Verfahrensgang
SG Berlin (Entscheidung vom 22.05.2015; Aktenzeichen S 105 R 4876/10) |
LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 05.03.2020; Aktenzeichen L 3 R 450/15) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. März 2020 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Mit Urteil vom 5.3.2020 hat das LSG Berlin-Brandenburg einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich ausschließlich auf Verfahrensmängel (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
II
Die Beschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder |
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die angefochtene Entscheidung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder |
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bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3). |
In seiner ausführlichen Beschwerdebegründung vom 20.4.2020, die er mit Schriftsatz vom 18.5.2020 um die Vorlage weiterer ärztlicher Atteste ergänzt hat, macht der Kläger ausschließlich geltend, die Revision sei wegen wesentlicher Verfahrensmängel zuzulassen. Das Urteil sei zu seinen Lasten parteiisch, willkürlich und für ihn überraschend gewesen. Einen die Zulassung der Revision ermöglichenden Verfahrensmangel hat er damit jedoch nicht bezeichnet.
Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81 - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 30.10.2018 - B 13 R 59/18 B - juris RdNr 7). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Zugrunde zu legen ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33; BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 23). Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht (vgl zB BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 16 mwN; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN). Daran fehlt es.
Zur Begründung für die von ihm geltend gemachte Parteilichkeit und Willkür des angegriffenen Urteils wendet sich der Kläger im Wesentlichen gegen die Berücksichtigung des Gutachtens des Sachverständigen R durch das LSG, den er als voreingenommen ansieht und dessen Gutachten er für fehlerhaft hält, wie ausführlich unter Benennung einzelner Umstände der Begutachtung und auch von anderen Ärzten erhobener Befunde ausgeführt wird. Demgegenüber sei den nach § 109 SGG eingeholten Gutachten nicht die angemessene Bedeutung eingeräumt worden. Zudem beruhe das angegriffene Gutachten auf sachfremden Erwägungen, sei widersprüchlich und unausgewogen. Das LSG habe sich einseitig auf Gutachten der Sachverständigen L, M und R gestützt. Um zu einer ausgewogenen und gerechten Entscheidung zu kommen, hätte das LSG ein weiteres objektives Gutachten aufgrund stationärer Untersuchung und Behandlung anordnen müssen.
Mit diesem Vorbringen wendet sich der Kläger im Kern gegen die Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) des LSG und rügt eine ungenügende Erfüllung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) durch dieses Gericht. Jedoch kann gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG der geltend gemachte Verfahrensmangel ausdrücklich nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Einen solchen Beweisantrag hat der Kläger nicht benannt. Dass der Kläger das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).
Ebenso wenig wird ein Verfahrensmangel aufgrund einer sog Überraschungsentscheidung anforderungsgerecht bezeichnet. Von einer den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) verletzenden Überraschungsentscheidung kann nur ausgegangen werden, wenn sich das Gericht ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (stRspr; vgl zB BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 5.4.2012 - 2 BvR 2126/11 - NJW 2012, 2262 - juris RdNr 18 mwN). Die Rüge des Verfahrensmangels einer Überraschungsentscheidung ist deshalb nur dann schlüssig bezeichnet, wenn im Einzelnen vorgetragen wird, aus welchen Gründen auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter aufgrund des bisherigen Prozessverlaufs nicht damit rechnen musste, dass das Gericht seine Entscheidung auf einen bestimmten Gesichtspunkt stützt. Daran fehlt es hier. Allein der Hinweis des Klägers, aufgrund des vom LSG anberaumten weiteren Termins zur mündlichen Verhandlung habe er eine Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich und nicht durch ein Urteil erwartet, kann insoweit nicht genügen. Denn grundsätzlich dient die mündliche Verhandlung der Vorbereitung des aufgrund ihres Inhalts ergehenden und nach ihrer Schließung zu verkündenden Urteils (§ 124 Abs 1, § 132 Abs 1 Satz 2 SGG). Umstände, aufgrund derer der bereits in der Vorinstanz anwaltlich vertretene Kläger nicht damit hätte rechnen können, dass am Ende der mündlichen Verhandlung am 5.3.2020 auch ein Urteil ergehen könnte, sind nicht vorgetragen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14366220 |