Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 14.06.1995) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 14. Juni 1995 wird verworfen.
Der Kläger hat dem Beklagten die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu erstatten.
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Soweit der Kläger als Verfahrensmangel (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) rügt, das Landessozialgericht (LSG) habe den Antrag auf Ablehnung des Richters am LSG W. … wegen Besorgnis der Befangenheit zu Unrecht abgelehnt, legt er nicht hinreichend dar, inwieweit der ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters gefaßte Beschluß des LSG fehlerhaft sein könnte. Der Kläger stimmt im rechtlichen Ausgangspunkt dem LSG und der ganz einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum zu, wonach ein Grund für die Annahme der Befangenheit eines Richters grundsätzlich nicht darin gesehen werden kann, daß der Richter in einem anderen Rechtsstreit desselben Klägers an einer Entscheidung mitgewirkt hat, die für den Kläger ungünstig ausgefallen ist, und dabei auch zu Rechtsfragen Stellung genommen hat, die im anhängigen Verfahren von Bedeutung sein können (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl § 60 RdNr 8). Selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt wird, daß von diesem Grundsatz eine Ausnahme anzuerkennen ist, wenn sich aus konkreten Umständen ergibt, daß sich der Richter in der Sache festgelegt hat und neuem Vorbringen nicht mehr aufgeschlossen gegenübersteht, ist der behauptete Verfahrensfehler des LSG nicht hinreichend bezeichnet. Der Kläger benennt keine konkreten Umstände, die im Falle des abgelehnten Richters einen Schluß in dieser Richtung auch nur nahelegen. Er hat weder im Berufungs- noch im Beschwerdeverfahren einen Hinweis darauf gegeben, was der Unparteilichkeit des Richters am LSG W. … außer der Tatsache entgegenstehen könnte, daß dieser als Vorsitzender der 8. Kammer des Sozialgerichts (SG) K. im Jahre 1992 in einem Rechtsstreit zwischen dem Kläger und der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Schleswig-Holstein die Rechtsauffassung vertreten hat, bei der Überprüfung der übermäßigen Ausdehnung seiner kassenärztlichen Praxis sei der Kläger mit der Gruppe der Chirurgen vergleichbar. Der Kläger legt nicht einmal dar, welche Bedeutung dieser Rechtsauffassung des Richters in einem Verfahren zukommt, in dem es um die Überprüfung von Entscheidungen der Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung geht, denn es liegt keineswegs auf der Hand, daß für die Bildung verfeinerter Vergleichsgruppen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung dieselben Grundsätze gelten wie für die Zuordnung eines Arztes zu einer bestimmten Arztgruppe im Rahmen der Überprüfung einer übermäßigen Ausdehnung der kassen-bzw vertragsärztlichen Tätigkeit.
Soweit die Beschwerde geltend macht, das Urteil des LSG weiche von der Entscheidung des Senats vom 15. April 1980 (BSGE 50, 84 ff = SozR 2200 § 368e Nr 4) ab (Zulassungsgrund der Divergenz gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG), ist die Divergenz nicht hinreichend bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Eine Abweichung im Sinne der genannten Vorschrift liegt nur vor, wenn das angefochtene Urteil auf einer bestimmten Rechtsauffassung beruht und diese zu der in einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts niedergelegten Rechtsansicht in Widerspruch steht. In der Beschwerdebegründung muß deshalb dargelegt werden, mit welcher konkreten Rechtsaussage das LSG von welchem näher bezeichneten Rechtssatz der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen ist. Diesen Anforderungen genügen die Darlegungen des Klägers nicht. Er benennt keinen abstrakten Rechtssatz, den das LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat und der vom Senat daraufhin geprüft werden könnte, ob er zu den Rechtsausführungen im Urteil vom 15. April 1980 in Widerspruch steht. In dieser Entscheidung hat der Senat ausgeführt, daß die Bildung einer engeren Vergleichsgruppe zweckmäßig sein kann, wenn sie eine hinreichend große Anzahl von Ärzten umfaßt, die sich durch eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode in erheblicher Weise von Ärzten mit anderen Behandlungsarten unterscheiden, und daß das insbesondere der Fall sein kann, wenn diese besondere Behandlungsmethode nach ärztlichem Berufsrecht zum Führen einer Zusatzbezeichnung berechtigt. Der Senat hat im unmittelbaren Anschluß an diese vom Kläger zitierte Passage weiter ausgeführt, daß nicht jede Behandlungsrichtung die Bildung einer engeren Vergleichsgruppe erfordert und daß für die Rechtmäßigkeit einer vergleichenden Bewertung lediglich von Bedeutung ist, daß eine besondere – medizinisch anerkannte – Behandlungsweise eines Arztes bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung als Praxisbesonderheit berücksichtigt wird. Inwieweit das LSG sich bei seiner Entscheidung zu dieser Rechtsauffassung des Senats in Widerspruch gesetzt haben könnte, legt der Kläger nicht dar. Das LSG hat sich eingehend mit dem Vortrag des Klägers zur Ausrichtung seiner Praxis befaßt und im einzelnen dargestellt, auf welche Schwierigkeiten die Bildung einer verfeinerten Vergleichsgruppe stoßen müßte, die allen vom Kläger geltend gemachten Besonderheiten Rechnung trägt. Weiterhin hat das LSG dargelegt, inwieweit der Beklagte die vom Kläger geltend gemachten Besonderheiten seiner Praxis im Verfahren berücksichtigt hat. Weshalb dies in Widerspruch zu der oben wiedergegebenen Rechtsauffassung des Senats zur Bildung verfeinerter Vergleichsgruppen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung stehen soll, macht der Kläger nicht deutlich.
Auch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist nicht hinreichend dargelegt worden. Wer die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung begehrt, muß vortragen, daß sich die zu treffende Entscheidung des BSG über den Einzelfall hinaus auswirken wird und daß die Rechtsfrage im Revisionsverfahren klärungsbedürftig und klärungsfähig ist. Der Kläger hält für klärungsbedürftig, ob an der Rechtsprechung des Senats festgehalten werden könne, wonach im Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung der Arzt die Darlegungs- und Beweislast dafür zu tragen habe, daß er weniger Patienten ins Krankenhaus eingewiesen hat als der Durchschnitt seiner Vergleichsgruppe. Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob sich aus der vom Kläger angeführten Senatsentscheidung vom 15. April 1986 (SozR 2200 § 368n Nr 43) die von ihm gezogenen Schlußfolgerungen rechtfertigen und ob die im Schrifttum gegenüber dieser Entscheidung geltend gemachten Bedenken (vgl Spellbrink, Wirtschaftlichkeitsprüfung im Kassenarztrecht, 1994, RdNr 687) die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung rechtfertigen könnten, um dem Senat Gelegenheit zu geben, seine Rechtsprechung zu überprüfen (vgl Meyer-Ladewig, SGG, § 160 RdNr 7). Der Kläger hat jedenfalls nicht hinreichend dargelegt, inwieweit die Frage, wer konkret die Darlegungs- und Beweislast für unterdurchschnittliche Krankenhauseinweisungen trägt, hier entscheidungserheblich sein kann. Es steht fest und ist vom LSG seiner Entscheidung erkennbar zugrunde gelegt worden, daß „die Krankenhauseinweisungsfälle des Klägers erheblich unterdurchschnittlich” sind. Insoweit können sich Darlegungs- oder Beweislastverteilungsprobleme nicht stellen. Von Bedeutung ist allein, ob im Bereich des offensichtlichen Mißverhältnisses liegende Überschreitungen beim Gesamthonorar oder beim Honorar in einzelnen Leistungssparten dadurch kompensiert werden können, daß in anderen kostenrelevanten Bereichen der kassen- bzw vertragsärztlichen Tätigkeit die durchschnittlichen Werte der Fachgruppe unterschritten werden. Dazu steht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung auf dem Standpunkt, daß eine solche Kompensation voraussetzt, daß zwischen den Mehrforderungen auf der einen und den Kostenunterschreitungen auf der anderen Seite ein kausaler Zusammenhang besteht und daß es zu Lasten des Vertragsarztes geht, der sich auf kompensatorische Einsparungen beruft, wenn der Nachweis des kausalen Zusammenhangs zwischen den Einsparungen und den Mehrforderungen nicht gelingt (vgl Senatsurteil SozR 2200 § 368n Nr 43 S 145). Daß diese Rechtsprechung des Senats zur Notwendigkeit eines kausalen Zusammenhangs zwischen Einsparungen und Mehraufwendungen einer erneuten Überprüfung bedürfte, weil ihr in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung oder im Schrifttum mit beachtlichen Einwänden widersprochen wurde, hat der Kläger nicht dargelegt. Den Darlegungsanforderungen wird nicht mit dem Hinweise genügt, diese Rechtsprechung sei bedenklich, weil die Gefahr naheliege, daß nicht nur die Darlegungs-, sondern auch die Ermittlungslast dem Arzt aufgebürdet wurde. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Vertragsarzt nicht nur gemäß § 21 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB X≫ allgemein gehalten, bei der Ermittlung des Sachverhaltes mitzuwirken, insbesondere die ihm bekannten Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Im Rahmen der Abrechnung der kassen- und vertragsärztlichen Leistungen hat er vielmehr eine entsprechende besondere Mitwirkungspflicht aus der Sache selbst, wie sie immer dann besteht, wenn ein Arzt sich auf ihm günstige Tatsachen berufen will und diese Tatsachen allein ihm bekannt sein oder nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden können (SozR 2200 § 368n Nr 31 S 101; BSGE 59, 211, 215 = SozR 2200 § 368n Nr 40 S 133, Urteil vom 9. März 1994 – 6 RKa 16/92 – nicht veröffentlicht). Damit bürdet der Senat dem Arzt nicht die Ermittlungslast auf, sondern zieht lediglich die rechtlichen Konsequenzen aus der Tatsache, daß allein der Arzt in der Lage ist, bestimmte für die Wirtschaftlichkeit seiner Behandlungsweise wichtige Umstände vorzutragen. Nur er allein kann darlegen, in welchen Behandlungsfällen er einen Patienten aufwendig ambulant behandelt hat, in denen die Ärzte seiner Vergleichsgruppe typischerweise eine Einweisung zur stationären Behandlung veranlaßt hätten. Darauf hat das LSG im Anschluß an die Senatsrechtsprechung zutreffend hingewiesen, und der Hinweis des Klägers, er halte diese Rechtsprechung nicht für zutreffend, reicht zur Begründung dafür, weshalb angesichts einer gefestigten einschlägigen Rechtsprechung des zuständigen Senats zu dieser Frage erneut ein Revisionsverfahren durchgeführt werden müsse, nicht aus.
Auch soweit es der Kläger als Frage von grundsätzlicher Bedeutung ansieht, ob überhaupt ein im Rahmen der kassen- bzw vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung ergangener Honorarkürzungsbescheid einer Rücknahmeentscheidung nach § 44 Abs 2 Satz 2 SGB X zugänglich ist, entspricht die Beschwerdebegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen. Nach der Entscheidung des LSG sind die Honorarkürzungsbescheide, deren Rücknahme der Kläger begehrt, nicht rechtswidrig. Das berufungsgerichtliche Urteil ist mithin davon ausgegangen, daß die für die Rücknahme belastender Verwaltungsakte nach § 44 Abs 1 und Abs 2 SGB X erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Soweit das LSG es dahingestellt sein läßt, ob § 44 Abs 2 SGB X auf Honorarkürzungsbescheide anzuwenden ist, handelt es sich um ein zusätzliches Begründungselement, das allein die Entscheidung nicht trägt. Damit kommt es auf die vom Kläger vorgetragenen Gesichtspunkte, die für eine Anwendung des § 44 Abs 2 Satz 2 SGB X auf Honorarkürzungsbescheide sprechen, nicht an, weil das LSG einen Anspruch des Klägers in Anwendung dieser Vorschrift verneint hat. Der Prüfung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage hätte erst näher getreten werden können, wenn – was hier nicht geschehen ist – der Kläger bezüglich der Rechtswidrigkeit der Honorarkürzungsbescheide mit Erfolg einen Zulassungsgrund iS des § 160 Abs 2 SGG geltend gemacht hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen