Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Leistungserbringer. häusliche Krankenpflege. kein Anspruch auf Annahme seines Vertragsangebots durch Krankenkasse. Diskriminierung
Orientierungssatz
Ein Leistungserbringer besitzt keinen Anspruch auf Annahme seines Vertragsangebots durch eine oder mehrere Krankenkassen (vgl BSG vom 21.11.2002 - B 3 KR 14/02 R = BSGE 90, 150, 152 f = SozR 3-2500 § 132a Nr 4 S 14 jeweils mwN), jedenfalls solange er durch die Ablehnung gegenüber anderen Leistungserbringern nicht diskriminiert wird.
Normenkette
SGB 5 § 132a Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den Abschluss und den Inhalt eines Vertrages über die Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege.
Der Kläger - ein Träger der freien Wohlfahrtspflege - erbringt Leistungen der häuslichen Krankenpflege über die ihm jeweils angeschlossenen Sozialstationen und Einsatzstellen. Nach Auslaufen einer früheren Rahmenvereinbarung zwischen den Krankenkassen und ihren Verbänden sowie den Leistungserbringern und einigen nachfolgenden Übergangsregelungen traf die Mehrzahl der Krankenkassen mit den Leistungserbringern, ua auch dem Kläger, eine neue Rahmenvereinbarung, dem sich die beklagten Betriebskrankenkassen jedoch nicht anschlossen. Letztere machten stattdessen den Leistungserbringern ein modifiziertes Vertragsangebot, das im Vergleich zu der neuen Rahmenvereinbarung eine um etwa 20% abgesenkte Vergütung sowie abweichende qualitätssichernde Regelungen und Verfahrensweisen aufwies. Dieses Angebot nahmen einige der Leistungserbringer an, nicht jedoch der Kläger: Aus Gründen der Gleichbehandlung sei er nicht bereit, das abgesenkte Vertragsangebot anzunehmen, zumal die angebotenen Pauschalen nicht kostendeckend seien. Stattdessen begehrte der Kläger einen Abschluss nach den Konditionen der neuen Rahmenvereinbarung mit den übrigen Krankenkassen.
Klage und Berufung blieben weitgehend erfolglos (Urteile des Sozialgerichts vom 4. Dezember 2000 und des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 10. September 2003). Der Kläger habe zwar einen Rechtsanspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages mit den beklagten Betriebskrankenkassen, die Preisgestaltung und sonstigen Inhalte eines solchen Vertragswerks seien jedoch Verhandlungssache und blieben dem freien Spiel der Kräfte unterworfen. Ein einseitiges Preisbestimmungsrecht sei keiner Seite eingeräumt, ebenso wenig habe der Gesetzgeber ein obligatorisches Schlichtungs- oder Schiedsverfahren vorgesehen. Komme trotz des von einem vertragslosen Zustand ausgehenden Einigungsdrucks keine - neue - vertragliche Vereinbarung zu Stande, könne mangels konkreter Fortwirkungsklauseln auch nicht auf frühere Rahmenvereinbarungen zurückgegriffen werden.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht in der durch §§ 160 Abs 2 und 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) normierten Form begründet worden ist. Sie ist deshalb ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§§ 160a Abs 4 Satz 2, 169 Satz 1 bis 3 SGG). Der Kläger trägt zwar vor, das angegriffene Urteil des LSG betreffe eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes wäre es aber erforderlich gewesen, die grundsätzliche Rechtsfrage klar zu formulieren und aufzuzeigen, dass sie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 und 39) und dass sie klärungsbedürftig sowie klärungsfähig ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 und 65), sie also im Falle der Revisionszulassung entscheidungserheblich wäre (BSG SozR 1500 § 160a Nr 54). Es muss zu erwarten sein, dass die zu treffende Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) geeignet ist, in künftigen Revisionsfällen die Rechtseinheit zu erhalten oder die Fortbildung des Rechts zu sichern (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Der Kläger sieht folgende Rechtsfragen als klärungsbedürftig an:
1) Kann ein Wohlfahrtsverband, der Leistungen der häuslichen Krankenpflege erbringt, von einer Krankenkasse verlangen, dieselben Vergütungen vertraglich zu vereinbaren, die die Krankenkasse für einen bestimmten Zeitraum mit anderen Leistungserbringern der häuslichen Krankenpflege vereinbart hat, und gilt dies bejahendenfalls auch dann, wenn sich die Krankenkasse zu einem bestimmten Zeitpunkt entschlossen hat, nur noch niedrigere Vergütungen anzubieten?
2) Kann ein Wohlfahrtsverband verlangen, dass die Vergütungen, die er von einer Krankenkasse für Leistungen der häuslichen Krankenpflege erhält, kostendeckend sind? Gilt dies zumindest dann, wenn die Krankenkassen lediglich nicht verhandelbare Vertragsbedingungen anbieten?
Dies allein reicht jedoch nicht aus, um die Grundsätzlichkeit einer Rechtssache zu begründen. Es fehlen Darlegungen dazu, dass die aufgeworfenen Rechtsfragen klärungsbedürftig sind. Rechtsfragen, die das BSG bereits entschieden hat, sind nicht mehr klärungsbedürftig und können somit keine grundsätzliche Bedeutung haben - es sei denn, die Beantwortung dieser Fragen ist aus besonderen Gründen klärungsbedürftig geblieben oder es erneut geworden; dies muss ebenfalls substantiiert dargelegt werden (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21). Dasselbe gilt, wenn sich die aufgeworfenen Rechtsfragen anhand des Gesetzes unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung eindeutig beantworten lassen.
Der Senat hat bereits entschieden, dass die Krankenkassen zur Erfüllung ihres Sicherstellungsauftrags im Bereich der häuslichen Krankenpflege Verträge mit den Leistungserbringern nach § 132a Abs 2 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) abzuschließen haben, soweit sie nicht selbst geeignete Personen anstellen (§ 132a Abs 2 Satz 4 SGB V). Deshalb hat jeder Leistungserbringer, der die qualitativ-fachlichen, personellen und räumlichen Voraussetzungen erfüllt, vom Grundsatz her einen Rechtsanspruch auf den Abschluss eines Versorgungsvertrages. Die Preisgestaltung und das konkrete Abrechnungsverfahren sind dabei jedoch "Einzelheiten" iS von § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V, die der besonderen vertraglichen Vereinbarung unterliegen. Daraus folgt, dass ein Leistungserbringer keinen Anspruch auf Annahme seines Vertragsangebots durch eine oder mehrere Krankenkassen besitzt (BSGE 90, 150, 152 f = SozR 3-2500 § 132a Nr 4 ≪S 14≫ - jeweils mwN), jedenfalls solange er durch die Ablehnung gegenüber anderen Leistungserbringern nicht diskriminiert wird. Des Weiteren hat der Senat schon entschieden, dass auch kein Anspruch eines Leistungserbringers auf Anwendung von solchen Vereinbarungen besteht, die von anderen Krankenkassen oder in anderen Bereichen abgeschlossen worden sind, weil dies der gesetzlichen Regelung zuwiderliefe, die kein gemeinsames und einheitliches Handeln der verschiedenen Kassen, sondern gesonderte Vertragsabschlüsse vorsieht (BSG SozR 3-2500 § 132a Nr 1). Mit dieser gefestigten Rechtsprechung (vgl auch das zur Veröffentlichung in SozR vorgesehene Urteil des Senats vom 13. Mai 2004 - B 3 KR 2/03 R) hat sich der Kläger nicht ausreichend auseinander gesetzt. Insbesondere hat er nicht dargetan, dass dieser Rechtsprechung in nicht unerheblichem Maße widersprochen worden ist - etwa durch kritische Literaturstimmen oder durch abweichende Entscheidungen anderer Gerichte (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 13; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Aufl 2002, IX. Kap RdNr 185 mwN), oder dass sich die aufgeworfenen Fragen mit der bisherigen Rechtsprechung nicht beantworten lassen. Der Kläger rügt zwar, dass die Entscheidung des LSG falsch sei, weil sie der Bedeutung der freien Wohlfahrtspflege nicht gerecht werde und ihn wegen besonders hoher Personalkosten zu unwirtschaftlichem Verhalten zwinge. Er legt jedoch nicht dar, warum daraus trotz der oa Rechtsprechung des Senats ein Anspruch auf vertragliche Bevorzugung abzuleiten sein soll; eine Diskriminierung macht er nicht geltend, weil nach seinem eigenen Vertrag andere mit dem Kläger konkurrierende Leistungserbringer das abgesenkte Angebot der beklagten Betriebskrankenkassen angenommen haben. Soweit er sich auf das Recht auf kostendeckende Vergütung beruft, weil er durch das Vertragsverhalten der Beklagten konkret in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht sei, legt er nicht dar, woraus sich dieses Recht herleiten soll und wie dieses mit der gesetzlichen Verpflichtung der Krankenkassen zu wirtschaftlicher und preisgünstiger Leistungserbringung zu vereinbaren ist (§ 132a Abs 2 Satz 2 SGB V). Der allgemeine Hinweis des Klägers, er sei ein Verband der freien Wohlfahrtspflege und fast alle seine Sozialstationen hätten in der Vergangenheit mit Verlust gearbeitet, ist ebenso wenig geeignet, einen Anspruch auf Deckung aller Kosten zu begründen, wie die Bezugnahme auf Gewinn- und Verlustrechnungen in einem Parallelverfahren; dies gilt auch, wenn unterstellt wird, die Kosten seien für ihn unvermeidbar.
Soweit der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aus einer Verletzung von Normen des Grundgesetzes (GG) abzuleiten sucht, fehlen substantielle Ausführungen dazu, dass Art 14 GG die Garantie einer kostendeckenden Vergütung und des Bestands im Wettbewerb enthält; soweit der Kläger sich auf Art 140 GG und das Recht auf Gleichbehandlung mit kirchlichen Wohlfahrtsverbänden beruft, gilt nichts anderes. Seine Behauptung, es bestehe ein wirtschaftliches Ungleichgewicht zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern, sodass letztere der Verbandsmacht der ersteren nicht mit dem notwendigen Durchsetzungsvermögen entgegentreten könnten, ist ebenfalls nicht geeignet, einen Anspruch auf eine höhere Vergütung zu begründen. Wie einem solchen Ungleichgewicht begegnet werden kann, hat der Senat bereits in anderem Zusammenhang dargelegt (BSGE 89, 19 = SozR 3-2500 § 125 Nr 7).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 Abs 1und Abs 4 SGG in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (Art 17 Abs 1 des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 17. August 2001 (BGBl I S 2144).
Fundstellen