 2 Satz 3 SGG festgelegten Anforderungen genügt.
Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 (freie richterliche Beweiswürdigung) SGG und auf eine Verletzung des § 103 (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
1. Soweit der Kläger eine Verletzung seines Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 Grundgesetz ≪GG≫, § 129 SGG) mit der Begründung rügt, am Urteil vom 30. März 2005 hätten nicht jene ehrenamtlichen Richter mitgewirkt, die an der mündlichen Verhandlung am 16. Februar 2005 beteiligt gewesen seien, legt er keinen relevanten Verfahrensmangel dar. Nach § 129 SGG kann das Urteil nur von den Richtern gefällt werden, die an der dem Urteil zu Grunde liegenden Verhandlung teilgenommen haben. Die Regelung gilt nicht, wenn die Beteiligten auf die mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 124 Abs 2 SGG), und zwar auch dann nicht, wenn zunächst eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat (vgl BSG SozR Nr 4 zu § 124 SGG; Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Aufl 2005, § 129 RdNr 2 mwN). Wenn das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten (gemäß § 124 Abs 2 SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist demnach ohne Belang, welche Richter an vorausgegangenen Verhandlungsterminen mitgewirkt haben.
2. Soweit der Kläger rügt, das Berufungsgericht habe § 103 SGG verletzt, legt er keinen Beweisantrag dar, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (vgl dazu § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG).
Mit der damit im Zusammenhang stehenden Rüge, insoweit habe das Gericht seine Hinweispflichten verletzt, wird wiederum kein relevanter Verfahrensmangel geltend gemacht. Die Revisionszulassung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht einen Beweisantrag nicht iS von § 106 Abs 1 SGG angeregt hat. Diese Einschränkung beruht auf der Überlegung, das Unterlassen eines Beweisantrages dürfe nicht zur Zulassung der Revision führen, weil diese nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG bei einer Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 103 SGG) nur dann erreicht werden kann, wenn das LSG einem gestellten Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (vgl Meyer-Ladewig, aaO, § 160 RdNr 18h; BSG SozR 1500 § 160 Nr 13; BSG, Beschluss vom 6. März 2003 - B 11 AL 129/02 B -; Senatsbeschluss vom 20. Juli 2005 - B 9a/9 V 40/04 B -; stRspr).
Wenn der Kläger des Weiteren einen Verstoß des Berufungsgerichts gegen § 103 SGG mit der Begründung rügt, sein Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG; § 62 SGG) sei verletzt worden, fehlt es dazu an den erforderlichen Darlegungen (vgl näher BSG, Beschluss vom 9. Februar 2005 - B 10 KG 9/04 B - mwN). Er hat insbesondere nicht berücksichtigt, dass diese Rüge in den Fällen, in denen die Berufungsinstanz dem Beteiligtenvortrag im Wesentlichen durch weitere Beweiserhebung hätte entsprechen können - jedenfalls bei rechtskundiger Vertretung wie hier -, nur dann durchgreift, wenn ein entsprechender Beweisantrag gestellt wurde (vgl BSG SozR 3-1500 § 150 Nr 22; Senatsbeschluss vom 10. September 2004 - B 9 V 13/04 B - mwN; stRspr).
3. Letztlich legt der Kläger mit der Rüge eines Verfahrensverstoßes auf dem Wege zur Kostenentscheidung des LSG, wonach er 400,00 € an die Staatskasse zu zahlen hat (§ 192 SGG), wiederum keinen relevanten Verfahrensmangel dar. Gemäß § 144 Abs 4 SGG ist die Berufung ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt; diese Vorschrift gilt für die Revision entsprechend (§ 165 Satz 1 SGG; vgl BSG Breithaupt 1985, 626). Die Ausschlussregelung erfasst auch die Mutwillens- bzw Verschuldenskosten (vgl BSG, Beschluss vom 13. Juli 2004 - B 2 U 84/04 B -; Meyer-Ladewig, aaO, § 144 RdNr 49 mwN).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen