Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegung von Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG
Orientierungssatz
Macht ein Vertragszahnarzt, ohne die verletzte Verfahrensvorschrift konkret zu benennen, im Kern einen Fehler des Berufungsgerichts bei der zutreffenden Erfassung des Sachverhalts und somit im Rahmen von dessen Beweiswürdigung geltend, legt er den Verfahrensmangel nicht in zulässiger Weise dar (vgl BSG vom 26.1.1977 - 11 BA 184/76 = SozR 1500 § 160 Nr 26).
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 2, § 160a Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 10.05.2006; Aktenzeichen L 11 KA 68/05) |
SG Düsseldorf (Urteil vom 25.05.2005; Aktenzeichen S 2 KA 243/04) |
Tatbestand
Im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage besteht Streit über die Genehmigung der Beschäftigung einer Vorbereitungsassistentin.
Der Kläger ist in Düsseldorf zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Er ist zusammen mit mehreren weiteren Zahnärzten in einer Praxisgemeinschaft ("die plus zahnärzte", www.die-zahnaerzte.com) tätig, die ihre Dienstleistungen im Drei-Schicht-Betrieb mit Behandlungszeiten zwischen 7 und 24 Uhr (an Samstagen, Sonn- und Feiertagen 9 bis 19 Uhr) anbietet. Seinen Antrag auf Genehmigung der Beschäftigung der Zahnärztin B. als Halbtags-Vorbereitungsassistentin für den Zeitraum November 2003 bis April 2006 zusätzlich zu der bereits genehmigten und ebenfalls halbtags bei ihm tätigen Zahnärztin C. lehnte die beklagte Kassenzahnärztliche Vereinigung ab. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg. Im Verlauf des sozialgerichtlichen Verfahrens beendete Zahnärztin C. ihre Tätigkeit beim Kläger; die Beklagte genehmigte ihm daraufhin ab Januar 2005 die Beschäftigung der Zahnärztin B. als Vollzeit-Vorbereitungsassistentin. Dem als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführten Rechtsbehelf hat das Sozialgericht stattgegeben (Urteil vom 25. Mai 2005). Das Landessozialgericht (LSG) hat hingegen unter Abänderung dieser Entscheidung die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, die zeitgleiche Beschäftigung zweier halbtags tätigen Vorbereitungsassistenten sei allenfalls denkbar, wenn sichergestellt werde, dass diese nicht gleichzeitig, sondern nur zeitversetzt in der Praxis beschäftigt würden. Die erforderliche Vorbeugung gegenüber Missbrauch sei in der vom Kläger gewählten Fallgestaltung zweier vollzeitbeschäftigter Assistentinnen mit jeweils hälftiger Ausbildung im vertragszahnärztlichen und im privatzahnärztlichen Bereich jedoch nicht möglich.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, die Entscheidung des LSG beruhe auf Verfahrensmängeln (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist unzulässig, denn ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen. Die Beschwerde ist somit gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen.
Wer die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels begehrt, muss gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die bundesrechtliche Verfahrensnorm, die das Berufungsgericht verletzt haben soll, hinreichend genau bezeichnen. Zudem müssen die tatsächlichen Umstände, welche den Verstoß begründen sollen, substantiiert dargetan werden und es ist darüber hinaus darzulegen, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruht ( vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4, mwN; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Aufl 2005, Kapitel IX RdNr 202 ff ). Dabei ist zu beachten, dass gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien Beweiswürdigung) gestützt werden kann und die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Diesen Anforderungen wird der Vortrag des Klägers nicht gerecht. Der Kläger rügt zunächst, die "Auslegung des LSG", im Falle zeitversetzter Ableistung der Arbeitszeiten der beiden Assistenten von 40 Stunden pro Woche habe der Kläger entweder 80 Wochenstunden zu arbeiten oder die Assistenten würden jedenfalls für die privatärztliche Tätigkeit in seiner Abwesenheit beschäftigt, stelle einen Verfahrensmangel dar, weil sie gegen Erfahrungssätze verstoße. Damit macht er, ohne die verletzte Verfahrensvorschrift konkret zu benennen, im Kern einen Fehler des Berufungsgerichts bei der zutreffenden Erfassung des Sachverhalts und somit im Rahmen von dessen Beweiswürdigung geltend. Mit einem solchen Vorbringen kann aber gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ein Verfahrensmangel nicht in zulässiger Weise dargelegt werden ( vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 26 S 21; Krasney/Udsching, aaO, RdNr 126 ). Entsprechendes gilt hinsichtlich der weiteren Rüge des Klägers, auch die Einschätzung des LSG zur Unmöglichkeit einer Kontrolle des zeitversetzten Einsatzes der beiden Assistenten und zur Lebensfremdheit einer jeweils genau halbschichtigen Behandlung von GKV-Patienten und Privatpatienten widerspreche nicht näher bezeichneten Erfahrungssätzen.
Auch soweit der Kläger eine unterlassene Sachverhaltsermittlung von Amts wegen durch das Berufungsgericht rügt, weil dieses seinem - bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorgebrachten und im Berufungsverfahren in Bezug genommenen - Vortrag zum Inhalt der in der Vergangenheit von der Beklagten erteilten Genehmigungen für halbtagsbeschäftigte Assistenten nicht weiter nachgegangen sei, ist ein Verfahrensmangel nicht in der erforderlichen Weise dargetan. Denn der Kläger benennt keinen hierauf bezogenen Beweisantrag, den er in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG noch aufrechterhalten hätte ( vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 f, mwN, insbesondere zur Warnfunktion des Beweisantrags ). Auch die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht, in welcher der Kläger bereits anwaltlich vertreten war, enthält keinen solchen Beweisantrag. Das führt zur Unzulässigkeit dieser Verfahrensrüge.
Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat der Kläger auch nicht ansatzweise geltend gemacht. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Festsetzung des Streitwerts bleibt mit Rücksicht auf die hierfür erforderliche Anhörung der Beteiligten einem gesonderten Beschluss vorbehalten.
Fundstellen