Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Bezeichnung des Verfahrensmangels. Verletzung von § 103 SGG
Orientierungssatz
1. Eine Vernehmung als Partei ist im sozialgerichtlichen Verfahren weder auf Antrag noch von Amts wegen zulässig, weil § 118 Abs 1 S 1 SGG nicht auf §§ 445ff ZPO verweist (vgl BSG vom 24.11.1990 - 1 BA 45/90 = SozR 3-1500 § 160a Nr 2).
2. Die in § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geregelte Beschränkung von Verfahrensrügen kann über den Umweg des § 62 SGG nicht erweitert werden (vgl BSG vom 28.7.1992 - 2 BU 37/92 = HV-INFO 1993, 1406).
3. Wurden die Verfahrensmängel der Verstöße gegen § 103 SGG sowie gegen Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG nicht hinreichend substanziiert, kann das diesbezügliche Vorbringen bereits aus diesem Grund einen Verstoß gegen § 153 Abs 4 S 1 SGG nicht hinreichend darlegen.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3, § 160a Abs. 2 S. 3, §§ 62, 103, 118 Abs. 1 S. 1, § 153 Abs. 4 S. 1, § 157; ZPO §§ 445, § 445ff; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerden der Beigeladenen zu 1. und 2. gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. August 2010 werden als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten in dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit darüber, ob die Beigeladene zu 1. im Betrieb ihres Ehemannes, des Beigeladenen zu 2., versicherungspflichtig beschäftigt ist.
Die Beigeladene zu 1. war ab März 1995 in einem Fitnessstudio beschäftigt, das von dem Beigeladenen zu 2. und einer weiteren Person in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts betrieben wurde. Nach dem Bezug von Arbeitslosengeld war sie ab September 2003 erneut in diesem Betrieb erwerbstätig, der nunmehr allein von dem Beigeladenen zu 2. geführt wurde. Seit 1.4.2004 ist sie Mitglied der beklagten Krankenkasse. Diese stellte für die Zeit ab 1.4.2004 fest, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit als mitarbeitende Familienangehörige nicht sozialversicherungspflichtig sei. Auf die Klage des Rentenversicherungsträgers hat das SG den Bescheid der Beklagten teilweise aufgehoben und festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit im Betrieb des Beigeladenen zu 2. ab 1.4.2004 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliege. Die Berufung der Beigeladenen zu 1. und 2. hat das LSG zurückgewiesen.
Mit ihren Beschwerden wenden sich die Beigeladenen zu 1. und 2. gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 24.8.2010.
II. Die Beschwerden sind in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die beigeladenen Beschwerdeführer haben in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die inhaltliche Unrichtigkeit der Berufungsentscheidung ist demgegenüber kein Zulassungsgrund.
Die Beschwerdeführer stützen sich zur Begründung der Beschwerde auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könnte, so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen substanziiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 mwN). Diese Voraussetzungen erfüllt die Begründung der Beschwerden nicht.
Die Beschwerdeführer machen die Verletzung des § 103 SGG iVm §§ 153, 157 SGG geltend. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 SGG hätten nicht vorgelegen, weil das LSG die erforderlichen Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung nicht ergriffen und sie (die Beschwerdeführer) nicht in einer mündlichen Verhandlung - wie beantragt - als Zeugen vernommen bzw angehört habe zu den Fragen, ob die Beigeladene zu 1. gegen den Willen des Beigeladenen zu 2. Entscheidungen habe durchsetzen können, ob sie mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen hätte rechnen müssen und ob die Beigeladene zu 1. auch vor 2003 Arbeitszeiten von durchschnittlich 46 Stunden pro Woche für das gleiche Gehalt geleistet habe. Dies sei mit der Berufungsbegründung im Schriftsatz vom 29.4.2010 beantragt und mit Schriftsatz vom 2.8.2010 wiederholt worden. Das LSG habe eine persönliche Anhörung für unerheblich gehalten, unlautere Prozessführung unterstellt und zu Unrecht vermutet, dass sie ihre Aussagen "der jeweiligen Interessenlage anpassen" würden.
Damit rügen die Beschwerdeführer zum einen eine Verletzung des § 103 SGG. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG aber nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Hierzu muss die Beschwerdebegründung einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag, dem das LSG nicht gefolgt ist, aufzeigen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, auf Grund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, darlegen, das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme benennen und schildern, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, den Beschwerdeführern günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 mwN). Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht, weil sie nicht darauf eingeht, dass der Beweisantrag auf Vernehmung der Beschwerdeführer hier auf ein zulässiges Beweismittel zielte. Eine Vernehmung als Partei ist jedoch im sozialgerichtlichen Verfahren weder auf Antrag noch von Amts wegen zulässig, weil § 118 Abs 1 Satz 1 SGG nicht auf §§ 445 ff ZPO verweist (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 2).
Zum anderen rügen die Beschwerdeführer sinngemäß, ihr Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art 103 Abs 1 GG und § 62 SGG sei verletzt, weil das LSG sie nicht persönlich angehört habe. Hierzu hätten sie darlegen müssen, dass sie schriftlich durch ihre Prozessbevollmächtigten alles unternommen hatten, um ihre Darstellung des Sachverhalts dem Gericht nahezubringen und warum die Möglichkeit des schriftlichen Vortrags im konkreten Fall nicht ausgereicht hatte, um der Sachverhaltsaufklärung Genüge zu tun (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 18). Grundsätzlich verlangen Art 103 Abs 1 GG und § 62 SGG nicht, dass die Beteiligten selbst gehört werden (vgl BSG Beschluss vom 23.4.2009 - B 13 R 15/09 B - mwN). Die Beschwerdebegründung legt bereits nicht konkret dar, dass die Möglichkeit des schriftlichen Vortrags nicht ausreichend gewesen sein könnte. Hierauf kann auch nicht allein aus der nach Auffassung der Beschwerdeführer unzutreffenden Sachverhaltsfeststellung aufgrund einer abweichenden, von ihnen als fehlerhaft angesehenen Sachverhaltsaufklärung und Beweiswürdigung durch das LSG geschlossen werden. Die in § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geregelte Beschränkung von Verfahrensrügen kann über den Umweg des § 62 SGG nicht erweitert werden (vgl BSG Beschluss vom 28.7.1992 - 2 BU 37/92 - HV-INFO 1993, 1406 ).
Soweit die Beschwerdeführer als Verfahrensmangel geltend machen, das LSG habe zu Unrecht durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung gemäß § 153 Abs 4 SGG entschieden, zeigen sie ebenfalls einen Verfahrensfehler nicht hinreichend auf. Um einen möglichen Verstoß gegen diese Vorschrift aufzuzeigen, muss dargelegt werden, weshalb bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 153 Abs 4 Satz 1 SGG dennoch eine mündliche Verhandlung vor dem LSG zwingend durchzuführen gewesen wäre (vgl BSG Beschluss vom 14.4.2010 - B 8 SO 22/09 B). Nach § 153 Abs 4 Satz 1 SGG kann das LSG, außer in den Fällen, in denen das SG durch Gerichtsbescheid entschieden hat, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG kann im (hier angestrebten) Revisionsverfahren nur überprüft werden, ob das Berufungsgericht von seinem Ermessen erkennbar fehlerhaft Gebrauch gemacht hat, etwa, wenn der Beurteilung sachfremde Erwägungen oder eine grobe Fehleinschätzung zugrunde liegt (vgl BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 13 mwN). Solche Umstände legt die Begründung der Beschwerden nicht dar. Da die Verfahrensmängel der Verstöße gegen § 103 SGG sowie gegen Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG nicht hinreichend substanziiert worden sind, kann das diesbezügliche Vorbringen bereits aus diesem Grund einen Verstoß gegen § 153 Abs 4 Satz 1 SGG nicht hinreichend darlegen.
Die Beschwerdeführer wenden sich in ihrer Begründung im Übrigen im Kern gegen die Würdigung der für und gegen eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände durch das LSG und halten dessen Beschluss für fehlerhaft. Hierauf kann die Zulassung der Revision gerade nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 iVm § 128 Abs 1 Satz 1 SGG).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen