Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Begründung. Darlegung der Klärungsfähigkeit. Feststellungsinteresse. Amtshaftungsanspruch
Orientierungssatz
1. Das Feststellungsinteresse ist als Sachurteilsvoraussetzung auch im Revisionsrechtszug von Amts wegen zu prüfen (vgl BSG vom 25.6.1980 - 1 BA 23/80 = SozR 1500 § 160 Nr 39).
2. Die Rechtsprechung nimmt ein Feststellungsinteresse zur Vorbereitung eines Amtshaftungsanspruchs nur an, wenn die Amtshaftungsklage nicht offensichtlich aussichtslos ist.
3. In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde hätte daher dargelegt werden müssen, inwiefern die Bundesanstalt für Arbeit (BA) rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben könnte, wenn sie vor Erlass des LPartG und der Entscheidung des BVerfG von der bis dahin ergangenen Rechtsprechung ausgegangen ist.
4. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG 1. Senat 3. Kammer vom 1.4.2004 - 1 BvR 433/04).
Normenkette
SGG § 160a Abs. 2 S. 3, § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 131 Abs. 1 S. 3; BGB § 839
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft eine unbefristete und unbeschränkte Arbeitsgenehmigung im Rahmen der negativen Fortsetzungsfeststellung.
Der 1964 geborene Kläger ist brasilianischer Staatsangehöriger. Er reiste im Januar 1999 in die Bundesrepublik ein und schloss am 19. Februar 1999 mit dem deutschen Staatsangehörigen Dr. G. einen notariell beurkundeten Partnerschaftsvertrag. Darin heißt es, die Partnerschaft sei auf Dauer angelegt und könne von jedem Partner jederzeit und ohne Angabe von Gründen mit Wirkung zum folgenden Monatsersten gekündigt werden. Der Kläger erhielt eine befristete Aufenthaltserlaubnis.
Den Antrag auf eine unbefristete und unbeschränkte Arbeitsgenehmigung lehnte die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) mit Bescheid vom 5. November 1999; Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2000 ab. Den auf Anregung der BA hilfsweise gestellten Antrag auf eine beschränkte Arbeitserlaubnis auf ein Jahr für eine Beschäftigung im Haushalt von Dr. G. lehnte die BA ab, weil bevorrechtigte Arbeitsuchende zur Verfügung ständen. Gegen diese Entscheidung ist der Kläger nicht vorgegangen. Nachdem er mit Dr. G. am 2. Mai 2002 eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen war, erteilte die BA dem Kläger ab 21. Mai 2002 eine unbefristete und unbeschränkte Arbeitsberechtigung nach § 2 Abs 1 Nr 1 Arbeitsgenehmigungsverordnung (ArgV) vom 8. Dezember 2000 (BGBl I 1684). Daraufhin erklärte der Kläger den Hauptantrag für erledigt und beantragte die Feststellung, er habe schon zuvor einen Anspruch auf die Erteilung einer Arbeitserlaubnis aus Härtegründen gehabt.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Klage abgewiesen. Das Feststellungsinteresse hat es "unter Zurückstellung von Bedenken und unter Verzicht auf Ermittlungen" bejaht, den Antrag aber für unbegründet gehalten, weil eine besondere Härte, die zur Erteilung der Arbeitsberechtigung im Wege des Ermessens führen könne, nicht gegeben sei. Eine andere Entscheidung wäre nur möglich gewesen, wenn die Lage gleichgeschlechtlicher Paare vor Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes verfassungswidrig gewesen wäre. Solches lasse sich auch der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 17. Juli 2002 nicht entnehmen. Die Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft sei verfassungsrechtlich nicht geboten gewesen. Selbst wenn die Ermessensvoraussetzungen vorgelegen hätten, sei die BA zur Erteilung einer unbeschränkten Arbeitserlaubnis nicht verpflichtet gewesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger Abweichung von der Entscheidung des BVerfG und grundsätzliche Bedeutung der Sache geltend. Das Urteil des LSG weiche von der Entscheidung des BVerfG ab, weil es den Kläger in seiner sexuellen Identität diskriminiere. Es beziehe sich auf das BVerfG als rechtfertige Art 6 Grundgesetz (GG) die Ungleichbehandlung von gleich- und verschiedengeschlechtlichen Partnern. Tatsächlich habe aber das BVerfG darauf abgestellt, dass zwischen der Ehe und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften keine "Austauschbarkeit" bestehe. Grundsätzliche Bedeutung der Sache ergebe sich daraus, dass in einer Vielzahl von sozialrechtlichen Fragestellungen auch nach Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes Ungleichbehandlungen von gleich- und verschiedengeschlechtlichen Partnerschaften ergäben. Die BA habe es unterlassen, die Härteklausel ernsthaft zu prüfen und Ermittlungen über die Dauer und Ernsthaftigkeit der Bindung sowie Unterhaltsansprüche anzustellen. Sie habe einen unverhältnismäßigen Eingriff in Grundrechte des Klägers vorgenommen, wodurch dieser eine Rehabilitationsinteresse habe.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht zulässig, denn die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht nach § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bezeichnet bzw dargelegt.
Um eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG zu bezeichnen, hat die Beschwerdebegründung einen Widerspruch im Grundsätzlichen oder ein Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze in der Entscheidung des LSG einerseits und in einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats oder des BVerfG andererseits aufzuzeigen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67) und die in Bezug genommene Entscheidung so zu kennzeichnen, dass sie ohne weiteres aufzufinden ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Dabei muss die Beschwerdebegründung deutlich machen, dass in der angefochtenen Entscheidung eine sie tragende Rechtsansicht entwickelt ist und nicht etwa nur ungenaue oder unzutreffende Rechtsausführungen oder Rechtsirrtum im Einzelfall die Entscheidung bestimmen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67; BSG 27. Juni 2002 - B 11 AL 87/02 B -). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Beschwerde stellt nicht miteinander unvereinbare Rechtssätze im gekennzeichneten Sinne gegenüber. Sie behauptet lediglich, das LSG sei mit seiner Argumentation, dem Gesetzgeber sei es wegen des besonderen Schutzes von Ehe und Familie nicht verwehrt, die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen "auf Glatteis geraten". Ausdrücklich rügt sie, das LSG habe die Ausführungen zur (fehlenden) "Austauschbarkeit" zwischen Ehe und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften verkannt. Damit ist aber eine Abweichung iS des § 160a Abs 2 Nr 2 SGG gerade nicht bezeichnet, denn das LSG ist der Entscheidung des BVerfG nicht mit einer abweichenden Rechtsansicht entgegengetreten, sondern hat sich auf die Entscheidung des BVerfG bezogen, um damit seine Entscheidung zu stützen. Sollte es dabei - wie die Beschwerde meint - die Aussage des BVerfG verkannt haben, ist dies für die Bezeichnung einer Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 unerheblich. Es ist deshalb nicht darauf einzugehen, ob die Entscheidung des BVerfG tatsächlich "die gesamte bis dahin zu dieser Frage (nämlich des Verhältnisses von Ehe und 'Lebenspartnerschaften') ergangene Rechtsprechung hat obsolet werden lassen".
2. Auch die grundsätzliche Bedeutung ist nicht hinreichend dargelegt. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; BVerwG NJW 1999, 304; vgl auch: BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtslage im Allgemeininteresse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Beschwerde ist nicht zu entnehmen, dass die Voraussetzungen, unter denen die Absicht, einen Amtshaftungsanspruch geltend zu machen, ein Feststellungsinteresse nach § 131 Abs 1 Satz 3 SGG begründet, hier gegeben sind. Auch wenn das LSG dieses im Ergebnis bejaht hat, hatte die Beschwerde, soweit sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, Anlass, schlüssige Ausführungen zum Feststellungsinteresse zu machen, um die Klärungsfähigkeit der Rechtslage vor Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes und der dazu ergangenen Entscheidung des BVerfG vom 17. Juli 2002 darzulegen. Das Feststellungsinteresse ist als Sachurteilsvoraussetzung auch im Revisionsrechtszug von Amts wegen zu prüfen (BSG SozR 1500 § 160 Nr 39). Zu Ausführungen hierzu bestand umso mehr Anlass, als die Entscheidungsgründe des LSG auf eine nur dilatorische Prüfung dieser Frage hindeuten und das LSG selbst Bedenken gegen sein Vorgehen hervorgehoben hat. Diese Bedenken hätte die Beschwerde ausräumen müssen. Dazu hätte sie auf die differenzierenden Voraussetzungen eingehen müssen, unter denen die Rechtsprechung ein Feststellungsinteresse zur Vorbereitung eines Amtshaftungsanspruchs bejaht. Die Rechtsprechung nimmt ein Feststellungsinteresse nur an, wenn ein Amtshaftungsprozess nicht offensichtlich aussichtslos ist. Die Beschwerde hätte deshalb ausführen müssen, inwiefern die BA rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben könnte (Eyermann, VwGO, 10. Aufl 1998, § 113 RdNr 89 ff), wenn sie vor Erlass des Lebenspartnerschaftsgesetzes und der Entscheidung des BVerfG von der bis dahin ergangenen Rechtsprechung (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 23 mwN) ausgegangen ist. Zur Frage eines die Amtshaftung begründenden Verschuldens äußert sich die Beschwerde ebenso wenig wie zu sonstigen Voraussetzungen der Amtshaftung.
Mit dem Schlagwort "Rehabilitationsinteresse" (dazu Eyermann aaO RdNr 92) ist ein unabhängig von wirtschaftlichen Gründen bestehendes Feststellungsinteresse und damit die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Frage nicht hinreichend dargelegt. Im Hinblick auf das Lebenspartnerschaftsgesetz, seinen Erlass begleitende Erklärungen und die Entscheidung des BVerfG ist ein weiterer Rehabilitationsbedarf ideeller Art nicht ohne weiteres einzusehen. Stellungnahmen in einem "weltanschaulichen Prinzipienstreit" soll die Sachurteilsvoraussetzung Feststellungsinteresse von den Gerichten gerade fern halten. Die Berufung auf Grundrechte allein begründet noch nicht die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage. Dazu bedarf es substanzieller Ausführungen für die Entscheidungserheblichkeit im zu beurteilenden Zusammenhang.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass für nicht mehr geltendes Recht auch eine Klärungsbedürftigkeit regelmäßig nicht besteht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 19; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNr 141). Auch dazu äußert sich die Beschwerde nicht. Der Hinweis auf nach dem Erlass des Lebenspartnerschaftsgesetzes auftretende Fragen in verschiedenen sozialrechtlichen Zusammenhängen ist nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung für die Rechtsfrage zu begründen.
3. Da ihre Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen spricht, ist die Beschwerde entsprechend § 169 SGG zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen