Verfahrensgang
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 30.11.2016; Aktenzeichen L 3 KA 23/15) |
SG Hannover (Entscheidung vom 04.02.2015; Aktenzeichen S 78 KA 590/09) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 30. November 2016 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 38 628 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Umstritten ist ein Richtgrößenregress aus dem Jahr 2002.
Der als Arzt für Allgemeinmedizin in H. an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Kläger überschritt mit Verordnungskosten in Höhe von 525 180 Euro die fachgruppenbezogene Richtgröße um 74 %. Den daraufhin ursprünglich vom Prüfungsausschuss festgesetzten Richtgrößenregress in Höhe von 79 090 Euro reduzierte der beklagte Beschwerdeausschuss auf den Widerspruch des Klägers mehrfach, zuletzt durch ein angenommenes Teilanerkenntnis. Das SG hat den Bescheid des Beklagten vom 21.9.2009 wegen Mängeln der Begründung aufgehoben und zur Neubescheidung verpflichtet. Das LSG hat die Berufungen des Klägers und des Beklagten zurückgewiesen. Es hat die grundsätzlichen Bedenken des Klägers gegen die Rechtmäßigkeit der Richtgrößenvereinbarung und die Festsetzung von Regressen nicht geteilt, ist aber der Auffassung, der Beklagte habe sich mit bestimmten Praxisbesonderheiten des Klägers nicht hinreichend befasst. Das beruht darauf, dass im Jahre 2001 die Aufwendungen des Klägers für die Behandlung von Patienten mit Depressionen, Parkinson und Epilepsie noch als Praxisbesonderheiten angesehen worden waren, im Jahr 2002 aber nicht mehr. Das hat das LSG nicht gebilligt, und den Beklagten für verpflichtet gehalten, sich insoweit mit der Anerkennung von Praxisbesonderheiten neu zu befassen. Im Übrigen hat es den Hinweis des Klägers auf Praxisbesonderheiten als nicht hinreichend substantiiert angesehen (Urteil vom 30.11.2016).
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG macht der Kläger geltend, das Berufungsurteil beruhe auf einer Abweichung von der Rechtsprechung des BSG (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
II
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie genügt nicht den Begründungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG und ist deshalb unzulässig.
1. Für die Zulassung einer Revision wegen Rechtsprechungsabweichung ist Voraussetzung, dass entscheidungserhebliche abstrakte Rechtssätze aus dem LSG-Urteil und aus einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG miteinander unvereinbar sind und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 28 RdNr 4). Das muss in der Beschwerdebegründung aufgezeigt werden; es reicht nicht aus, aus dem Berufungsurteil bestimmte Folgerungen zu ziehen, die mit den Aussagen des BSG unvereinbar sein sollen. Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Soweit der Kläger dem Berufungsurteil den Rechtsgrundsatz entnimmt, der Vertragsarzt könne den Umfang seiner Darlegungs- und Feststellungslast nicht mit dem Hinweis darauf relativieren, er kenne das Verordnungsverhalten der übrigen Mitglieder seiner Fachgruppe nicht und könne daher nicht beurteilen, ob und ggf welche Informationen aus seinem Praxisumfeld zur Anerkennung seiner Praxisbesonderheiten geltend zu machen seien, ist in der Beschwerdebegründung nicht näher ausgeführt, mit welcher Entscheidung oder welchem Entscheidungsbegründungssatz der Senat eine davon abweichende Rechtsauffassung vertreten haben könnte. Die von der Beschwerde zitierte Passage des LSG steht in dem Kontext, dass das Berufungsgericht ausführt, dass einerseits für den Richtgrößenregress das Verordnungsverhalten der Arztgruppe nur von ganz begrenzter Relevanz sei, weil der Arzt nicht mit dem Durchschnitt seiner Gruppe, sondern mit einem vorgegebenen Richtgrößenvolumen hinsichtlich seiner Verordnungen verglichen werde. Weiterhin ist nicht belegt, dass der Senat bisher formuliert habe, der Arzt habe im Rahmen eines Richtgrößenregresses einen Anspruch darauf, umfassend über das Verordnungsverhalten der Angehörigen seiner Arztgruppe informiert zu werden. Unzutreffend ist im Übrigen die Annahme des Klägers, das LSG habe festgestellt, dass es sich bei der Richtgrößenprüfung um eine rein statistische Prüfung handeln würde und es im Prüfverfahren nicht auf das Verhältnis zwischen dem Verordnungsverhalten des geprüften Arztes und seiner Arztgruppe ankomme. Vielmehr formuliert das Berufungsgericht auf Seite 9 seines Urteils ausdrücklich, dass für die Richtgrößenprüfung zwar nicht das statistische Verhalten der Vergleichsgruppe maßgeblich sei, das arztbezogen festgelegte Richtgrößenvolumen jedoch ebenfalls auf einen Durchschnittswert der zu prüfenden Arztgruppe beruhe. Damit ist erkennbar, dass das LSG sowohl die Unterschiede wie die Gemeinsamkeiten zwischen der statistischen Vergleichsprüfung des Verordnungsverhaltens eines Vertragsarztes und der Prüfung des Verordnungsverhaltens auf der Basis einer Richtgrößenvereinbarung, wie sie in der Rechtsprechung des Senats entwickelt worden sind, gesehen und ersichtlich seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt hat. Ob das LSG - anders als der Kläger meint - die Grundsätze der Rechtsprechung des Senats bezogen auf den zu entscheidenden Einzelfall zutreffend angewandt hat, hat mit dem allein als Zulassungsgrund angeführten Aspekt der Divergenz zwischen dem Berufungsurteil und einem Rechtsgrundsatz der höchstrichterlichen Rechtsprechung nichts zu tun.
2. Soweit sich die Beschwerdebegründung kritisch mit der Auffassung des LSG zur Reichweite der Amtsermittlungspflicht der Prüfgremien im Zusammenhang mit Praxisbesonderheiten auseinandersetzt, genügt die Beschwerde ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG. Sie beschränkt sich darauf darzustellen, inwieweit das LSG an die Substantiierungspflichten des Arztes, der im Verwaltungsverfahren Praxisbesonderheiten geltend machen will, andere Anforderungen als der Senat gestellt hat, arbeitet aber keine Rechtssätze sowohl des Berufungsurteils sowie der Rechtsprechung des Senats heraus, aus denen eine Abweichung in den rechtsgrundsätzlichen Aussagen erkennbar wäre. Mit dem Hinweis auf eine im Einzelfall unzutreffende Anwendung höchstrichterlicher Rechtsprechungsgrundsätze kann eine Divergenzrüge von vornherein nicht mit Erfolg geführt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Als erfolgloser Rechtsmittelführer hat der Kläger die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Hinsichtlich der Streitwertfestsetzung folgt der Senat der Festsetzung des LSG, die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist (§ 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG).
Fundstellen
Dokument-Index HI11295187 |