Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 14.09.2016; Aktenzeichen L 8 R 783/13) |
SG Köln (Entscheidung vom 03.06.2013; Aktenzeichen S 23 R 104/12) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. September 2016 - L 8 R 783/13 - einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im oben genannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Mit Urteil vom 14.9.2016 hat das LSG Nordrhein-Westfalen das auf eine höhere Rente gerichtete Begehren des Klägers abgelehnt. Der Kläger habe sich mit Widerspruch und Klage (S 23 R 104/12) gegen die von der Beklagten zum 1.7.2001 vorgenommene Rentenanpassung (Bescheid vom 11.10.2001, Widerspruchsbescheid vom 10.1.2012) gewandt, an deren Verfassungsmäßigkeit keine Zweifel bestünden. Mit einer Rentenanpassung werde nicht über den Geldwert des Rechts auf Rente entschieden, sondern allein über den aktuellen Grad der Anpassung. Soweit der Kläger aus anderen Gründen eine höhere Rente begehre (zB Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten, Durchführung des Versorgungsausgleichs etc), sei dies nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Gegen das am 1.2.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Eingang beim BSG am 23.2.2017 persönlich sinngemäß Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Das LSG habe die Beachtung seiner Anträge (ua zu den Kindererziehungszeiten, Versorgungsausgleich, Versicherungszeiten) nur vorgetäuscht und den Sachverhalt auf ein unwichtiges Detail reduziert. Eine Sachaufklärung sei nicht erfolgt. Es handele sich um eine Überraschungsentscheidung, mit der vorsätzlich gegen das rechtliche Gehör und das Willkürverbot verstoßen worden sei.
II
1. Der Antrag des Klägers auf Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen.
a) Die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO) kommt nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH nicht vorliegen.
Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für ein Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die Bedürftigkeit des Klägers ist bereits nicht hinreichend glaubhaft gemacht (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 118 Abs 2 S 4 ZPO), weil er das Bestehen einer Rechtsschutzversicherung angegeben und die gerichtliche Nachfrage vom 24.2.2017 zum Vorliegen einer konkreten Deckungszusage nicht innerhalb der darin gesetzten Frist - und im Übrigen auch darüber hinaus nicht - geklärt hat.
Unabhängig davon bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg. Es ist nicht zu erkennen, dass ein nach § 73 Abs 4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers erfolgreich zu begründen. Gemäß § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Solche Zulassungsgründe sind nach Prüfung des Streitstoffs unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers insbesondere in seinen Schreiben vom 16.2.2017, 2.3.2017, 10.3.2017, 15.3.2017, 1.4.2017, 6.4.2017, 10.4.2017, 27.4.2017, 29.5.2017 nebst Anlagen nicht ersichtlich.
Es ist nicht erkennbar, dass eine Zulassung der Revision gegen das vom Kläger angegriffene Urteil auf § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht oder die Frage höchstrichterlich entschieden ist (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70). Eine Rechtsfrage, die in diesem Sinne grundsätzliche Bedeutung haben könnte, ist nicht ersichtlich.
Es steht außer Frage, dass die Zulässigkeit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage iS von § 54 Abs 4 SGG, wie sie der Kläger hier erhoben hat, das Vorliegen eines Verwaltungsakts voraussetzt. Ein Verwaltungsakt ist nach § 31 S 1 SGB X jede hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Eine Regelung liegt vor, wenn unmittelbar subjektive Rechte des Betroffenen begründet, aufgehoben, abgeändert oder verbindlich festgestellt werden oder deren Begründung, Aufhebung, Abänderung oder Feststellung unmittelbar verbindlich abgelehnt wird (vgl BSGE 75, 97, 107 = SozR 3-4100 § 116 Nr 2 S 56; BSG SozR 3-2200 § 306 Nr 2 S 7). Der angefochtene Bescheid vom 11.10.2001 trifft keine Regelung im Hinblick auf "den Beginn des Rentenbezugs, fehlende Beratung und Möglichkeit der Einmalzahlung, Kindererziehungszeiten, Versorgungsausgleich, Rentenhöhe, Berücksichtigung seiner Versicherungszeiten oder ähnliches". Er betrifft vielmehr nur die Berechnung des Rentenzahlbetrags aufgrund des geänderten aktuellen Rentenwerts (§ 68 SGB VI) zum 1.7.2001 und lässt die weiteren Berechnungsfaktoren der Rente nach § 64 SGB VI unberührt (vgl BSG Beschluss vom 19.4.2012 - B 5 R 2/12 BH - BeckRS 2012, 69724 RdNr 6; vgl zum - allenfalls - beschränkten Regelungsgehalt einer Rentenanpassungsmitteilung BSG Urteil vom 23.3.1999 - B 4 RA 41/98 R - SozR 3-1300 § 31 Nr 13 S 23 f, 28).
Der Senat hat auch keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsvorschriften, die der hier angefochtenen Rentenanpassung zum 1.7.2001 zugrunde liegen (vgl BVerfG Beschluss vom 3.6.2014 - 1 BvR 79/09 - SozR 4-2600 § 68 Nr 4 zur Rentenanpassung zum 1.7.2005; vom 26.7.2007 - 1 BvR 824/03, 1 BvR 1247/07 - SozR 4-2600 § 68 Nr 2 zur Rentenanpassung zum 1.7.2000 und zur Aussetzung der Rentenanpassung zum 1.7.2004).
Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Divergenz (Abweichung) bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder - anders ausgedrückt - das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder BVerfG aufgestellt hat (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Das angefochtene Urteil stützt sich vielmehr in seinen Entscheidungsgründen auf die Rechtsprechung des BSG.
Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich auf eine Verletzung der dem Gericht obliegenden Sachaufklärungspflicht gestützt werden könnte. Denn die Rüge eines Verfahrensmangels würde insoweit voraussetzen, dass sich der Kläger auf einen Beweisantrag beziehen könnte, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Soweit der Kläger rügt, dass das LSG die Entscheidung auf ein unwichtiges Detail reduziert und den Rest unterschlagen habe, ist auch kein Verstoß gegen das rechtliche Gehör erkennbar. Das LSG hat sich mit den weitergehenden Forderungen des Klägers auseinandergesetzt; dass es ihnen auch inhaltlich folgt, gebietet der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG). Der Kläger kann auch nicht mit der Rüge durchdringen, es läge eine Überraschungsentscheidung vor. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sich das LSG ohne vorherigen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (stRspr, vgl zB Senatsbeschluss vom 26.7.2017 - B 13 R 179/16 B - Juris RdNr 18; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 5.4.2012 - 2 BvR 2126/11 - NJW 2012, 2262 RdNr 18 mwN). Ausführungen zu den für das LSG entscheidungsleitenden Gesichtspunkten enthalten jedoch bereits der angegriffene Gerichtsbescheid vom 3.6.2013 sowie der dem Kläger am 8.7.2016 zugestellte Beschluss des LSG vom 5.7.2016 über die Ablehnung von PKH. Ein erheblicher Verfahrensmangel wegen der Verwerfung der Ablehnungsgesuche in Bezug auf den Vorsitzenden Richter Dr. F. durch Beschlüsse vom 14.4.2015 und vom 14.9.2016 kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der vorgenannte Richter an dem hier angegriffenen Urteil des LSG nicht mitgewirkt hat.
b) Auch die Voraussetzungen für die Beiordnung eines sog Notanwalts sind nicht gegeben. Ist - wie für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 S 1 SGG - eine Vertretung durch Anwälte geboten, hat das Prozessgericht gemäß § 202 S 1 SGG iVm § 78b Abs 1 ZPO einem Beteiligten auf seinen Antrag hin einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung seiner Rechte beizuordnen, wenn er einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Wer die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 78b ZPO begehrt, muss innerhalb der Rechtsmittelfrist darlegen und glaubhaft machen, dass seine Bemühungen bei mehreren - bei Verfahren vor einem obersten Bundesgericht bei mehr als vier - Rechtsanwälten um Übernahme der Vertretung erfolglos geblieben sind (BSG Beschluss vom 16.10.2007 - B 6 KA 3/07 S - Juris RdNr 2 mwN; Senatsbeschluss vom 6.1.2015 - B 13 R 434/14 B - JurionRS 2015, 10160 RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 23.3.2016 - B 1 KR 14/16 B - Juris RdNr 6). Diesen Anforderungen ist der Kläger nicht gerecht geworden. Die Behauptungen des Klägers, dass er keinen bereiten Anwalt finde, "der in diesem, Ihrem menschenverachtenden System gegen die verantwortlichen Justizschergen auftreten will", und die Erwähnung einer "Liste mit 37 Namen von befragten" reichen hierfür nicht. Im Übrigen ist die mit der Beschwerde beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den unter a) genannten Gründen auch aussichtslos in dem von § 78b Abs 1 ZPO geforderten Sinn, dass ein günstiges Ergebnis selbst bei anwaltlicher Vertretung ganz offenbar nicht erreicht werden kann (vgl Vollkommer in Zöller, ZPO, 30. Aufl 2014, § 78b RdNr 3; BSG Beschluss vom 3.1.2005 - B 9a/9 SB 39/04 B - Juris RdNr 5 mwN).
2. Da der Kläger die Nichtzulassungsbeschwerde wirksam nur durch zugelassene Prozessbevollmächtigte einlegen kann (§ 73 Abs 4 S 1 SGG), entspricht das von ihm persönlich eingelegte Rechtsmittel nicht der gesetzlichen Form. Die Beschwerde ist daher durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11371834 |