Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionsnichtzulassungsbeschwerde. grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache. Darlegung der Klärungsfähig- und -bedürftigkeit. Pflichtversicherung nach dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte. Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache. Klärungsfähigkeit. Pflichtversicherung nach dem KVLG
Orientierungssatz
1. Die Frage, ob die Einbeziehung eines landwirtschaftlichen Unternehmers in die Pflichtversicherung nach dem KVLG eine Benachteiligung gegenüber anderen Unternehmern ohne sachlichen Grund darstellt, ist nicht klärungsbedürftig.
2. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG 1. Senat 3. Kammer vom 14.6.2006 - 1 BvR 1276/06).
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3; KVLG § 2 Abs. 1 Nr. 1; KVLG 1989 § 2 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Gründe
Gegenstand des Rechtsstreits ist, ob die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers bei der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse geendet hat. Nachdem der Kläger mit der beigeladenen Krankenkasse für den Gartenbau in mehreren Verwaltungs- und Gerichtsverfahren um das Bestehen von Versicherungspflicht nach dem Zweiten Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) gestritten hatte, war diese bestands- bzw rechtskräftig festgestellt. Daraufhin stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger fest, dass die bei ihr bestehende freiwillige Mitgliedschaft auf Grund der vorrangigen Pflichtversicherung nach dem KVLG geendet habe. Der hiergegen gerichtete Widerspruch, Klage und Berufung blieben erfolglos. Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 5. April 2005 Beschwerde eingelegt.
Die Beschwerde des Klägers ist in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das Bundessozialgericht (BSG) darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
1. Den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat der Kläger nicht ausreichend dargelegt. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; BVerwG NJW 1999, 304; vgl auch: BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im Allgemeininteresse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
a) Der Kläger legt in seiner Beschwerdebegründung zunächst dar, dass sich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache "aus einer Verletzung mehrerer Grundrechte ergebe". Ergänzend führt er aus, dass der in § 5 Abs 1 Nr 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) iVm § 2 Abs 1 Nr 1 KVLG geregelte Versicherungspflichttatbestand gegen Art 2 Abs 1, Art 3 Abs 1, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Art 19 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) verstoße. Im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz trägt er weiter vor, er werde gegenüber anderen Unternehmern ohne sachlichen Grund benachteiligt, weil er (überhaupt) in eine Pflichtversicherung einbezogen sei, obwohl er eigenständig für seine Absicherung im Krankheitsfall sorgen könne, bzw weil er nicht einmal unter den vorhandenen gesetzlichen Krankenkassen "frei wählen" dürfe. Wolle man an einer Versicherungspflicht für die von ihm repräsentierten Personen festhalten, so müsse diese jedenfalls so ausgestaltet sein, dass diese Mitglieder einer "allgemeinen" gesetzlichen Krankenkasse mit der Folge der "Wahlfreiheit" sein dürften. Der Senat kann offen lassen, ob der Kläger damit überhaupt eine hinreichend konkrete Rechtsfrage gestellt hat. Denn jedenfalls fehlen ausreichende Darlegungen dazu, dass eine solche klärungsfähig, dh sie im Falle der Zulassung der Revision entscheidungserheblich wäre. Mit seinen Ausführungen hält der Kläger im Kern Fragen der Versicherungspflicht nach dem KVLG für grundsätzlich bedeutsam. Wie sich aus den Entscheidungsgründen seines Urteils und der Begründung seiner auf Seite 9 des Urteils getroffenen Kostenentscheidung nach § 193 SGG ergibt, hat sich das LSG hinsichtlich der Beurteilung des Verfahrensgegenstandes der Auffassung des Sozialgerichts angeschlossen, wonach dieser die (bindend gewordene) Feststellung der Versicherungspflicht des Klägers nach dem KVLG jedenfalls nicht mit umfasst. Zur Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Versicherungspflicht hat es auf Seite 7 ff seines Urteils lediglich beiläufig, dh im Rahmen eines obiter dictum (Der Senat hat "auch" keinen Zweifel daran, ...) Stellung genommen. Diese Stellungnahme trägt das Berufungsurteil über den - auf die Feststellung des Endes der freiwilligen Versicherung bei der Beklagten - eingeschränkten Verfahrensgegenstand nicht. Der Beschwerdebegründung lässt sich nicht entnehmen, warum Fragen der Versicherungspflicht des Klägers bei zugelassener Revision vom Revisionsgericht zu beantworten wären. Der Kläger verkennt, dass in dem hier vorliegenden Rechtsstreit (ausschließlich) über die Folgen einer (bereits) bindend festgestellten Versicherungspflicht zu entscheiden ist, nämlich darüber, ob die Beklagte im Verhältnis zwischen Versicherungspflicht und freiwilliger Versicherung wegen des Nachrangs Letzterer in Anwendung des § 191 Satz 1 Nr 2 SGB V deren Ende feststellen durfte. Zwar trägt der Kläger in der Beschwerdebegründung am Rande auch vor, dass er (und die Beklagte) eine "Klärung des Verhältnisses zwischen freiwilliger Mitgliedschaft und Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Nr 1 KVLG" wünsche, und sieht in dem "Vorrang der Pflichtversicherung vor freiwilligen Mitgliedschaften in gesetzlichen Krankenkassen" einen Verstoß gegen Art 2 Abs 1 GG. Eine damit im Zusammenhang stehende konkrete Rechtsfrage, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich ist, stellt er jedoch nicht.
b) Der Kläger hält weiter für grundsätzlich bedeutsam, "wann überhaupt ein auf Bodenbewirtschaftung beruhendes Unternehmen der Landwirtschaft im Sinne von § 5 Abs 1 Nr 3 SGB V iVm § 2 Abs 1 Nr 1 KVLG vorliegt". Im Hinblick auf ein von ihm benanntes Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts meint er, Gründe der Rechtseinheit geböten eine "rechtliche Klärung des Begriffs der Bodenbewirtschaftung". Auch insoweit fehlen ausreichende Darlegungen dazu, warum eine Klärung dieser Frage nach Zulassung der Revision durch das BSG zu erwarten wäre. Auch über einzelne Tatbestandsvoraussetzungen der Versicherungspflicht nach dem KVLG hat das LSG nicht entschieden.
2. Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), die zur Zulassung der Revision führen könnten, hat der Kläger nicht bezeichnet.
a) Der Kläger legt in seiner Beschwerdebegründung dar, das LSG sei seinen Hinweisen im Berufungsverfahren, dass der Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit seit der Veräußerung seiner Betriebsflächen im Oktober 2003 nicht mehr in der Bodenbewirtschaftung bestehe, nicht weiter nachgegangen und habe dadurch gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen. Hiermit kann er im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde schon deshalb nicht gehört werden, weil eine derartige Rüge der Verletzung des § 103 SGG durch § 160 Abs 2 Nr 3 SGG von vornherein ausgeschlossen ist.
b) Der Kläger vermutet als Grund des Absehens von (weiterer) Amtsermittlung zu den Umständen seiner unternehmerischen Tätigkeit, dass sich das Berufungsgericht durch die bindende Feststellung der Versicherungspflicht nach dem KVLG daran gehindert gesehen habe. Er macht insoweit geltend, dass "neue Tatsachen den Einwand der Bestandskraft von Verwaltungsakten nicht mehr erlaubten" mit der Folge, dass das LSG - erstens - schon im Hinblick auf diese neue Sachlage, - zweitens - wegen des Umstandes, dass er in regelmäßigen Abständen Gebührenbescheide der Beigeladenen erhalte, und - drittens - allgemein wegen der "zeitlichen Begrenzung der Bindungswirkung bestandskräftiger Verwaltungsakte" verpflichtet gewesen sei zu prüfen, ob "die Voraussetzungen der Zwangsversicherung gegeben seien und § 2 Abs 1 Nr 1 KVLG verfassungsgemäß sei". Soweit damit gerügt werden soll, dass das LSG einen Teil des Verfahrensgegenstandes der Berufung unentschieden gelassen und deshalb § 123 SGG (iVm § 153 Abs 1 SGG) verletzt habe, ist der Kläger seiner insoweit bestehenden Darlegungspflicht nicht nachgekommen. Um deutlich zu machen, dass das Berufungsgericht den Verfahrensgegenstand verkannt haben könnte, hätte der Kläger sich nicht auf den bloßen Hinweis beschränken dürfen, dass dieses "in die Sachfrage habe einsteigen müssen". Vielmehr hätte er in der Beschwerdebegründung den Verfahrensgang nachzeichnen, die den Verfahrensgegenstand bestimmenden Prozesserklärungen und Entscheidungen sowie die für ihre Auslegung maßgeblichen Umstände benennen müssen. Insbesondere hätte er darzulegen gehabt, warum auf seine Berufung in einem gegen die Beklagte geführten Rechtsstreit vom LSG über die Versicherungspflicht nach dem KVLG und die Gebührenbescheide in der Sache zu entscheiden gewesen wäre, obwohl diese Bescheide von der Beigeladenen stammen, die Feststellung der Versicherungspflicht im Hinblick auf ihre Unanfechtbarkeit nicht zuvor in einem besonderen Verwaltungsverfahren über die Aufhebung von Verwaltungsakten überprüft worden ist und die Bescheide auch nicht Gegenstand eines erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens waren.
Von einer weiteren Begründung wird in entsprechender Anwendung von § 160a Abs 4 Satz 3 Halbs 2 SGG abgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen